Politik

Inflation und Benzinpreise US-Kongress zittert vor Russland-Konflikt

Der Mehrheitsführer im Senat, Charles Schumer (links), und der Senator Dick Durbin nach dem Koordinierungstreffen der Demokraten.

Der Mehrheitsführer im Senat, Charles Schumer (links), und der Senator Dick Durbin nach dem Koordinierungstreffen der Demokraten.

(Foto: REUTERS)

Aus Russlands Sicht ist es ein günstiger Zeitpunkt, Washington unter Druck zu setzen: Die USA kämpfen gegen die Inflation, um den Ölpreis und im November um den Kongress. Der Konflikt mit Russland dürfte indirekt auch die Machtverhältnisse der US-Regierung beeinflussen.

Der aktuelle Konflikt mit Russland könnte sich in den USA aus einer Sorge Washingtons und diplomatischer Kreise zu einem landesweiten Thema der Bevölkerung entwickeln. Und damit zu einem innenpolitischen Problem der Regierung. Das hat nicht etwa mit einer Kriegsangst zu tun, denn die USA werden sich nicht in einen bewaffneten Konflikt stürzen. Zu groß sind die Risiken. Sondern mit den Benzinpreisen. Schon aktuell ist Treibstoff auch in den Vereinigten Staaten vergleichsweise teuer. Innerhalb des vergangenen Jahres stieg der Preis an den Tankstellen des Landes im Schnitt um 37 Prozent.

US-Präsident Joe Biden ist sich des Problems durchaus bewusst. In einer Rede am Dienstag erwähnte er den "Einfluss auf unsere Energiepreise" und "Konsequenzen im eigenen Land", falls es zum Krieg in der Ukraine käme. "Die Amerikaner verstehen, dass Demokratie und Freiheit niemals gratis ist", verkündete er zwar, aber die Gemüter unzufriedener oder gar wütender Wähler ohne Geld in der Tasche wird das wenig beruhigen. Verbraucherpreise sind ein riesiges Problem für die US-Regierung. Und dazu gehört im Land des Autos nicht zuletzt Benzin.

Das Benzin ist im Schnitt mehr als ein Drittel teurer als vor einem Jahr - wie an dieser Tankstelle in Los Angeles.

Das Benzin ist im Schnitt mehr als ein Drittel teurer als vor einem Jahr - wie an dieser Tankstelle in Los Angeles.

(Foto: AP)

Schon seit vergangenem August kennt Bidens Beliebtheitskurve nur eine Richtung: nach unten. Im Herbst stehen nun die Kongresswahlen an. Sie werden darüber entscheiden, ob Biden 2023 und 2024 gegen das Parlament regieren muss. Die Umfragen für den November sehen düster aus, zumal den Republikanern für eine Mehrheit im Senat ein hinzugewonnener Sitz reicht. Es gilt zugleich als sicher, dass die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verlieren werden. Gestaltende Politik würde für das Weiße Haus noch schwieriger als ohnehin schon. Es blieben nur noch Dekrete aus dem Oval Office. Die aber können von folgenden Präsidenten wieder einkassiert werden.

Inflation frisst Löhne auf

Die Bevölkerung in den USA erlebt derzeit die höchste Inflation seit 40 Jahren, im vergangenen Jahr waren es 7,5 Prozent. Die Löhne stiegen aber im Schnitt nur um 4,5 Prozent. Das merken die Wähler. Zudem ist der Build Back Better Act, das zentrale Projekt der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik von Bidens Präsidentschaft, auf dem Weg zum Sterbebett: Der Gesetzentwurf sollte ein riesiges Wirtschaftsprogramm werden, das laut Schätzungen zu Hunderten Milliarden Dollar Privatinvestitionen und neuen Jobs führen würde. Auch deshalb wurde Biden gewählt.

Doch wegen der hauchdünnen Mehrheit der Demokraten im Senat wird das Startprojekt gegen den Klimawandel graue Theorie bleiben. Ein abtrünniger Senator hat gereicht. Doch das schlechte Licht fällt auf Biden und die gesamte regierende Partei.

Die Energiepreise in den USA sind auch von Moskau abhängig. Russland ist der drittgrößte Ölförderer der Welt und hat damit Einfluss auf den Weltmarktpreis. Zudem importieren die Vereinigten Staaten Öl aus Russland. Analysten halten weitere Preissteigerungen für möglich. Dies gilt insbesondere für einen Kriegsfall. Dann könnte ein Ölpreis-Schock folgen und der Benzinpreis sogar das historische Hoch während der Finanzkrise übertreffen, als er auf 4,11 Dollar pro Gallone gestiegen war. Derzeit liegt der Preis an den Tankstellen bei 3,53 Dollar, so hoch wie seit sieben Jahren nicht.

Die USA und die EU haben "nie dagewesene" Sanktionen vorbereitet, sollte Russland tatsächlich in die Ukraine einmarschieren, wie US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte. Details dazu sind nicht bekannt. Es wäre nur logisch, wenn sich darunter auch Maßnahmen befänden, die Russlands Zugang zum Energiemarkt einschränken, etwa Öl- und Gasausfuhren. Schließlich machen sie mehr als die Hälfte der russischen Exportwirtschaft aus. Allerdings gehen diese Exporte sowohl in die EU als auch in die USA. Im Jahr 2020 kamen fast 7 Prozent aller US-Ölimporte aus Russland - mehr als aus Saudi-Arabien. Aus Russland kommen vor allem Ölsorten, die Raffinerien zuvor aus dem inzwischen vom Weltmarkt isolierten Venezuela erhalten hatten.

Nationale Ölreserven angezapft

Für die Demokraten besteht die Herausforderung darin, dass die Wähler unabhängig von internationalen Entwicklungen mehr Geld in der Tasche haben sollen, ohne dass die Inflation angetrieben wird. Insbesondere die Senatoren, die bei der Kongresswahl um ihre Sitze bangen, setzen sich für niedrigere Verbraucherpreise ein. Vier Senatorenrennen sind derzeit völlig offen, darunter drei Amtsinhaber der Demokraten, welche die landesweite Benzinsteuer bis Anfang 2023 aussetzen wollen.

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Für 27 Prozent der US-Amerikaner ist die Inflation das größte Problem des Landes, für 61 Prozent sind es die Kosten medizinischer Versorgung und Medikamente. "Wir sind darauf konzentriert, die Kosten zu senken, und im März werden wir in diesem Thema sehr aktiv werden", sagte der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Charles Schumer. Bei einem Treffen wurden vor ein paar Tagen verschiedene Ideen diskutiert, etwa eine Aussetzung der Mehrwertsteuer und eine Senkung der Medikamentenpreise. Auch die landesweite Benzinsteuer von 18,4 US-Cent pro Gallone könnte die Regierung vorübergehend aussetzen, um den Preis zu drücken.

Im November hatte Biden angekündigt, deshalb die nationalen Ölreserven anzuzapfen, was eine vorübergehende Entspannung verursachte. Sie sind bereits um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Doch jeglicher Effekt nationaler Maßnahmen können von internationalen Geschehnissen in Windeseile zunichtegemacht werden und damit auch den Wahlkampf beeinflussen. Vor allem der Konflikt mit Russland.

Quelle: ntv.de

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