Politik

Kritik an Beschluss der Ampel CDU sieht in Kindergrundsicherung "Mogelpackung"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
"Die verhandelte Lösung zur Kindergrundsicherung ist ein enttäuschender Kompromiss", sagte DIW-Präsident Fratzscher.

"Die verhandelte Lösung zur Kindergrundsicherung ist ein enttäuschender Kompromiss", sagte DIW-Präsident Fratzscher.

(Foto: picture alliance/dpa)

Vizekanzler Habeck bezeichnet die Einigung zur Kindergrundsicherung als "bedeutsamen Schritt". Doch weder Wirtschaftsinstitute noch Sozialverbände zeigen sich zufrieden. Insbesondere die Union tadelt den vorangegangenen Streit der Koalitionspartner als "Zeugnis der Zerrüttung".

Die Union hat die in der Nacht erreichte Einigung der Koalition zur Kindergrundsicherung scharf kritisiert. "Aus dem größten sozialpolitischen Projekt, so wie es Frau Paus genannt hat, ist aus meiner Sicht die größte sozial- und familienpolitische Mogelpackung geworden", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher bei einer Pressekonferenz in Berlin. Es gebe "nur Fragen, aber keine Antworten". Breher kritisierte unter anderem, mit dem Entwurf würden Doppelstrukturen geschaffen, und die Antragsverfahren würden komplizierter. Auch solle Bundesfamilienministerin Lisa Paus "erst einmal ihre Zahlen validieren". Für die Union sei das Vorhaben in der vorgelegten Form nicht zustimmungsfähig. Sie halte dem den eigenen Vorschlag eines "Kinderzukunftspakets" entgegen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte den Kompromiss der Ampel-Regierung zur Einführung der geplanten Kindergrundsicherung als "Zeugnis der Zerrüttung der Ampel". "Der Streit dominiert die Ampel-Politik, Inhalte verkommen zur Nebensache", erklärte Dobrindt in Berlin. Während Familienministerin Lisa Paus die Kindergrundsicherung als eine der größten sozialpolitischen Reformen der vergangenen Jahre bejubele, betone Finanzminister Christian Lindner, dass es sich nur um die Zusammenlegung bestehender Leistungen handle und es keine generelle Erhöhung der Leistungen gebe. "Das ist das Gegenteil von Einigkeit und Gemeinsamkeit."

In der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Grüne und FDP hatten monatelang hart über die Finanzierung gestritten und sich in der Nacht schließlich geeinigt.

"Wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein"

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Einigung der Bundesregierung zur Kindergrundsicherung als "verpasste Chance" an. "Die verhandelte Lösung zur Kindergrundsicherung ist ein enttäuschender Kompromiss", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die zusätzlichen 2,4 Milliarden Euro seien "wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, der kaum substanzielle Linderung der Kinderarmut in Deutschland bringt". Der Kompromiss sei "eine verpasste Chance, sowohl die Kinderarmut in Deutschland erheblich zu reduzieren als auch enorme Folgekosten für Staat und Wirtschaft zu verhindern", meinte der Ökonom. "Dass die Bundesregierung lieber 6,5 Milliarden Euro an Steuererleichterungen für Unternehmen gewähren möchte, aber nur 2,4 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Kinderarmut ausgibt, zeigt deutlich, wo die Prioritäten der Bundesregierung liegen."

Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck ist die Kindergrundsicherung hingegen ein "großer, bedeutsamer Schritt". "Sie vollzieht einen Systemwechsel und wird vielen Kindern aus der Armutsfalle helfen. Das ist auch ökonomisch geboten", sagte Habeck nach Beendigung des monatelangen Streits der Ampel-Parteien über das Vorhaben.

Das System werde nun einfacher, schneller und besser zugänglich, alle wichtigen Leistungen für Kinder würden gebündelt und es werde außerdem Leistungsverbesserungen geben. "Gerade, weil das bisherige System so unübersichtlich und komplex war, waren die Verhandlungen in der Sache kompliziert", so Habeck. Er lobte Bundesfamilienministerin Lisa Paus dafür, bei dem Vorhaben "sehr gut" verhandelt zu haben. "Es ist eine große Leistung, dass die Regierung diese wichtige sozialpolitische Reform gemeinsam jetzt auf den Weg bringt", so Habeck.

Zahlen für Neuberechnung "fadenscheinig"

Der Sozialverband VdK hat die Einigung der Koalition zur Kindergrundsicherung kritisiert. "Ein Mini-Reförmchen wurde heute als der große Wurf präsentiert, aber das Gesamtvolumen und die dahinter stehenden Details sind mehr als enttäuschend", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Es ist offensichtlich, dass die Ampelkoalition die Kindergrundsicherung klein gerechnet hat."

Die Zahlen, die die Koalition als Neuberechnung des sozioökonomischen Existenzminimums verkaufe, seien "fadenscheinig". Es gebe kleinere Verbesserungen für Alleinerziehende, aber eine grundlegende Verbesserung werde es nicht geben. Die versprochene automatische Auszahlung für den Kindergarantiebetrag sei nichts anderes als das bisherige Verfahren für das Kindergeld. "Alles, was darüber hinaus Familien zustehen kann, muss weiterhin beantragt werden", sagte Bentele. "Auf mehr konnte oder wollte sich die Koalition nicht einigen."

Quelle: ntv.de, lve/DJ/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen