Härtetest für den US-Präsidenten Biden muss Putin ohne Truppen besiegen
24.02.2022, 15:35 Uhr
Kann US-Präsident Biden dem russischen Aggressor Putin die Stirn bieten?
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Schon früh stellt US-Präsident Biden klar, dass amerikanischen Truppen die Ukraine nicht gegen Russland verteidigen werden. Ein Zeichen der Schwäche, das Wladimir Putin ausgenutzt habe, tönt unter anderem sein Amtsvorgänger Trump. Können die "härtesten Sanktionen" der Welt die Wende bringen?
US-Präsident Joe Biden hat die Ukraine mit mehr Waffen beliefert als jeder amerikanische Präsident vor ihm. Er hat die US-Truppen an der Ostflanke der NATO verstärkt und die Bündnispartner nach vier brüchigen Jahren unter seinem Vorgänger Donald Trump wieder zusammengeschweißt. Er hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die härtesten Sanktionen angedroht, die je ein Land gesehen hat. Nichtsdestotrotz hat der Kreml-Chef eine "spezielle Militäroperation" in der Ukraine angeordnet.
Nun muss Biden liefern und Russland bestrafen, ohne mit eigenen Truppen einzugreifen. Er steht vor der vielleicht größten Herausforderung seiner Amtszeit- die auch innenpolitische Konsequenzen haben könnte.
In einer ersten Reaktion auf den russischen Einmarsch versicherte Biden, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten würden entschlossen auf Russlands "unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff" reagieren. Aber klar ist bereits, dass die USA keine Truppen in die Ukraine entsenden werden. Das hatten Biden und seine US-Vizepräsidentin Kamala Harris mehrfach betont. Einige Tausend zusätzliche US-Truppen in Deutschland, Polen und Rumänien müssen als Abschreckung ausreichen.
Bidens Streben nach Diplomatie und Sanktionen spiegelt das geringe Verlangen der US-Bevölkerung nach einem weiteren Militäreinsatz wider. Die langwierigen und kostspieligen Erfahrungen in Afghanistan und Irak haben ihre Spuren hinterlassen. Die Ukraine ist weit weg, kein NATO-Mitglied, Washington nicht zur Verteidigung verpflichtet. Der russische Präsident wusste, dass Biden nicht gegen ihn in den Krieg ziehen würde.
Fokus auf Ostflanke der NATO
Biden konzentrierte sich stattdessen auf die Koordinierung der NATO in Osteuropa, um den Bündnispartnern die Angst vor den russischen Truppen zu nehmen. Etwa 150.000 Soldaten hatte Putin an den Grenzen der Ukraine zusammengezogen. Das Weiße Haus legte die Pläne des Kreml offen und warnte eindringlich vor der bevorstehenden Invasion.
Das war nicht unumstritten, weil der Eindruck entstand, Biden versuche einen russischen Einmarsch förmlich herbeizureden. Doch unter anderem Andrew Weiss, Russland-Experte bei der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace in Washington, lobte die Strategie, weil Putin dadurch "auf dem heißen Stuhl" gelandet sei.
Auch die Wiederbelebung der NATO brachte Biden Sympathien ein. Das westliche Militärbündnis drohte unter seinem Vorgänger in die Brüche zu gehen. Donald Trump hatte den Wert der NATO offen infrage gestellt. Nun bezeichnet ein hochrangiger europäischer Diplomat die Gespräche mit den amerikanischen Verbündeten als "vorbildlich".
Beobachter loben Biden ebenfalls dafür, dass er das Sanktionspaket, das die russische Wirtschaft lähmen und Putins inneren Kreis treffen soll, eng mit den Verbündeten herausgearbeitet habe. Auch in der Bundesregierung schwärmt man von dem multilateralen Ansatz. Berlin wurde vom Weißen Haus davon überzeugt, die Genehmigungen für die Nord Stream 2 einzufrieren. Das steht im Gegensatz zur Verärgerung, die der US-Präsident vergangenes Jahr bei vielen Partnern mit dem chaotischen US-Abzug aus Afghanistan ausgelöst hatte.
Wirtschaftsansatz für Militärproblem
Einige Beobachter bezweifeln jedoch, dass eine wiedererstarkte NATO als Abschreckung ausreicht - zu Recht, wie sich derzeit zeigt. "Ein Mangel des Abschreckungspakets ist, dass es hauptsächlich wirtschaftlich ist", sagte Ian Kelly, ein ehemaliger US-Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). "Wir stehen aber einer militärischen Bedrohung gegenüber."
US-Beamte haben zudem eingeräumt, dass die Sanktionen die Ölpreise in die Höhe treiben könnten, was die Herausforderung für Biden, die Inflation zu bekämpfen, noch verschärft. Am Mittwoch signalisierte die US-Regierung Moskau daher, dass man auch künftig keine Sanktionen im Öl- und Gassektor verhängen wolle.
Putins erfolgreicher Feldzug könnte also auch Republikanern, die grundsätzlich an der Seite von Biden stehen, einen Knüppel in die Hand geben. Den könnten sie bei den Kongresswahlen, die im November anstehen, gegen das Weiße Haus einsetzen. Kurz nach dem russischen Einmarsch ließ Trump bereits verlauten, dass es die Invasion mit ihm als US-Präsident nicht gegeben hätte. Putin habe die "Schwäche" von Biden gesehen und ausgenutzt, sagte der Milliardär.
Quelle: ntv.de, chr/rts