Sicherheit für Ortskräfte Bundesregierung verhandelt mit Taliban
06.08.2021, 15:57 Uhr
Das Auswärtige Amt bestätigte ein Treffen mit den Taliban, nannte aber keine Details.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Die Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan in Deutschland zieht sich in die Länge. Nun hat die Bundesregierung offenbar im Geheimen mit Taliban-Vertretern über den Schutz der Betroffenen verhandelt. Parallel wird bekannt, dass ein afghanischer Regierungssprecher gezielt ermordet wurde.
Die Bundesregierung hat laut Berichten von ZDF und "Bild"-Zeitung in der vergangenen Woche Geheimgespräche mit Vertretern der radikalislamischen Taliban geführt. Diese hätten in Katars Hauptstadt Doha stattgefunden, hieß es. Die Taliban hätten dabei versichert, sie wollten sich für den Schutz früherer Ortskräfte der Deutschen in Afghanistan einsetzen, berichtete das ZDF.
Deutsche Diplomaten hätten allerdings Zweifel am Wert dieser Zusage, hieß es weiter. Die Abordnung der Taliban wurde dem Sender zufolge von Abdul Haq Wasiq angeführt. Der frühere Guantanamo-Häftling werde von den Taliban als "Leiter der europäischen Sektion des Islamischen Emirats Afghanistan" bezeichnet. Die deutsche Delegation sei von dem Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Jasper Wieck, geleitet worden.
Das Auswärtige Amt bestätigte laut ZDF eine Zusammenkunft mit den Taliban, jedoch ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Die Taliban rücken in Afghanistan derzeit immer weiter vor. Seit dem Beginn des Abzugs der NATO-Truppen haben die Islamisten weite Teile des Landes erobert. Erstmals seit 2016 gelang es ihnen dabei, eine Provinzhauptstadt zu erobern. Sarandsch in der Provinz Nimrus im Südwesten des Landes sei an die Islamisten gefallen, bestätigte die Provinz-Vizegouverneurin Ruh Gul Chairsad. Lokalen Behördenvertretern zufolge fiel die kleine, aber wegen ihrer Lage bedeutende Stadt an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban. Bilder in sozialen Medien zeigten Taliban-Kämpfer vor dem Sitz des Provinzgouverneurs.
Taliban ermorden afghanischen Regierungssprecher
"Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung versucht, mit der islamistischen Terrorgruppe Geheimvereinbarungen über das Schicksal der Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan abzuschließen", erklärte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen zu den Regierungsgesprächen mit den Taliban. Sie drängte auf die umgehende Aufnahme gefährdeter Ortskräfte in Deutschland, statt den Taliban Garantieversprechungen über deren Sicherheit abhandeln zu wollen. Zudem müsse sich die Regierung auch zu möglichen Gegenleistungen an die Taliban äußern.
Dagdelen nannte es "völlig unverständlich, dass die Taliban von der Bundesregierung offenbar als Verhandlungspartner über die Sicherheit der Ortskräfte angesehen werden, während die islamistische Terrorgruppe bei ihrem Vormarsch zahlreiche Gräueltaten gegen Andersdenkende, säkulare Afghanen oder die Angehörigen von Minderheiten begeht."
Tatsächlich teilten die radikalislamischen Taliban mit, dass sie den Leiter des Medieninformationszentrums der afghanischen Regierung in einer Moschee in Kabul erschossen hätten. Die "Terroristen" hätten mit der "feigen Tat einen patriotischen Afghanen zum Märtyrer gemacht", sagte der Sprecher des Innenministeriums, Mirwais Staniksai, über den Anschlag auf Daua Khan Menapal. Die Taliban übernahmen die Verantwortung für das Attentat auf den hohen Regierungsmitarbeiter. Die Tötung Menapals ist die jüngste in einer Reihe anderer, die darauf abzielen, Aschraf Ghanis demokratisch gewählte, vom Westen unterstützte Regierung zu schwächen. Zu den Opfern zählen Aktivisten, Journalisten, Beamte, Richter und bekannte Personen, die sich für einen liberalen islamischen Staat einsetzten.
Die letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten waren Ende Juni nach Deutschland zurückgekehrt. Der Einsatz hatte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA begonnen.
Quelle: ntv.de, als/AFP/rts