Politik

Rückkehr aus Risikogebieten Delta landet an Terminal 1

Seit Dienstag müssen Reisende aus Portugal und Russland für zwei Wochen in Quarantäne.

Seit Dienstag müssen Reisende aus Portugal und Russland für zwei Wochen in Quarantäne.

(Foto: picture alliance/dpa)

Portugal und Russland gelten seit Dienstag als Virusvariantengebiete. Am Berliner Flughafen landen aus beiden Ländern weiterhin Flüge. Für viele war es zu spät, um ihre Reise umzubuchen - und um eine Quarantäne einzuplanen.

In der obersten Etage des noch immer neuen Flughafens Berlin-Brandenburg wartet eine junge Familie am EasyJet-Schalter. Sie sind die letzten in der Schlange. Obwohl der Flug nach Faro erst in zwei Stunden geht, strömen die meisten Passagiere bereits in Richtung Sicherheitskontrolle. Der Stress liegt fast greifbar in der Luft. Die Eltern schieben zwei Gepäckwagen, einer davon ist nur für die drei Surfbretter, die mit in den Urlaub kommen. Aufgeregt und mit Masken ausgestattet folgen die Zwillinge, 10 Jahre alt. Trotz des Flugtickets nach Portugal ist hier nichts von einem entspannten Urlaubsbeginn zu sehen. Oder vielleicht gerade deshalb.

Als die Bundesregierung vor vier Tagen Portugal als Virusvariantengebiet einstufte, hatte die vierköpfige Familie bereits alles gebucht - fünf Tage Ferienhaus in Sau Rafael an der portugiesischen Südküste, drei Wochen Mietwagen und Flüge für die ganze Familie. Das Ganze kostet sie rund 5000 Euro, eine Stornierung wäre nicht mehr möglich gewesen. "Es war eine schwierige Entscheidung, trotzdem zu fahren", sagt der Familienvater vor dem Abflug. "Wir wissen immer noch nicht, ob es die richtige war."

In Portugal muss die Familie nicht in Quarantäne gehen. Für die Mutter reicht ein PCR-Test und der Vater, der bereits zweimal geimpft wurde, muss nur seinen Impfpass nachweisen. Bei der Rückreise sieht es anders aus: zwei Wochen Quarantäne, freitesten dürfen sie sich auch nicht mehr, weil sie dann aus einem Virusvariantengebiet kommen. Die hochansteckende Delta-Variante breitet sich in Portugal rasant aus - mehr als 50 Prozent der Neuinfektionen sind schon auf die neue Variante zurückzuführen. In Teilen des Landes liegt der Anteil noch höher. So wurde die Hauptstadt Lissabon ein Wochenende lang vom Rest des Landes abgeriegelt, weil mehr als 70 Prozent der Neuinfektionen auf die Delta-Variante zurückzuführen sind.

Eigentlich wollten die Zwillinge nach ihrem Urlaub in Portugal ins Surfcamp. Das muss die Familie nun absagen. Für die Eltern ist das beruflich kein Problem - die Homeoffice-Routine ist längst eingeübt. Ärgerlich ist es trotzdem.

Ein Sommerurlaub in Quarantäne

Auf der anderen Seite des Flughafens wartet eine andere Familie darauf, für einen Flug nach Moskau einzuchecken. Eine Frau, ursprünglich aus Russland, fliegt mit ihrem Mann und den zwei Kindern zu ihrer Familie - seit anderthalb Jahren konnten sie das wegen der Reisebeschränkungen nicht mehr tun. Die Kinder, 4 und 7 Jahre alt, freuen sich darauf, Oma und Opa und die anderen Verwandten zu sehen. Doch die Rückreise könnte für den Familienvater schwierig werden - er ist selbstständig und hat eine Baureinigungsfirma. Für ihn ist Homeoffice keine Option. "Zwei Wochen Quarantäne werde ich fast unmöglich einhalten können", sagt er.

Für solche Fälle gibt es nicht wirklich Kontrollmaßnahmen. Bei der Passkontrolle prüft zwar die Bundespolizei, ob ein aktueller Corona-Test und das ausgefüllte Einreiseformular vorhanden sind. Jeder Zweite wird eventuell zur Einhaltung der Quarantäne ermahnt. Aber alles, was darüber hinausgeht, liegt in der Verantwortung der Gesundheitsämter. Die hatten aber lange Zeit nicht einmal genug Kapazitäten, um eine Kontaktverfolgung innerhalb Deutschlands durchzuführen, geschweige denn die Quarantäne zu kontrollieren.

