
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts reißt ein 60-Milliarden-Euro-Loch in die Haushaltspläne der Ampel. Das Bundesfinanzministerium reagiert - und verhängt eine Haushaltssperre für alle Ressorts. Was es damit auf sich hat, beantwortet ntv.de in einem Überblick.
Warum die Haushaltssperre?
Auslöser ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte vergangene Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Ursprünglich diente das Geld dazu, die Folgen der Corona-Pandemie zu dämpfen, sollte dann aber in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden. Nun fehlt es im Klima- und Transformationsfonds. Bestimmte Vorhaben, die aus dem Fonds finanziert werden sollten, hatte die Bundesregierung in dieser Folge bereits auf Eis gelegt - vorübergehend.
Welche Ausgaben sind betroffen?
Die Haushaltssperre bezieht sich auf Festlegungen im laufenden Haushalt, die Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren zur Folge haben. Konkret stoppt das Bundesfinanzministerium Verpflichtungsermächtigungen, also die Möglichkeit, für die kommenden Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen. Das soll unter anderem eine Belastung für den nicht geklärten Haushalt 2024 ausschließen. Dem "Spiegel" zufolge ordnete der verantwortliche Staatssekretär Werner Gatzer in einem Rundschreiben an, alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung" zu sperren. Die Einzelpläne betreffen die Einzeletats der Ministerien. Der Einzelplan 60 meint etwa den Klima- und Transformationsfonds.
Was bedeutet das für die Ministerien?
Einschränkungen. Ministerien können sich für Zahlungen aus den betroffenen Etats vorerst nur noch in "besonderen Einzelfällen" bedienen. Künftig wird laut Gatzers Schreiben ein Antrag an das Bundesfinanzministerium fällig, bei dem Ministerien Ausgabenpläne begründen müssen. An diese werde, heißt es weiter, ein besonders strenger Maßstab an den Nachweis eines Bedarfs angelegt werde. Doch nicht alle sind von der Sperre betroffen. Ausgenommen sind Verfassungsorgane wie Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht und Bundespräsident.
Wie geht es weiter?
Erstmal soll ein Expertenkreis dem Bundestag und der Bundesregierung bei der Interpretation des Haushaltsurteils helfen und eine Einschätzung zur aktuellen Situation abgeben. Dazu hört der Haushaltsausschuss heute Sachverständige an, die die unterschiedlichen Fraktionen zuvor benannt haben. Derzeit steht die Bundesregierung vor allem bei der Planung des Haushalts für 2024 unter Druck. So ist offen, ob Vorhaben aus dem Klimafonds in diesen verschoben werden müssen. Entsprechend ist fraglich, ob der Etat wie geplant am kommenden Donnerstag beschlossen werden kann. Vor allem, weil unklar ist, was mit den anderen Sondervermögen, aber auch Vorhaben, zum Beispiel Energiepreisbremsen, passiert. Auch verschiedene Experten sind sich bezüglich der Haushaltssituation fürs kommende Jahr nicht einig.
Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum sieht den Kernhaushalt des kommenden Jahres von dem Karlsruher Urteil zum Beispiel nicht direkt betroffen. Solange ein Ausgabenstopp im Klima- und Transformationsfonds verhängt würde, könne der Etat 2024 verabschiedet werden. Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg rät von einem vorschnellen Beschluss des Haushalts 2024 ab. Der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg sieht in der Haushaltsplanung eine Lücke von mindestens 52 Milliarden Euro. "Um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, muss die Bundesregierung den geplanten Einsatz aller Sondervermögen ohne eigene Kreditermächtigung auch jenseits des Sondervermögens 'Klima- und Transformationsfonds' überprüfen", heißt es in seiner Stellungnahme.
Welche Pläne haben die Ampel-Politiker, um das Loch im Klima- und Transformationsfonds zu stopfen?
Keine einheitlichen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht eine Haushaltsnotlage und plädiert deshalb, die Schuldenbremse auszusetzen. In der ARD sagte er, dass die SPD das sofort umsetzen würde, wenn sie denn alleine regieren würde. "Einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen im Haushalt, Sozialabbau zu machen, die Transformation unserer Gesellschaft wieder zurückzunehmen, Unternehmen nicht mehr im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und damit Arbeitsplätze in Deutschland zu verlieren, das ist etwas, dafür ist die SPD nicht gewählt worden 2021." Damit reagiert er auch auf den FDP-Fraktionschef Christian Dürr, der sich in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe für Sozialkürzungen aussprach. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte die FDP-Forderung ein Zeichen von Ratlosigkeit. "Wo will man 60 Milliarden Euro Sozialleistungen kürzen? Das geht an der Dramatik der Situation dramatisch vorbei", sagte er gegenüber der AFP.
Quelle: ntv.de, mit AFP