Politik

Bedrohung von außen und innen Die AfD hat ein neues Thema und einen neuen Feind

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
AfD-Chef Tino Chrupalla mit seiner Co-Vorsitzenden Alice Weidel.

AfD-Chef Tino Chrupalla mit seiner Co-Vorsitzenden Alice Weidel.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wenn die Grünen erfolgreich sind, kann das gut sein für die AfD. Die AfD-Spitze hat das erkannt und stellt die Grünen als dunkle Macht dar, als "politischen Arm der globalen Finanzinteressen". Auch alle anderen Parteien sind für sie irgendwie grün.

Klimawandel? Gibt es nicht, jedenfalls nicht, wenn es nach der AfD geht. "Vor zweitausend Jahren war es wissenschaftlich erwiesen, dass die Erde eine Scheibe ist", sagte AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla kürzlich im Deutschlandfunk. "Wir wissen, dass sie mittlerweile rund ist."

Mit solchen Positionen hat die AfD ein Alleinstellungsmerkmal. Die anderen Parteien streiten darüber, wie Klimapolitik auszusehen hat, auch darüber, wie schnell Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Aber keine andere Partei setzt wissenschaftliche Erkenntnisse der Gegenwart mit mythologischen Vorstellungen des Altertums gleich. Kein anderer Parteivorsitzender verkündet, "das Klima, das kann man nicht schützen, es ist immer im Wandel, seit Jahrtausenden". Schließlich sind sowohl die Fakten als auch der wissenschaftliche Konsens eindeutig.

Dass die AfD Klimaschutz als "Klimahysterie" diskreditiert, ist nicht neu. Klimaleugner versuchten von Anfang an, die AfD als Vehikel zu nutzen - mit Blick auf die persönliche Karriere mit eingeschränktem Erfolg, aber durchaus mit Einfluss auf die Positionen der Partei. Kohlendioxid sei "kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens", heißt es im Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016.

"Habeck ist die neue Merkel"

Neu ist, wie sehr die AfD dieses Thema in den Mittelpunkt ihrer politischen Kommunikation stellt - neben die Abwehr von Migration, die weiterhin klar dominiert. "Die AfD führt mittlerweile einen doppelten Kulturkampf", sagte der Politikberater Johannes Hillje dem "Tagesspiegel". Von außen komme die kulturelle Bedrohung durch Migranten, von innen die Bedrohung durch Klimapolitik. Beide Gefahren haben aus Sicht der AfD einen Namen. So wie die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise vor acht Jahren das zentrale Feindbild der AfD war, so sind es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen heute. "Für die AfD ist Habeck die neue Merkel", sagt Hillje im Interview mit ntv.de.

Neu ist auch, dass der Kulturkampf der AfD gegen Klimapolitik nun Teil des Erfolgs der AfD ist. Das liegt natürlich auch daran, dass die Grünen mittlerweile mitregieren. Die Grünen seien "der politische Arm dieser globalen Finanzinteressen", ihre Klimapolitik mache "globale Superreiche noch viel reicher, während der normale Deutsche sprichwörtlich das Dach über seinem Kopf verliert", sagte AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch am 26. April im Bundestag. "Ihre Klimapolitik ist nichts anderes als der ultimative Angriff auf das gesamte deutsche Volksvermögen." Chrupalla nennt die Grünen "die gefährlichste Partei Deutschlands".

Parallel zur rhetorischen Eskalation ist die AfD immer weiter nach rechts gerückt. Mit jedem Abgang eines AfD-Vorsitzenden - Bernd Lucke 2015, Frauke Petry 2017, Jörg Meuthen 2022 - wurde der rechtsextreme Thüringer AfD-Chef Björn Höcke einflussreicher.

Je mächtiger die Grünen wirken, desto besser für die AfD

Die AfD-Spitze hat erkannt, dass es Erfolg verspricht, wenn die Partei sich als Antithese zu den Grünen definiert. Es ist ein Mittel, um die Polarisierung der Gesellschaft voranzutreiben, von der die AfD unmittelbar profitiert. "Ein öffentlicher Diskurs, der von den Grünen geprägt wäre, würde dazu führen, dass die Bevölkerung immer stärker das Gefühl hätte, sie müsste sich einem dieser Lager zuordnen", sagte der Politologe und Rechtspopulismus-Experte Timo Lochocki bereits vor fünf Jahren. Ob die Grünen den öffentlichen Diskurs heute so prägen, wie die AfD unterstellt, darf bezweifelt werden - sowohl in der Klima- noch in der Migrationspolitik mussten die Grünen Kompromisse eingehen, die in ihren eigenen Reihen hart umstritten sind. Entscheidend ist hier allerdings nicht ihr objektiver Erfolg, sondern der öffentliche Eindruck. Es hilft der AfD, wenn auch andere das Feindbild von mächtigen Grünen beschwören, die dem Land gegen den Willen der Mehrheit ihren Willen aufdrücken wollen.

Doch keine Partei macht dies so ausführlich und so aggressiv wie die AfD. Im Interview mit dem Deutschlandfunk nannte Chrupalla seine Partei "das Gegenbeispiel" zur "grünen Ideologie". Kaum eine Kritik der AfD an der Ampel kommt ohne diese Floskel aus. In ihrer Darstellung ist auch die CDU letztlich nur grün: Die "ideologiegetriebene Politik der Grünen" sei "in allen Parteien vorhanden", sagte Chrupalla dem Sender Phoenix, selbst CDU-Chef Friedrich Merz greife die Grünen "in keinster Weise an".

Mehr zum Thema

Auch das ist falsch, gerade Merz greift die Grünen immer wieder scharf an - teilweise so sehr, dass politische Beobachter warnen, dies zettele genau die Polarisierung an, die der AfD Anhänger zutreibt. Dass es vor allem den Rechtspopulisten hilft, wenn demokratische Parteien ihre Narrative befeuern, ist ein Standardsatz von Politologen. "'Gender-Wahn' und 'Energie-Stasi', das ist die Sprache von Populisten, und wer die politische Auseinandersetzung in dieser Sprache betreibt, der betreibt ihr Geschäft und trägt dafür dann auch die politische Verantwortung", sagt der Politologe Robert Vehrkamp. Natürlich ist das nur ein Aspekt, um den Umfrage-Erfolg der AfD zu erklären, es gibt weitere Gründe. Zu denen gehören auch kommunikative und politische Fehler der Bundesregierung, vor allem beim Heizungsgesetz. Hillje weist darauf hin, dass der erste Entwurf dieses Gesetzes zwar eine hohe Belastung beinhaltete, aber noch keine Formen der Entlastung. "So etwas erzeugt ein Gefühl der Transformationsüberforderung", so Hillje.

"Wenn es eine große soziale Verunsicherung gibt und die Menschen nicht das Gefühl haben, dass die Politik sich ausreichend um Abstiegsängste kümmert, dann entsteht ein Verunsicherungskontext, von dem die AfD profitieren kann", sagt Hillje. Auch dazu gibt es eine politologische Binsenweisheit: Vertrauen ist schnell zerstört, kann aber nur langsam wieder aufgebaut werden.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen