"Das ist alles nur noch krank" CDU-Abgeordnete fürchten, dass sich Fraktion "zerlegt"
28.09.2021, 15:03 Uhr
CDU-Chef Laschet möchte auch, dass Ralph Brinkhaus Fraktoinschef wird - allerdings nur für drei Monate.
(Foto: imago images/Political-Moments)
Wer soll in der Fraktion den Chefposten bekommen? Das soll eigentlich heute entschieden werden, sorgt aber im Vorfeld für so viel Radau, dass Abgeordnete die Reißleine ziehen wollen.
In der Machtpartei CDU wächst die Gefahr, dass bald kaum noch machtvolle Posten zur Verfügung stehen. Sowie die Union in der Opposition landen würde, wenn SPD, Grüne und FDP sich tatsächlich auf das Koalitionsmodell "Ampel" einigen, sind sämtliche Berliner Ministerposten weg und Einfluss auf die Politik hat dann vor allem noch die Fraktion im Bundestag. Kein Wunder, dass auf den dortigen Chefposten eine ganze Reihe CDUler aus der ersten Reihe schielen sollen.
Aber: Es kann nur einen geben, und der soll eigentlich heute gewählt werden. Am Nachmittag trifft sich die neue Unionsfraktion zur konstituierenden Sitzung. Stark geschrumpft, von 246 auf 196 Abgeordnete, weshalb die Stimmung wohl ohnehin mäßig sein wird. Und nun drohen auch noch Querelen und womöglich eine Kampfabstimmung rund um den Posten, der durch den Misserfolg der Union so ungemein attraktiv geworden ist. Kommentar eines Abgeordneten: "Das ist alles nur noch krank".
Interessenten für den Chefposten in der Fraktion gäbe es wohl genug: Gesundheitsminister Jens Spahn, der fürchten muss, vom freitäglichen Pandemie-Erklärer plötzlich zum normalen Abgeordneten zu werden. Norbert Röttgen, dessen Kampf um den Parteivorsitz Anfang des Jahres an Armin Laschet scheiterte. Ralph Brinkhaus, der das Amt bisher innehatte und behalten will, auch wenn er bei Teilen der Fraktion als nicht sonderlich beliebt gilt. Und schließlich Kanzlerkandidat und Parteichef Laschet. Wenn es mit dem Kanzleramt nicht klappt, kann er sich auf diese Art noch die größtmögliche Macht in der Opposition sichern.
Allerdings hätte Laschet, der für die Verzwergung der Unionsfraktion mindestens mitverantwortlich gemacht wird, in einer Abstimmung just am heutigen Tag womöglich nicht die besten Chancen. Kalkül deshalb: Lieber jetzt Brinkhaus wiederwählen lassen, der dann auch Sondierungsgespräche mitführen könnte - allerdings mit einer vorläufigen Amtszeit von nur drei Monaten, also für die Phase der Koalitionsverhandlungen.
Kontinuität ja, aber nicht zu lange
Begründen kann man das auch: Seine, Laschets, Meinung sei, "dass es richtig ist in dieser Phase der Ungewissheit, wer denn in Zukunft regiert und wer Opposition ist", Kontinuität in der Fraktion zu haben. Soweit die Aussage des CDU-Chefs gestern bei seinem Auftritt nach Sitzungen von Parteivorstand und Präsidium. Diese Kontinuität werde "durch Ralph Brinkhaus verkörpert".
Allzu kontinuierlich soll es nach Laschets Geschmack aber eben nicht werden. Darum die Beschränkung auf drei Monate, damit das Amt danach neu besetzt werden könnte - mit ihm selbst womöglich? Aber auch Spahn, Röttgen oder wer auch immer dann noch auf Jobsuche ist, könnte sich Ende des Jahres zur Wahl stellen.
Kein Wunder, dass nach Brinkhaus von dieser Idee nicht begeistert ist. Im Vier-Augen-Gespräch mit Laschet soll er erklärt haben, sich heute regulär für ein Jahr zur Wahl zu stellen. Sein Argument, so wird aus CDU-Kreisen berichtet: Alexander Dobrindt sei als CSU-Landesgruppenchef auch für ein Jahr im Amt. Er brauche eine Position auf Augenhöhe und nicht auf ein Vierteljahr gestaucht.
Intern befürchten nun einige CDU-Abgeordnete, dass es in der Fraktionssitzung heute zum Clash kommt. Die Idee, um das zu verhindern, ist ein Klassiker aus dem Taktik-Buch der Politik: ein Antrag zur Geschäftsordnung. Vor der Wahl zum Fraktionsvorsitz könnte erstmal darüber abgestimmt werden, für wie lange der neue Chef überhaupt gewählt werden soll. Dann wäre zumindest vorher klar, worum es geht.
In Fraktionskreisen gilt es als sicher, dass Röttgen sofort den Finger heben würde, sollte der Chefposten für ein Jahr vergeben werden. Spahn müsste dann schnell entscheiden, ob er auch kandidiert. Ansonsten wäre diese Machtoption erstmal bis Herbst 2022 besetzt. Was darüber hinaus befürchtet wird: Die Fraktion könnte sich, noch bevor sie ihren neuen Chef bestimmt hat, komplett zerlegen, so sorgenvolle Stimmen. Für die konstituierende Sitzung wäre das ein dramatischer Einstand. Aus sicherer Distanz betrachtet offenbar CSU-Chef Markus Söder die Rangeleien. Aus Parteikreisen heißt es, er habe heute auf der Sitzung der Landesgruppe erklärt, er wissen auch nicht, "was da passiert - alles sei möglich".
Quelle: ntv.de