Politik

Habeck attackiert Merz frontal "Hände auf den Rücken gefesselt ziehen wir in den Boxkampf"

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Am Ende seiner Rede verbeugte sich Habeck unter den minutenlangen Applaus der Delegierten.

Am Ende seiner Rede verbeugte sich Habeck unter den minutenlangen Applaus der Delegierten.

(Foto: REUTERS)

Zum Auftakt ihres Bundesparteitages debattieren die Grünen die Auswirkungen des Schuldenbremsen-Urteils. Bundeswirtschaftsminister Habeck stellt die Schuldenregel mit neuer Vehemenz infrage - und attackiert den Oppositionsführer Friedrich Merz.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht der Schuldenbremse in ihrer bisherigen Form das Existenzrecht ab. "Mit der Schuldenbremse, wie sie ist, haben wir uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt und so ziehen wir in den Boxkampf", sagte Habeck zum Auftakt des Grünen-Bundesparteitags in Karlsruhe. "Die anderen haben sich Hufeisen um die Hände gewickelt und wir haben nicht einmal die Hände frei", sagte Habeck mit Blick auf die massiven Investitionsprogramme in den USA und in China. "Es ist klar, wie das ausgeht."

Eine Schuldenbremse, die Investitionen unmöglich mache, verhindere Klimaschutz und gefährde die deutsche Wirtschaft. "Die Schuldenregeln sind starr, wir brauchen sie aber zäh und ausdauernd", sagte Habeck. Zugleich versicherte der Vize-Kanzler, dass die Grünen den Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses nicht infrage stellen. Darin hat die FDP den unveränderten Fortbestand der Schuldenbremse verankert. "Selbstverständlich stehe ich zu unserem Koalitionsvertrag", sagte Habeck. Dennoch müsse man "nachdenken".

"Groko hat Deutschland in diese Lage gebracht"

Daneben attackierte Habeck den CDU-Vorsitzenden und Unionsfraktionschef Friedrich Merz scharf. Dieser habe nach der Verkündung des Urteils zur Schuldenbremse "frohlockt", dass Transformation fortan nur noch durch Technologie stattfinde. Damit verweigere sich die Union der Realität, weil Deutschlands Mitbewerber massiv investierten, um Zukunftstechnologien bei sich anzusiedeln. "Es ist schlicht falsch, sich in abstrakten Prinzipien zu verbeißen, blind für die Welt, wie sie ist, die Augen nur offen für das, was man gerne hätte", sagte Habeck über Merz.

Die Union durchlebe eine "Krise des Konservatismus", weil sie auf die Herausforderungen der Gegenwart keine Antworten finde. Die CDU sei "eine Partei von gestern, angeführt von einem Vorsitzenden von vorgestern", sagte Habeck. Deutschlands Probleme seien das Ergebnis der langen Regierungszeit der Union. "Die Realitätsverweigerung der Großen Koalition hat Deutschland in diese Lage gebracht", sagte Habeck. "Immer nur leere Phrasen ohne Konsequenzen und jetzt soll ausgerechnet die Groko der neue Kassenschlager sein?" In einer Umfrage im Auftrag von RTL und ntv hatte sich in der vergangenen Woche eine Mehrheit von 55 Prozent für einen Wechsel zur Großen Koalition aus SPD und Union anstelle der Ampel ausgesprochen.

Woher sollen 60 Milliarden kommen?

"Es kommt Welle auf Welle und Krise auf Krise und wir halten Deutschland auf Kurs, wieder und wieder", sagte Habeck unter lange anhaltendem Applaus. "Kämpfen wir für eine Gesellschaft, die fähig ist, ihre Widersprüche zu neuen Lösungen zu bringen. Unsere Ideologie heißt Wirklichkeit." Die Rede des früheren Parteivorsitzenden zielte erkennbar darauf ab, der verunsicherten Partei Mut zu machen und die Beteiligung an der Bundesregierung, schwierigen Kompromissen und Selbstzweifeln zum Trotz fortzusetzen. Habeck verneigte sich vor den minutenlang klatschenden Delegierten.

Zugleich konnte oder wollte Habeck nicht erklären, wie die Bundesregierung die Vorhaben für Klimaschutz und den Umbau der Industrie umsetzen will ohne die nun fehlenden 60 Milliarden Euro. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verschiebung der zu Corona-Zeiten aufgenommenen Sonderschulden in den Klima- und Transformationsfonds für verfassungswidrig erklärt. Für eine Reform der Schuldenbremse bräuchten SPD und Grüne die Stimmen der Union. Zudem lehnt auch die FDP eine Öffnung der Schuldenregel für Investitionen bislang ab. Zu möglichen Sparmaßnahmen, um die nun fehlenden Mittel aus dem regulären zu nehmen, sagte Habeck nichts.

Nouripour dankt Lindner

Vor Habeck hatte Parteichef Omid Nouripour gesprochen, der sich am morgigen Freitag zusammen mit Ricarda Lang wiederwählen lassen will. "Es kann doch nicht sein, dass eine Opposition mehr die Niederlage der Regierung will, als den Erfolg des Landes", kritisierte Nouripour den Umgang der Union mit Urteil aus Karlsruhe. "Wir müssen natürlich die Schuldenbremse reformieren", forderte auch Nouripour. Er sei Bundesfinanzminister Christian Lindner "sehr dankbar", dass er die Schuldenbremse für das laufende Jahr ausgesetzt habe. Theoretisch könnte die Bundesregierung auch im kommenden Jahr eine Notlage erklären. Entsprechende Forderungen erhoben Habeck und Nouripour - zumindest auf dem Parteitag - nicht.

Die Grünen kommen noch bis Sonntag auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz zusammen. Neben Debatten über aktuellen Themen wie die das Schuldenbremsen-Urteil, den Nahostkonflikt und die Migrationspolitik wollen die Delegierten auch ihr Europawahlprogramm beschließen und die Kandidaten für die Europawahl im kommenden Frühjahr wählen.

Quelle: ntv.de

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