Vertriebene in Berg-Karabach Armenien spricht von "ethnischen Säuberungen"
22.09.2023, 02:26 Uhr Artikel anhören
Eine Frau kocht unter freiem Himmel in Stepanakert.
(Foto: dpa)
Tausende Menschen sind nach dem Angriff Aserbaidschans auf Berg-Karabach obdachlos, Armenien wirft seinem Nachbarstaat vor, Zivilisten gewaltsam aus der Region zu vertreiben. Aserbaidschan versucht derweil, sein Vorgehen als Anti-Terror-Einsatz zu verkaufen.
Armenien hat Aserbaidschan im Konflikt um Berg-Karabach vorgeworfen, mit "ethnischen Säuberungen" gegen die armenische Bevölkerung vorzugehen. "Die Intensität und Grausamkeit der Offensive macht deutlich, dass die Absicht darin besteht, die ethnische Säuberung der armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach abzuschließen", warf der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan der Regierung in Baku in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York vor.
Laut Mirzoyan gab es bislang mehr als 200 Tote und 400 Verwundete, darunter Zivilisten, Frauen und Kinder. Mehr als 10.000 Menschen seien gewaltsam vertrieben worden, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, die ohne Nahrung und andere Lebensmittel im Freien leben müssten. Tausende Familien seien getrennt worden.
Die Lage sei seit Längerem alarmierend gewesen, so Mirzoyan. Die internationale Gemeinschaft habe sich aber geweigert, die Alarmzeichen ernst genug zu nehmen. Der UN-Sicherheitsrat habe in der Vergangenheit nicht angemessen reagiert, beklagte der armenische Minister - nun müsse er endlich handeln. "Die Rechte und die Sicherheit des armenischen Volkes von Berg-Karabach müssen angemessen berücksichtigt und international garantiert werden", verlangte Mirzoyan.
Das autoritär geführte Aserbaidschan hatte am Dienstagmorgen einen breit angelegten Militäreinsatz zur Eroberung Berg-Karabachs begonnen. Außenminister Jeyhun Bayramov verteidigte das Vorgehen vor dem UN-Sicherheitsrat als Einsatz gegen armenische Terroristen. "Was Armenien der internationalen Gemeinschaft als Angriff auf friedliche Bewohner der Region Karabach in Aserbaidschan darzustellen versucht, sind in Wirklichkeit Anti-Terror-Maßnahmen Aserbaidschans", behauptete Bayramov. Es gebe Tausende Einheiten Armeniens in der Region. Diese seien mit schweren Waffen wie Panzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriegeschützen, Mehrfachraketenwerfern, Mörsern sowie elektromagnetischen Waffen ausgestattet, so der Minister.
Baerbock fordert dauerhafte Verhandlungslösung
Aserbaidschan hatte die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region auf seinem Staatsgebiet mit Raketen und Artillerie angegriffen. Am Mittwoch gaben die militärisch unterlegenen Armenier auf. Viele von ihnen befürchten nun, aus ihrer Heimat vertrieben oder - wenn sie bleiben - zum Ziel aserbaidschanischer Gewalt zu werden.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verlangte von den Konfliktparteien in der Dringlichkeitssitzung eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, um eine dauerhafte Lösung zu erreichen. "Jetzt ist die Zeit zur Deeskalation", betonte die Grünen-Politikerin, die zugleich davor warnte, die armenische Demokratie zu destabilisieren.
Die beiden ehemals sowjetischen Länder kämpfen seit Jahrzehnten um Berg-Karabach. Die Waffenruhe nach dem letzten Krieg im Jahr 2020, in dem das durch Gas- und Öleinnahmen hochgerüstete Aserbaidschan bereits große Teile Karabachs erobert hatte, wurde immer wieder gebrochen. Baerbock verlangte eine vollständige Einstellung der Militäraktionen. Man habe zwar die Berichte über einen Waffenstillstand zur Kenntnis genommen. "Was wir aber brauchen, ist ein völliges Ende der Gewalt." Aserbaidschan trage die Verantwortung, die Zivilbevölkerung von Berg-Karabach zu schützen, sagte die Außenministerin.
Quelle: ntv.de, ino/dpa