
Der Strand von Arenal. Bislang sind in Spanien nur einzelne Regionen wie Andalusien und das Baskenland Risikogebiete.
(Foto: dpa)
Es sieht so aus, als wiederhole Deutschland seine Fehler aus dem vergangenen Sommer: Erneut werden Urlauber, die aus Risikogebieten zurückkehren, nicht wirklich kontrolliert. Das liegt auch daran, dass solche Kontrollen entlang der gesamten Landgrenze der Bundesrepublik kaum möglich wären.
Wer gerade einen Urlaub in Schweden plant, dürfte sich wundern. Ausgerechnet die in der Corona-Pandemie angeblich so sorglosen Schweden verlangen von Touristen aus Deutschland, die per Fähre ins Land kommen, eine Bescheinigung über einen negativen Corona-Test.
Bei der Rückreise in die angeblich so gut organisierte Heimat müssen dieselben Urlauber dann jedoch keinen Test vorweisen. Dabei galt Schweden bis vor kurzem als Risikogebiet, mittlerweile betrifft das nur noch drei Provinzen: Kronoberg, Norrbotten und Värmland. Doch auch Bundesbürger, die aus diesen Regionen zurück nach Deutschland reisen, müssen - sofern sie nicht fliegen - an der Grenze keinerlei Test-Bescheinigung vorzeigen. Stattdessen sind sie aufgerufen, sich unter Einreiseanmeldung.de zu registrieren. Die dort eingegebenen Daten werden an das jeweils zuständige Gesundheitsamt übermittelt.
Und dann? Eine Anfrage (pdf) der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke ergab im Dezember, dass von etwa 71.000 stichprobenartigen Kontrollen im Flugverkehr 10.000 Angaben dieser Einreiseanmeldung "Mängel" aufwiesen. Ebenfalls im Dezember kontrollierte die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern am Wochenende vor Weihnachten gut 1800 Fahrzeuge und stellte rund 130 Einreisende ohne Anmeldung fest.
Eines scheint heute genauso zu sein wie im Dezember: Die Kontrollen sind lückenhaft. Und dabei wird es auch bleiben, zumindest vorerst. Das jedenfalls ist nach Informationen von ntv das Ergebnis eines heute geführten Gesprächs zwischen Kanzleramtschef Helge Braun und den Chefs der Staatskanzleien der Bundesländer. Zwar soll die Bundespolizei stärker kontrollieren, ob sich alle an die Reiseregeln halten. Das war es dann aber auch schon.
"Keine Lehren aus Fehlern gezogen"
Strengere Regeln fordert die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenberg-Dugnus, nicht. Aber sie wirft der Bundesregierung vor, aus Fehlern keine Lehren gezogen zu haben. "Die derzeit niedrigen Infektionszahlen und der voranschreitende Impffortschritt dürfen nicht zunichtegemacht werden", sagt sie ntv.de. Bereits im vergangenen Jahr habe Deutschland eine von Reiserückkehrern ausgelöste Infektionswelle erlebt. Aschenberg-Dugnus fordert, vor allem müsse sichergestellt werden, "dass Test- und Einreisebestimmungen auch wirklich eingehalten werden".
Die geltenden Regelungen sind ein bisschen kompliziert. Wer aus einem einfachen Risikogebiet nach Deutschland zurückkehrt, muss für zehn Tage in häusliche Quarantäne, von der man sich "freitesten" kann. Diese Quarantäne entfällt für Reisende, die eine vollständige Corona-Impfung beziehungsweise Genesung nachweisen können. Wer aus einem Hochinzidenzgebiet kommt, kann sich erst nach fünf Tagen testen lassen; Urlauber aus Virusvariantengebieten wie Großbritannien oder Portugal müssen für 14 Tage in Quarantäne und können diese auch nicht vorzeitig beenden. Hier hilft auch ein Impfnachweis oder ein Genesenennachweis nichts.
In der Praxis bedeutet das: Urlauber können am Strand davon überrascht werden, dass ihr Reiseland Virusvariantengebiet geworden ist - Portugal-Urlaubern ist es so ergangen. Aschenberg-Dugnus fordert daher, Reisende müssten sich schon vor ihrem Urlaub darauf einstellen können, was sie bei ihrer Rückkehr zu erwarten beziehungsweise vorzulegen hätten. "Hier fehlt eine Koordination seitens der Bundesregierung. Wieder einmal wurde sich nicht rechtzeitig Gedanken gemacht. Wir benötigen ein Reiserückkehrmanagement. Ein solches Konzept zu entwickeln, ist Aufgabe der Regierung."
