Nur Minderheit will EU verlassen AfD-Positionen bei Deutschen nicht mehrheitsfähig
28.07.2023, 10:37 Uhr Artikel anhören
Was auf AfD-Parteitagen eine Mehrheit findet, wird nicht unbedingt von einer Mehrheit der Deutschen unterstützt.
(Foto: dpa)
Zentrale Forderungen der AfD wie der Austritt aus der Europäischen Union oder die Abschaffung des Euro stoßen in Deutschland auf breite Ablehnung. Die Zustimmung zu einigen solcher Positionen ist teils deutlich geringer, als die Umfragewerte der AfD vermuten lassen könnten.
Eine zum Teil überwältigende Mehrheit der Deutschen lehnt zentrale politische Forderungen der AfD ab. Das ergab eine repräsentative Forsa-Umfrage für RTL/ntv. Auffällig ist dabei, dass die Zustimmung zu zentralen Positionen der AfD teils deutlich geringer ausfällt als die anhaltend hohen Werte der Partei in der Sonntagsfrage. Das legt die Vermutung nahe, dass auch viele AfD-Wähler und -Anhänger zentrale Forderungen der AfD falsch finden.
Für die Erhebung legte Forsa den Befragten verschiedene Forderungen der AfD aus dem Leitantrag zu ihrem Europawahlprogramm beziehungsweise aus dem aktuellen Grundsatzprogramm der Partei zur Bewertung vor, ohne die AfD als Urheberin der Forderungen zu nennen. Am heutigen Freitag startet ein mehrtägiger Europawahlparteitag der AfD.
Die Umfrage zeigt: Besonders groß ist die Ablehnung von AfD-Forderungen und -Vorschlägen, die die Integration der Bundesrepublik in die westlichen Bündnissysteme, das europäische Währungssystem und in internationale Abkommen zum Klimaschutz betreffen.
88 Prozent gegen Austritt aus der NATO
So lehnt eine überwältigende Mehrheit der Deutschen einen Austritt Deutschlands aus der NATO ab. Nur 9 Prozent sind dafür, 88 Prozent sind dagegen. Offizielle Beschlusslage der AfD ist, dass die Mitgliedschaft in der NATO "bis auf Weiteres" zur Sicherheitsstrategie der Partei gehöre, wie es im Bundestagswahlprogramm von 2021 heißt. Im Leitantrag zum Magdeburger Parteitag wird die NATO nicht explizit erwähnt, es heißt darin aber, Deutschland und Europa dürfe sich nicht "zu Gefolgsleuten einer Großmacht reduzieren lassen". Die Zukunft der europäischen Sicherheit liege "in der Bündelung der militärischen Fähigkeiten der Staaten in einem eigenen System kollektiver Sicherheit" - also außerhalb der NATO.
Eine Gruppe um den einflussreichen Thüringer Landeschef Björn Höcke geht das noch nicht weit genug. In einem Antrag, den Höcke unterstützt, heißt es, die Staaten Europas sollten "die Verantwortung für ihre Sicherheit endlich selbst in die Hand nehmen - statt unter den vermeintlichen Schutzschirm eines fernen und eigennützigen Hegemons zu flüchten". Ein ehemaliges Vorstandsmitglied der AfD sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Viele in der AfD wollen raus aus der NATO." Dies sei "blanker Antiamerikanismus".
87 Prozent gegen Austritt aus der EU
Eine ähnliche große Mehrheit der Deutschen lehnt den von der AfD geforderten Austritt aus der Europäischen Union ab. Nur 10 Prozent sind dafür, 87 Prozent sind dagegen. Im Leitantrag für den Magdeburger Parteitag heißt es, die AfD strebe "die geordnete Auflösung der EU" an. Nach Darstellung der AfD ist diese Forderung nur durch ein "redaktionelles Versehen" in den Leitantrag geraten. Da das Papier allerdings so vom Vorstand beschlossen wurde, könnten erst die Delegierten den Satz wieder streichen.
Allerdings ist der Austritt Deutschlands aus der EU ohnehin Beschlusslage der Partei: Der Satz findet sich so im Bundestagswahlprogramm der AfD von 2021.
Keine Mehrheit für die D-Mark, keine Mehrheit für Anti-Klimapolitik
Nicht einmal der Ausstieg aus der Euro-Zone und die Wiedereinführung der D-Mark - Kernforderungen aus der Gründerzeit der AfD - finden eine Mehrheit bei den Deutschen. Für diese Position sprechen sich 15 Prozent aus, 82 Prozent sind dagegen. Die Forderung, Deutschland solle aus allen internationalen Klimaschutzabkommen aussteigen und alle bisher beschlossenen Klimaschutzgesetze wieder abschaffen, unterstützen 13 Prozent der Bundesbürger. 83 Prozent lehnen das ab.
Im Leitantrag zu ihrem Magdeburger Parteitag heißt es, wie bei der AfD, im Kapitel zu Klima, Energie und Digitalisierung: "Ohne CO2 in der Luft gäbe es keine Pflanzen." Der Satz ist so richtig wie irrelevant - beim Klimawandel geht es bekanntlich nicht um "CO2 in der Luft", sondern um CO2 und andere klimaschädlichen Gase in der Erdatmosphäre.
Andere Positionen der AfD stoßen zwar auf eine mehrheitliche Ablehnung. Diese fällt aber nicht so deutlich aus wie bei der Westbindung, beim Euro oder bei der Klimapolitik. Die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF unterstützen 36 Prozent der Deutschen. 60 Prozent lehnen dies ab. Der Wiedereinführung der Wehrpflicht für alle männlichen Deutschen zwischen 18 und 25 stimmen 45 Prozent der Deutschen zu, 51 Prozent sind dagegen.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist die einzige AfD-Forderung, die auch bei den Anhängern einer anderen Partei - der CDU/CSU, in deren Reihen dies mitunter ja auch gefordert wird - eine knappe Mehrheit (57 Prozent) findet.
Die Daten wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von RTL Deutschland am 26. und 27. Juli 2023 erhoben. Datenbasis: 1002 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: plus/minus 3 Prozentpunkte. Die Anhänger der Linken werden aus statistischen Gründen in der Tabelle nicht extra ausgewiesen.
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Forsa-Umfragen im Auftrag von RTL Deutschland.
Quelle: ntv.de, hvo