Panorama

Sorge wegen Astrazeneca-Vakzin Impfberechtigte lassen Termine platzen

Pflegekräfte, die mit Corona-Patienten arbeiten, dürfen sich bereits impfen lassen. Aber viele erscheinen nicht zum Impftermin.

Pflegekräfte, die mit Corona-Patienten arbeiten, dürfen sich bereits impfen lassen. Aber viele erscheinen nicht zum Impftermin.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Berichte über Nebenwirkungen des Astrazeneca-Vakzins beim medizinischen Personal sorgen für Skepsis. In NRW und dem Saarland erscheinen Pflegekräfte nicht zum Impftermin, in vielen Bundesländern stockt die Vergabe der gelieferten Dosen. Gesundheitsminister Spahn steuert gegen.

Wegen der öffentlichen Debatte um die Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca haben einige Impfberechtigte in NRW ihre Termine platzen lassen. Einen landesweiten Überblick dazu gab es nach Auskunft des NRW-Gesundheitsministeriums am Mittag aber noch nicht. "Ja, bei uns wurden Termine abgesagt, Leute sind nicht gekommen", sagte etwa eine Sprecherin des Kreises Paderborn. Grund sei offensichtlich Skepsis wegen des Impfstoffs. Absagen gab es nach einem Bericht der "Siegener Zeitung" etwa im Impfzentrum Siegen-Wittgenstein, wo Menschen über Impfreaktionen wie Abgeschlagenheit, Fieber oder Gliederschmerzen geklagt hätten. Die "Westfälischen Nachrichten" berichteten, dass in Münster etwa 30 Prozent der für die Impfung vorgesehenen Rettungsdienstmitarbeiter und ambulanten Pfleger ihre Termine in der vergangenen Woche nicht wahrgenommen haben.

Das NRW-Ministerium hatte schon zuvor "einzelne Hinweise" auf eine "tendenziell verhaltene" Impfbereitschaft bestätigt. Zugleich betonte aber ein Ministeriumssprecher: "Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Der Impfstoff zeigt eine gute Wirksamkeit und eine gute Verträglichkeit, um schwere Erkrankungen mit Sars-CoV-2 zu verhindern."

In Niedersachsen wurde bisher nur ein Bruchteil der gelieferten Corona-Impfdosen des Herstellers Astrazeneca eingesetzt. Von den 72.000 Dosen, die das Land bislang erhielt, wurden bis einschließlich Dienstag erst 8806 verwendet. Das teilte das Gesundheitsministerium in Hannover auf Anfrage mit. Zur Frage, ob die Impfwilligen bei Astrazeneca zurückhaltender seien als bei den Vakzinen von Biontech und Moderna, hieß es in Hannover, dazu lägen keine Daten vor.

Auch Saarland und Berlin melden ausgefallene Impftermine

In anderen Bundesländern gibt es ebenfalls nennenswerte Ausfälle bei den Impfterminen: So kritisierte die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann, dass am Wochenende bei einer "Sonderimpfung im medizinischen" Bereich 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen nicht erschienen seien, ohne den Termin abzusagen. Der RBB berichtete, von den 30.000 seit vergangener Woche in Berlin eingetroffenen Dosen seien bisher erst knapp 1000 verimpft worden. In der Hauptstadt haben auch unter 65-Jährige die Wahlfreiheit, nur wenige Ärzte und Pflegekräfte entschieden sich demnach für Astrazeneca.

Geimpft werden mit dem Impfstoff von Astrazeneca die Impfberechtigten, die der höchsten Priorität angehören, und die jünger sind als 65 Jahre, wozu laut Gesundheitsministerium das Personal in der ambulanten Pflege und in den besonders gefährdeten Bereichen der Krankenhäuser zählt. Die Impfzentren kontaktierten die entsprechenden Einrichtungen direkt.

Spahn: Es bleibt kein Impfstoff liegen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn trat derweil Zweifeln an Astrazeneca klar entgegen. "Ein sicherer und wirksamer zugelassener Impfstoff schützt", sagte der CDU-Politiker. Das gelte für alle drei bisher in der Europäischen Union zugelassenen Präparate von Astrazeneca, Moderna und Biontech/Pfizer. Sich impfen zu lassen, sei in dieser Pandemie ein Gebot der Vernunft. "Wer damit wartet, riskiert schwer zu erkranken, und er riskiert auch, das Virus weiterzuverbreiten." Spahn appellierte an Pflegekräfte und Ärzte, Impfangebote zu nutzen. Er warnte davor, Skepsis zu nähren. Man müsse jetzt ein bisschen aufpassen, dass man sich auch als Gesellschaft nicht "in etwas hineinrede" und eine Impfung mit einem zugelassenen und wirksamen Stoff infrage stelle.

Inzwischen seien fast 740.000 Astrazeneca-Dosen an die Länder geliefert worden, davon seien bisher knapp 90.000 verimpft. Spahn betonte, es bleibe kein Impfstoff liegen. "Wenn Leute, die ihn angeboten bekommen, ihn nicht nehmen, werden wir ihn eben dem nächsten anbieten." Es werde sehr viele Bürger geben, die sich über einen sicheren und wirksamen Impfschutz freuten - auch hinreichend viele Pflegekräfte und Ärzte. Sie seien in dieser Zeit der Impfstoff-Knappheit privilegiert, früher geimpft werden zu können.

Ärzte warnen vor Populismus

"Wer aus Gründen des Populismus und der Selbstdarstellung den Impfstoff von Astrazeneca schlechtredet, indem er die Wirksamkeit anzweifelt (...), macht sich mitschuldig daran, wenn der Lockdown länger dauert als nötig und gerade die älteren Menschen weiter an Covid-19 sterben", erklärte der Vorsitzende des Virchowbundes der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich. Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hatte zuvor auf Skepsis bei medizinischem Personal und Pflegekräften gegen das Astrazeneca-Präparat hingewiesen und empfohlen, sie nicht mit diesem Impfstoff impfen zu lassen. Die geringere Wirksamkeit sei nicht wegzudiskutieren, sagte er.

Heinrich hielt dagegen: Jeder unter 65-Jährige, der nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werde, nehme einem Über-80-Jährigen aktuell das Vakzin von Biontech oder Moderna weg. "Weil diese dadurch ein höheres Sterberisiko haben, wird damit billigend in Kauf genommen, dass Über-80-Jährige nach Infektionen durch das Coronavirus vermehrt sterben", sagte er.

In Deutschland hat die Impfkommission das Vakzin des britisch-schwedischen Konzerns nur für unter 65-Jährige empfohlen, weil zur Wirksamkeit bei Älteren Erkenntnisse fehlen. Während die Mittel von Moderna und Biontech eine Wirksamkeit von 94 und 95 Prozent haben, sind es bei Astrazeneca nach einer neuen Studie nach der zweiten Impfung bis zu 82 Prozent.

Quelle: ntv.de, mau/dpa

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