Grüne debattieren über Krieg Baerbock: Flächenbrand in Nahost verhindern
24.11.2023, 01:00 Uhr Artikel anhören
Baerbock warnte auch vor einem regionalen Flächenbrand in Nahost.
(Foto: REUTERS)
Einerseits verteidigt Außenministerin Baerbock das Selbstverteidigungsrecht Israels. Andererseits bräuchten auch die Palästinenser eine Zukunftsperspektive, sagt sie auf dem Grünen-Parteitag. Gastrednerinnen gehen dort auch auf den Antisemitismus in Deutschland ein.
Die Grünen haben sich auf ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe klar zur Solidarität mit Israel bekannt und "den Terror der Hamas aufs Schärfste verurteilt". In einem am späten Donnerstagabend einstimmig beschlossenen Dringlichkeitsantrag wird neben dem Leid der Israelis auch auf das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung Bezug genommen. Eindringlich warnte Außenministerin Annalena Baerbock vor neuen Gräben, "wenn das Leid der anderen nicht mehr gesehen wird". Es sei "unsere Aufgabe, genau das zu verhindern - einen regionalen Flächenbrand und diese internationalen Gräben."
Baerbock nannte Schicksale von Menschen, die sie in den vergangenen Wochen auf beiden Seiten getroffen habe. "Beides ist Realität", hob sie hervor. "Israel wird niemals in Sicherheit leben können, wenn dieser Terror nicht bekämpft wird", verteidigte sie das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen die islamistische Hamas. Es werde aber ebenso keine Sicherheit für Israel geben, "wenn nicht auch die Palästinenserinnen und Palästinenser eine Zukunftsperspektive haben".
Die Außenministerin erinnerte an die furchtbaren Bilder von ermordeten und verschleppten Menschen nach dem brutalen Angriff der Hamas vom 7. Oktober. Diese habe sich damit auch gegen eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn gerichtet. Doch gelte auch: "Jeder, der dieser Tage mit beiden Augen hinschaut, hat die fürchterlichen Bilder aus dem Schifa-Krankenhaus in Gaza gesehen", sagte Baerbock weiter. Zu dem Bild gehörten aber auch die Tunnel der Hamas, die bei dem Krankenhaus entdeckt wurden, und die als menschliche Schutzschilde missbrauchten Patientinnen und Patienten.
Kritik auch an radikalen Siedlern
Es sei wichtig, "über das morgen zu reden", auch wenn heute eine Zwei-Staaten-Lösung von Israel und Palästina "weit weg erscheint", mahnte die Außenministerin. Sie kritisierte auch israelische Siedler, die im Westjordanland "Palästinenser vertreiben oder gar töten".
Auf die Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland ging als Gastrednerin die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion in Deutschland, Hanna Veiler, ein. Sie verwies auf Jüdinnen und Juden, die sich nicht mehr trauen, den Davidstern oder andere Erkennungszeichen offen zu tragen oder die Angst hätten, zur Uni zu gehen.
"Jüdinnen und Juden und Israelis müssen frei und sicher in Deutschland leben können", heißt es dazu im Beschluss des Grünen-Parteitags. Ein Angriff auf Jüdinnen und Juden sei "immer auch ein Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung". Dies gelte auch für "Kundgebungen, auf denen der Terrorismus der Hamas verherrlicht und gefeiert wird", wird in dem Text betont.
Feuerpause und Gefangenenaustausch
Als weitere Gastrednerin zeigte sich die muslimische Politologin Saba Nur-Cheema erschüttert über fehlende Solidarität mit den überfallenen Israelis nach dem 7. Oktober oder gar Solidaritätsbekundungen für die Hamas. "Wir haben ein großes Problem, in weiten Teilen der muslimischen Gemeinschaft ist Antisemitismus weit verbreitet", sagte sie, zu wenig würden Feindbilder hinterfragt. Ebenso kritisierte sie antimuslimische Stimmungen in Deutschland.
Am 7. Oktober hatten Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas Israel überfallen und dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. In Israel wurden nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion darauf begann Israel mit massiven Angriffen auf Ziele im Gazastreifen. Nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Behörden wurden dort seither mehr als 14.000 Menschen getötet. Am Freitagmorgen soll eine viertägige Feuerpause beginnen. Am Nachmittag soll eine erste Gruppe von Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge, die in Israel im Gefängnis sitzen, freigelassen werden.
Quelle: ntv.de, mli/AFP