Politik

"Grexit ist in aller Munde" Der Gipfel der Neinsager

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Bislang ließ Angela Merkel nur verlauten, es gebe nicht die Voraussetzungen, um über ein neues Programm für Griechenland zu sprechen.

(Foto: dpa)

Nach dem "Όχι" aus Griechenland schalten nun auch die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf stur. Allerdings hat Griechenlands Ministerpräsident Tsipras noch zwei Trümpfe in der Hinterhand.

"Das Ochi wird uns stärken, wir werden eine bessere Verhandlungsposition haben." So hatte es der griechische Ministerpräsident seinen Bürgern versprochen. Doch wenn Alexis Tsipras heute Abend zum Euro-Krisengipfel in Brüssel aufläuft, dann wird er etwas ganz anderes feststellen: Das griechische "Όχι" hat Schule gemacht, plötzlich sind (fast) alle Euro-Chefs zu Neinsagern geworden. Und seine Position ist prekärer denn je.

Es fängt schon mit Jean-Claude Juncker an, dem EU-Kommissionschef. Tsipras' ziemlich bester Freund fühlt sich durch das griechische Referendum "verraten"; er lehnt eine neue Vermittlungsmission ab. Brüssel könne nur noch auf Basis eines neuen Mandats der Eurogruppe mit Athen verhandeln, ließ Juncker durch seinen Vize Valdis Dombrovskis mitteilen. Griechenland soll zwar im Euro bleiben - doch wie das gehen soll, ließ Juncker offen.

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Alexis Tsipras und sein neuer Finanzminister Euklid Tsakalotos.

(Foto: REUTERS)

Ein knallhartes Ochi kommt auch aus der Eurogruppe. Deren Chef, der Niederländer Jeroen Dijsselbloem, würdigte das Referendum mit keinem Wort. "Sehr bedauerlich für die Zukunft Griechenlands" sei das Ergebnis, teilte er auf seiner offiziellen Website mit. "Für die Erholung der griechischen Wirtschaft sind schwierige Maßnahmen und Reformen unvermeidlich", fügte er hinzu. Einem Ende der Austeritätspolitik erteilt er damit eine klare Absage.

Nicht ganz so unfreundlich, aber in der Sache ebenso hart: die Kanzlerin. Derzeit gebe es "nicht die Voraussetzungen, um in Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm einzutreten", ließ Angela Merkel ihren Regierungssprecher mitteilen. Frankreichs Staatschef François Hollande versuchte zwar noch, sie umzustimmen. Nach einem Treffen im Pariser Elysée-Palast am Montagabend gab sich Merkel jedoch zugeknöpft. Griechenland müsse noch diese Woche glaubwürdige Vorschläge machen, die Zeit laufe ab.

Tsipras' letzte Chance

Die Zeit läuft ab, der Ball liegt im griechischen Feld: Es sind genau dieselben Worte, die die EU-Chefs schon bei ihrem letzten EU-Gipfel gewählt hatten. Wenn Tsipras gehofft hatte, die Ultimaten und Drohungen hinter sich zu lassen, so hat er sich gewaltig getäuscht. "Das Wort Grexit ist in aller Munde, auch wenn es niemand laut aussprechen will", warnen EU-Diplomaten. Vor allem die Osteuropäer sowie Finnen und Niederländer spielen mit dem Gedanken, Griechenland aus dem Euro zu werfen.

Gleichzeitig zieht sich die Schlinge um Tsipras' