Aktiv gegen Diskriminierung Wohnung? "Nur für Deutsche!"
04.04.2023, 09:19 Uhr Artikel anhören
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist gesetzlich verboten.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Diskriminierung am Wohnungsmarkt ist verboten, aber real. Und je angespannter der Wohnungsmarkt, desto größer das Risiko. Einige Unternehmen zeigen, wie man verbeugen kann.
Selcuk Y., ein Familienvater in Dortmund, angestellt bei den Stadtwerken, sucht eine Wohnung. Er schreibt einen Vermieter an und bekommt direkt eine Absage. Nur um sicherzugehen, bittet er einen Freund, die gleiche Wohnungsanfrage noch mal zu schicken, diesmal unter dem Namen "Thomas Müller". Und siehe da: der bekommt eine Einladung.
Gisela M. kann ihre Miete in der neu sanierten Wohnung nicht mehr stemmen und sucht nach einer günstigeren Wohnung. Sie bekommt eine Absage nach der anderen. "Tut mir leid, ab 65 vermiete ich nicht mehr", sagt ihr ein Vermieter ins Gesicht. Gisela M. ist 71 Jahre alt.

Ferda Ataman ist Politologin und Autorin und seit 2022 die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung.
(Foto: Steffen Kugler / BPA)
Ein anderer Fall: Zwei Frauen wollen eine Wohnung mieten. Als der Vermieter erfährt, dass die beiden keine Wohngemeinschaft, sondern verheiratet sind, lehnt er ab. Er vermiete nur an "normale Eheleute". Er lässt die Unterzeichnung des Mietvertrags platzen.
All das sind aktuelle Fälle aus unserer Beratung in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Immer wieder melden sich Menschen mit ähnlichen Erfahrungen bei uns. Fälle, in denen Menschen wegen ihrer (vermeintlichen) Herkunft, sexuellen Identität, wegen ihres Alters, Geschlechts oder ihrer Religion, wegen einer Behinderung oder aus anderen Gründen keinen Mietvertrag bekommen oder mehr Miete zahlen sollen.
Nhi Le hat es schwerer als Nicole
Untersucht ist Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt vor allem im Bereich Rassismus. Aus Umfragen wissen wir, dass mehr als ein Drittel aller Migrant*innen und ihrer Nachkommen bei der Wohnungssuche Diskriminierung erleben. Das sind hochgerechnet Millionen von Menschen. Wir wissen schwarz auf weiß: Malik hat es bei der Wohnungssuche deutlich schwerer als Martin, Nhi Le schwerer als Nicole.
Zwar ist es gerade in vielen Gegenden grundsätzlich schwer, eine gute, bezahlbare Wohnung zu finden, und zwar für alle. Aber für manche Menschen ist die Wohnungssuche schwerer als für andere. Unternehmen, Privatvermieter*innen, Makler*innen und Wohnungsgesellschaften diskriminieren oft schon in der ersten Bewerbungsphase, wenn Interessierte einen "nicht-deutsch" klingenden Namen, einen ausländischen Pass, das "falsche" Alter oder Lebensmodell haben. Je angespannter der Wohnungsmarkt, desto größer das Risiko.
Hinzu kommen in großen Wohnungsunternehmen und -gesellschaften standardisierte und automatisierte Entscheidungssysteme, die zu pauschalen Absagen führen können - oder gar gezielte Diskriminierungen ganzer Gruppen. Nach einem Bericht von Radio Bremen hat die Wohnungsbaugesellschaft Brebau bei der Wohnungsvergabe jahrelang gezielt Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Namens, ihrer Religion und ihrer Deutschkenntnisse benachteiligt.
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist gesetzlich verboten
Die Folgen sind schlimm: Wer keine Wohnung hat oder nur eine bekommt, die weit entfernt ist von der Arbeit, Kita und Schule, wer zu wenig Platz hat, wer viel zu viel Miete bezahlt, hat massiven Stress und Existenzdruck. Und möglicherweise drohen noch krassere Konsequenzen bis hin zu gesundheitlichen Schäden.
Dabei ist Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gesetzlich verboten. Grundsätzlich darf niemand Wohnungssuchende wegen einzelnen Merkmalen einen Besichtigungstermin verwehren oder einen Mietvertrag verweigern. Wer klare Indizien dazu hat und vor Gericht eine Diskriminierung feststellen lässt, dem stehen Schadensersatz oder eine Entschädigung zu.
Ein Mann mit türkischem Nachnamen aus Berlin hat genau das getan. Er hat eine Wohnungsbaugesellschaft verklagt. Auch er konnte die Diskriminierung mit einem "Testing" mit einem fiktiven deutschen Namen beweisen. Die Wohnungsbaugesellschaft musste eine Entschädigung zahlen. (In diesem Fall nur mickrige 1000 Euro, aber ihm ging es nicht ums Geld, sondern um sein Recht.)
Betroffene sollten sich wehren, Wohnungsunternehmen sollten vorbeugen
Leider sind solche Urteile eher die Ausnahme als die Regel. Viel zu Wenige gehen tatsächlich gegen Diskriminierung vor. Vielleicht, weil sie nicht wissen, welche Rechte und Möglichkeiten sie haben. Vielleicht auch, weil die Frist zu reagieren, sehr kurz ist, nämlich nur zwei Monate.
Damit Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr zum Alltag in Deutschland gehört, müssen vor allem zwei Dinge passieren:
1. Betroffene sollten sich wehren. Um zu wissen, ob sie etwas tun können und wenn ja, was, brauchen die meisten Menschen erstmal Hilfe. Juristischen Rat gibt es zum Beispiel bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
2. Wohnungsunternehmen sollten offen mit Diskriminierung umgehen und vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Um zu zeigen, wie das gehen kann, haben wir positive Beispiele gesammelt. Da gibt es zum Beispiel in München mit "SOWON - Soziales Wohnen online" ein Verfahren, bei dem sich potenzielle Mieter*innen gezielt auf Wohnungen bewerben können, darunter auch wohnungslose Menschen. In Hamburg hilft die gemeinnützige Initiative Lawaetz Menschen, die Probleme beim Zugang zu Wohnraum haben, kostenlos bei der Suche nach unbefristetem Wohnraum. Und die Berliner GESOBAU stellt mit dem Projekt "Wohnen und Leben im Märkischen Viertel" unbefristet Wohnungen für zuvor wohnungslose zugewanderte Menschen aus Südosteuropa zur Verfügung.
Solche Beispiele zeigen: Man kann etwas tun gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt.
Und man sollte es auch. Gerade jetzt.
Quelle: ntv.de