Nun sind die Zahlen so niedrig wie schon lange nicht mehr - trotzdem planen nicht alle Kommunen, die Einhaltung der Quarantäne systematisch zu überprüfen. Je nach epidemiologischer Lage sind die Gesundheitsämter in Deutschland unterschiedlich ausgestattet. Nach Informationen von ntv.de plant zum Beispiel das Gesundheitsamt in Berlin-Mitte nur stichprobenartige Kontrollen, um zu überprüfen, ob sich Reisende, die aus Variantengebieten zurückkehren, an die Quarantäne halten. Das Amt kann mittlerweile alle Kontaktpersonen von positiv getesteten Personen zum Test einladen. Die erhöhte Kapazität sollte theoretisch also auch die Überprüfung der Quarantänevorschriften ermöglichen - solange es nicht zu viele Reisende sind.

Trotz Impfung noch eingeschränkt

Eine Etage unter der hellen Abflughalle, wo Reisende mit Sonnenhüten und guter Laune in den Urlaub fliegen, befindet sich die unscheinbare Ankunftshalle im Terminal 1. Meistens ist der Wartebereich in Flughäfen überfüllt - mit Enkeln, die sich auf Oma und Opa freuen, oder mit Freunden, die auf ein lang ersehntes Wiedersehen warten. Doch der hier in Brandenburg ist heute fast leer. Einzelne Reisende werden von Angehörigen empfangen, aber die meisten kommen raus und gehen zielstrebig zum Ausgang. Um 13.20 Uhr landet ein Flug aus Moskau mit einer 28-jährigen Frau an Bord. Sie war für zehn Tage zu Hause in der russischen Hauptstadt, um ihre Mutter zu besuchen. Auch sie hatte ihre Familie seit Beginn der Pandemie nicht mehr gesehen und sich deshalb schnell impfen lassen. Zweifach geimpft stieg sie Mitte Juni ins Flugzeug.

Schon bevor sie abgeflogen ist, sahen die Zahlen in Russland nicht gerade gut aus. Dort steigen die Corona-Neuinfektionen seit Anfang Juni rasant an. Innerhalb von drei Wochen ist die Inzidenz von 40 auf 93 gestiegen - 90 Prozent der Infektionen sind auf die Delta-Variante zurückzuführen. Als am Freitag Russland als Virusvariantengebiet eingestuft wurde, suchte die Studentin deshalb schnell nach neuen Flügen. Doch 700 Euro für einen Flug am Montag - kurz bevor die Regelungen am Dienstag um Mitternacht in Kraft traten - konnte sie sich nicht leisten.

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Seit vier Jahren ist Berlin ihre Heimat, sie studiert Sozialarbeit in Potsdam und macht derzeit ein Praktikum. Trotzdem hatte sie Angst, dass sie nicht wieder ins Land gelassen wird. Mit der Einstufung als Virusvariantengebiet dürfen nur noch Reisende mit einer deutschen Staatsbürgerschaft, einem Aufenthaltstitel oder Hauptwohnsitz in die Bundesrepublik einreisen. Als sie im Flieger saß, war sie erleichtert. Nun steigt sie in den Bus nach Steglitz, um sich dort in Quarantäne zu begeben. Der ganze Stress habe sich aber trotzdem gelohnt: "Es war so schön, meine Mutter nach so langer Zeit zu sehen", sagt sie.

Für die Surfer-Familie könnte sich das Blatt noch wenden. Die Einstufung ist erst einmal nur für zwei Wochen geplant. Die Rostocker hoffen also, dass bis zu ihrer Rückkehr die Regelung wieder aufgehoben wird. Wahrscheinlich ist das aber nicht: Die Delta-Variante bereitet sich auch in Deutschland rasant aus. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass 50 Prozent der Neuinfektionen auf die Variante zurückzuführen sind. Deutschland ist womöglich selbst schon ein Virusvariantengebiet.

Quelle: ntv.de

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