Lage für Zivilisten unsicher? Armenien erwartet Zehntausende Flüchtlinge aus Berg-Karabach
21.09.2023, 18:38 Uhr Artikel anhören
Viele aus Berg-Karabach geflüchtete Armenier kommen zunächst auf einer russischen Militärbasis unter. Von dort könnte es weitergehen nach Armenien.
(Foto: via REUTERS)
Es klingt widersprüchlich: Die armenische Regierung sieht keine Gefahr für Zivilisten in Berg-Karabach. Dennoch bereitet sie sich auf die Ankunft Zehntausender Menschen aus der umkämpften Region vor, wie Regierungschef Paschinjan erklärt. Wie sie nach Armenien kommen sollen, ist derweil unklar.
Die Regierung der Ex-Sowjetrepublik Armenien im Südkaukasus sieht nach der faktischen Eroberung der Region Berg-Karabach durch Aserbaidschan keine Gefahr für die dort lebenden Menschen. "Zum jetzigen Moment ist unsere Einschätzung so, dass keine direkte Gefahr für die Zivilbevölkerung Berg-Karabachs besteht", sagte Regierungschef Nikol Paschinjan während einer Videoansprache. Die Waffenruhe werde im Allgemeinen eingehalten. Es gäbe nur vereinzelte Verstöße.
Das seit Jahrzehnten zwischen Baku und Eriwan umstrittene Berg-Karabach liegt auf aserbaidschanischem Gebiet, wird jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt, die nun mögliche Gewalt der siegreichen Militärs befürchten.
Er wisse, dass etwa 1200 bis 1300 Karabach-Armenier auf den Stützpunkt der dort stationierten russischen Truppen geflüchtet seien, um sich in Sicherheit zu bringen. "Wir sind auch bereit, mögliche Schritte zu ihrer Hilfe zu unternehmen, aber das Problem besteht im geschlossenen Latschin-Korridor", klagte Paschinjan. Der Latschin-Korridor, die einzige Verbindung zwischen Berg-Karabach und dem armenischen Kernland, wird seit Monaten von Aserbaidschan blockiert. Schon vor dem Angriff Bakus am Dienstag war die humanitäre Lage in Berg-Karabach daher katastrophal.
Paschinjan kämpft gegen Vorwürfe
Dennoch stellt Paschinjan sich auf die Ankunft Tausender geflüchteter Armenier aus der Region Berg-Karabach ein. "Wir haben Zimmer in Hotels reserviert, Unterkünfte vorbereitet", sagte er in der Fernsehansprache. "Wir haben Vorbereitungen getroffen, um mehr als 40.000 Familien aufzunehmen", fügte er hinzu. Die Region hat insgesamt rund 120.000 Einwohner.
Paschinjan steht innenpolitisch unter hohem Druck. Die Opposition wirft ihm Untätigkeit und fehlende Unterstützung der Karabach-Armenier vor. Viele Menschen protestieren seit Tagen in Eriwan gegen die Regierung.
1991 hatte sich Berg-Karabach nach einem international nicht anerkannten und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottierten Referendum für unabhängig erklärt. Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave und hatten sich deshalb bereits zwei Kriege geliefert, zuletzt im Jahr 2020.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP