Der Kriegstag im Überblick Autoexplosion erschüttert Moskau - Scholz und weitere Staatschefs fordern AKW-Inspektion
21.08.2022, 21:44 Uhr
Darja Dugina, die den russischen Angriffskrieg verteidigt hatte, starb bei der Explosion.
(Foto: via REUTERS)
Eine Autobombe, bei der die Tochter von Putins Strategen Alexander Dugin ums Leben kommt, erschüttert Moskau. Der Verdacht geht Richtung Ukraine, die jedoch dementiert. Wegen der Angriffe auf Saporischschja fordert Kanzler Scholz mit Biden, Macron und Johnson eine schnelle Inspektion des Atomkraftwerks. Der 179. Kriegstag im Überblick.
Autobombe tötet russische Politologin
Bei einem Autobombenanschlag in der Nähe von Moskau ist nach Angaben russischer Ermittler am Samstagabend die Journalistin und Politologin Darja Dugina getötet worden. Sie war die Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin, der als Vertrauter und Ideengeber des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt - auch für den Angriff auf die Ukraine. Die 29-Jährige vertrat ähnliche Positionen wie ihr Vater, verteidigte den russischen Angriffskrieg und bezeichnete Ukrainer als "Unmenschen".
Unter russischen Nationalisten und prorussischen Kräften in der Ukraine löste der Anschlag Entsetzen aus. Sie machten die Ukraine für Dugins Tod verantwortlich. Der Angriff soll demnach Dugin selbst gegolten haben, der auch als "Gehirn" oder Einflüsterer Putins beschrieben wird. Kiew wies eine Beteiligung zurück. "Die Ukraine hat natürlich mit der gestrigen Explosion nichts zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind - wie die Russische Föderation - und schon gar kein Terrorstaat", sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak dem Internetportal Ukrajinska Prawda zufolge.
Selenskyj warnt vor besonderer Brutalität
Vor Bekanntwerden der Autoexplosion hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer am Samstagabend verbreiteten Videobotschaft seine Landsleute zum Zusammenhalt aufgerufen. "Für den Sieg der Ukraine müssen wir kämpfen, es gibt noch viel zu tun, wir müssen standhalten und noch viel ertragen, leider auch viel Schmerz." Für die kommende Woche kündigte er den Besuch von Partnern in Kiew an.
Am 24. August feiert die Ukraine ihren Unabhängigkeitstag. Erinnert wird am selben Tag auch an ein halbes Jahr des russischen Angriffskriegs. Selenskyj warnte, dass Russland den Unabhängigkeitstag für besondere Brutalität nutzen könnte, sprach aber auch davon, dass sich auf der seit 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim eine Rückeroberung anbahne. In den vergangenen Wochen hatte es dort mehrfach Explosionen gegeben.
Kiew: Russische Angriffe im Osten und Süden abgewehrt
Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge mehrere russische Angriffe im Osten und Süden des Landes abgewehrt. So seien russische Vorstöße etwa im östlichen Gebiet Donezk in Richtung der Städte Slowjansk, Kramatorsk und Awdijiwka zurückgeschlagen worden, teilte der ukrainische Generalstab am Abend mit. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht. Ein Abgeordneter der südlichen Region Cherson berichtete, den Ukrainern sei bei einer Gegenoffensive am Samstag die Zerstörung eines russischen Munitionslagers gelungen. Die russische Seite, die Teile Chersons besetzt hat, teilte hingegen lediglich mit, die eigene Luftabwehr habe am Wochenende mehrere ukrainische Angriffe abgewehrt.
Russen wollen HIMARS-Systeme zerstört haben
Russland hat nach eigenen Angaben mit seegestützten Raketenangriffen in der Region Odessa ein Waffenlager zerstört, in dem sich Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS sowie andere Luftabwehrsysteme aus westlicher Produktion befanden. Außerdem wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Region Cherson zwei Haubitzen vom Typ M777 in Kampfstellungen zerstört sowie ein Treibstofflager in Saporischschja, in dem sich mehr als 100 Tonnen Diesel befunden haben sollen.
London: Kritik an Panzer-Biathlon im russischen Militär
Innerhalb der russischen Streitkräfte gibt es nach Einschätzung britischer Militärexperten Kritik, dass trotz des Kriegs in der Ukraine an militärischen Wettkämpfen und Zeremonien festgehalten wird. "Ein erheblicher Teil der russischen Militär- und Sicherheitsexperten glauben wahrscheinlich, dass es unangemessen ist, weiterhin Kräfte für zeremonielle militärische Events abzustellen, während russische Truppen schwere Verluste in der Ukraine erleiden", hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London. Die britischen Experten zitierten einen Minister aus der abtrünnigen prorussischen Volksrepublik Donezk, der sich über das Abhalten von Wettkämpfen wie dem Panzer-Biathlon, einem Fahr- und Schieß-Wettbewerb zwischen Panzerbesatzungen und Festivals von Militärkapellen beschwerte.
Spionage auf Militärgelände?
Zwei Russen und ein ukrainischer Staatsbürger wurden in Albanien in der Nähe einer Militäranlage festgenommen. Wie das albanische Verteidigungsministerium mitteilte, versuchte einer der Männer, Fotos von der Gramsh-Fabrik zu machen, in der unter anderem ausgediente Waffen demontiert werden. Albaniens Ministerpräsident Edi Rama erklärte, die drei Männer würden der Spionage verdächtigt. Der Vorfall müsse "in einem breiteren regionalen und politischen Kontext behandelt" werden, sagte Verteidigungsminister Niko Peleshi. Er warnte jedoch davor, "voreilige Schlüsse" zu ziehen. Militärpolizei, Geheimdienste und Anti-Terror-Experten nahmen vor Ort Ermittlungen auf. Albanien ist seit 2009 NATO-Mitglied.
Scholz, Biden, Macron und Johnson fordern AKW-Inspektion
Vor dem Hintergrund anhaltender Angriffe auf das Gelände des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja forderten die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien eine rasche Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Gleichzeitig hätten Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und sein französischer Kollege Emmanuel Macron sowie der britische Premierminister Boris Johnson zur "militärischen Zurückhaltung" in der Umgebung des Atomkraftwerks aufgerufen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die vier Staats- und Regierungschefs tauschten sich demnach über die internationale Lage aus.
Bei einem Bürgerdialog im Kanzleramt zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung kündigte Scholz an, auch weiterhin sicherstellen zu wollen, "dass es keine Eskalation des Krieges gibt". Aktuell gehe es Russland um Gebietsgewinne im Osten der Ukraine, sagte Scholz. Doch es sei nicht einmal sicher, dass es dabei bleiben würde. Nachgeben sei da keine vernünftige Strategie. Er werde den Dialog mit Putin dennoch nicht beenden, kündigte Scholz an. Hier gelte, dabei müsse "man klar sein, und darf sich auch nicht einschüchtern lassen".
Lindner will nach Kiew reisen
Bundesfinanzminister Christian Lindner will demnächst in die Ukraine reisen. In der ARD antwortete er auf die Frage, wann er nach Kiew fahre: "Jetzt im Spätsommer oder Herbst. Ich bin mit meinem ukrainischen Kollegen darüber im Gespräch." Im Mai hatte Lindner seinem Amtskollegen in der Ukraine bereits einen Besuch in der Hauptstadt Kiew angeboten. Damals hatte er nach eigener Aussage Finanzminister Sergej Martschenko vorgeschlagen zu kommen, wenn ein Besuch hilfreich sei.
Habeck warnt vor Einknicken bei Nord Stream 2
Die zuletzt durch Äußerungen von FDP-Vize Wolfgang Kubicki angeheizte Debatte um die Zukunft der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 setzte sich fort. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erteilte einer Inbetriebnahme, die Kubicki am Freitag gefordert hatte, erneut eine Absage. Damit würde man indirekt sagen, Putin habe Recht, warnte der Grünen-Politiker beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium in Berlin: "Hat er aber nicht!" Mit der großen Abhängigkeit von russischem Gas habe Deutschland einen Fehler gemacht. Kubicki hatte für seinen Vorstoß bereits viel Kritik einstecken müssen - auch von der eigenen Partei.
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Quelle: ntv.de, chf/dpa/rts/AFP