Höchste Sicherheitsvorschriften?
Doch die an der Bundesregierung beteiligten Parteien sind uneins, wie ein solches Management aussehen soll. Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß von der CDU etwa warnte davor, Urlauber zu verunsichern. "Es gelten bereits höchste Sicherheitsvorschriften für solche Gebiete, aus denen aufgrund der Delta-Variante eine Gefahr ausgeht", sagte Bareiß - zugleich Tourismusbeauftragter der Bundesregierung - der Deutschen Presse-Agentur.
Höchste Sicherheitsvorschriften? Mehrere Ministerpräsidenten sehen das anders. Nachdem Hamburgs Bürgermeister, der SPD-Politiker und Mediziner Peter Tschentscher, der "Welt" gesagt hatte, die Corona-Einreiseverordnung sei "an mehreren Stellen zu lax", forderte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Montag klare Vorgaben vom Bund. "Es war letztes Jahr schon das Problem, dass dies sehr spät gemacht wurde, als der Urlaub in den meisten Bundesländern vorbei war", so der CSU-Chef. "Es würde schon mal sehr helfen, wenn die gesamten Kontrollpflichten, die es gibt, auch eingehalten werden und dies dann auch überprüft wird."
SPD-Vize Kevin Kühnert geht noch weiter, er forderte im "Frühstart" von ntv ein "engmaschiges Kontrollsystem", um "dafür zu sorgen, dass hier die Virusvarianten nicht noch schneller nach Deutschland eingeschleppt werden, als das nach Adam Riese sowieso in den nächsten Monaten passieren wird". Ebenso plädierte der Virologe Timo Ulrichs für strenge Kontrollen bei den Rückreisen und für strikte Quarantäne. "Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen wie letzten Sommer", sagte er.
"An einzelnen Grenzabschnitten sind Kontrollen möglich"
Der Haken ist nur: Vor allem bei Reiserückkehrern, die mit dem Auto in den Urlaub gefahren sind, lässt sich derzeit schlichtweg nicht überprüfen, wo sie waren, ob sie nach ihrer Rückkehr einen Test machen und sich gegebenenfalls in Quarantäne begeben. Denn derzeit gibt die Rechtslage solche Kontrollen nicht her. Ob es möglich wäre, wenn es den politischen Willen gäbe, ist eine Frage, die Praktiker unterschiedlich beantworten. Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, hatte bereits im Oktober verstärkte Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen gefordert. Dies sei auch flächendeckend möglich, glaubt Teggatz: "Temporär würden wir das definitiv hinbekommen, dauerhaft derzeit noch nicht", sagt er.
Andreas Roßkopf, Vorsitzender in der Gewerkschaft der Polizei für die Bundespolizei, sieht die Möglichkeiten flächendeckender Grenzkontrollen nicht so optimistisch. Zwar gab es 2020 entsprechende Amtshilfe für die Gesundheitsbehörden an den Grenzen zu Tschechien und Polen, weil dies damals Hochinzidenzgebiete waren. Aber bereits damals sei die Bundespolizei "hart an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit" gewesen - und das, obwohl nur an den Hauptstraßen kontrolliert worden sei.
"An einzelnen Grenzabschnitten oder Grenzübergängen sind solche Kontrollen möglich", sagt Roßkopf. "Aber entlang der gesamten Landgrenze der Bundesrepublik alle Urlaubsrückkehrer zu kontrollieren, ob sie ein negatives Testergebnis dabei haben? Das ist ein gut gemeinter Wunsch, aber nicht umsetzbar. Das schaffen wir personell nicht, und dafür haben wir auch gar nicht mehr die nötige Infrastruktur." Der Grund: Deutschland ist komplett von Staaten des Schengen-Raums umgeben, Grenzkontrollen finden bei Reisen zwischen Staaten, die zu diesem Abkommen gehören, nicht statt. Dieser Realität entspricht auch die Ausstattung der Bundespolizei.
Wenn Roßkopf recht hat mit seiner Einschätzung, dann ist es kein Wunder, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel Grenzkontrollen ablehnen. Merkel sagte mit Blick auf die Grenzschließungen von 2020, sie sei der Meinung, "dass sich so etwas nicht wiederholen sollte". Und ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, Seehofer sei "mit den Ländern darüber im Gespräch", sehe "momentan aber keine Veranlassung für stationäre Grenzkontrollen".
Quelle: ntv.de