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"Gesellschaftlicher Sprengstoff" Ataman will Antidiskriminierung neu regeln - und stößt auf Kritik

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Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat es derzeit nicht leicht.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat es derzeit nicht leicht.

(Foto: picture alliance/dpa)

19 Veränderungsvorschläge reicht die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung ein, um das Gleichbehandlungsgesetz zu reformieren. Vor allem für eine der Ideen wird sie seitens der Union scharf kritisiert. Doch auch die FDP ist nicht begeistert.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, will das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) reformieren und hat dazu ein Papier vorgelegt. Für ihre Vorschläge wird sie nun vonseiten der FDP und der CDU kritisiert. "Das Papier von Frau Ataman ist gesellschaftlicher Sprengstoff und sät Verunsicherung allerorten", sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, der "Bild"-Zeitung.

Sie hebt dabei besonders den Vorschlag hervor, den Nachweis von Diskriminierung zu erleichtern. In dem Papier steht dazu: "Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden. Das heißt, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt." Ein Richter müsste entsprechend nicht vollständig von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt sein. Es würde genügen, dass eine Behauptung überwiegend wahrscheinlich erscheint. Laut Helling-Pahr könne das aber "künftig Missbrauch, Falschbeschuldigung und Erpressung" fördern.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, übte ebenfalls Kritik. "Der Vorschlag von Frau Ataman ist absurd", sagte er der "Bild"-Zeitung. "In unserer Rechtsordnung muss jeder Kläger seinen Anspruch auch nachweisen und nicht nur glaubhaft machen, um vor Gericht zu gewinnen." Ataman wolle es jedoch "ausreichen lassen, dass sich Menschen künftig auf bloß gefühlte Diskriminierungen berufen, um für sich einen finanziellen Vorteil herauszuschlagen." Die Union werde den Plan ablehnen. Laut FDP-Politiker Wolfgang Kubicki spreche sie weder "für die Koalition noch für die Bundesregierung". Das betonte der Bundestagsvizepräsident in der "Bild". Er zeigte sich bei der Erleichterung der Beweisführung aber offen für eine "maßvolle Überarbeitung für mehr Praxistauglichkeit". Dieser Diskussion werde sich niemand verschließen, sagte Kubicki.

19 Vorschläge für stärkeren Schutz gegen Diskriminierung

Atamans vorgelegtes Papier umfasst 19 Vorschläge. Die Antidiskrimierungsbeauftragte will neben einfacheren Klagemöglichkeiten für Betroffene von Diskriminierung, die Ausweitung des Gesetzes auf staatliches Handeln des Bundes sowie ein Verbot von diskriminierenden Wohnungsanzeigen durchsetzen. Auch der Schutz vor Diskriminierung durch künstliche Intelligenz soll in das Gesetz aufgenommen werden. Es ist ein Vorhaben, das die Regierungsparteien bereits im Koalitionsvertrag angekündigt hatte.

Unter anderem will Ataman die Diskriminierungsgründe erweitern. Neu hinzukommen sollen die Merkmale "Staatsangehörigkeit", "sozialer Status" und "familiäre Fürsorgeverantwortung". Bei Letzterem geht es insbesondere um Eltern oder pflegende Angehörige, die wegen ihrer Fürsorgetätigkeit Nachteile im Arbeitsmarkt erleben. Daneben will Ataman die Formulierung "aus Gründen der Rasse" ersetzen durch "aufgrund rassistischer Zuschreibungen".

Bisher regelt das AGG nur Diskriminierungen im Arbeitsleben und bei sogenannten Massengeschäften in der Privatwirtschaft - also etwa dem Einkauf im Supermarkt, Restaurantbesuchen oder Pauschalreisen. Ataman will in der Wirtschaft die Beschränkung auf Massengeschäfte nun streichen und den Geltungsbereich des Gesetzes auf "staatliches Handeln des Bundes" ausweiten. "Es kann nicht sein, dass an ein Wirtschaftsunternehmen oder an einen Supermarkt höhere Maßstäbe angelegt werden als an Ämter, die Polizei oder die Justiz", erklärte die Antidiskriminierungsbeauftragte.

Zudem will Ataman die Geltung des Gesetzes bei sexueller Belästigung auf zivilrechtliche Vertragsverhältnisse außerhalb des Arbeitslebens ausweiten. Als Beispiele werden Mietverhältnisse oder Mitgliedschaften im Fitnessstudio genannt. Darüber hinaus will Ataman ein Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände sowie die Antidiskriminierungsstelle selbst schaffen. Zudem plädiert sie "für eine deutliche Verlängerung der Fristen, in denen Menschen Ansprüche wegen Diskriminierungen geltend machen können". Dieser Zeitraum soll künftig zwölf Monate betragen. Bisher sind es zwei Monate.

Quelle: ntv.de, tkr/AFP

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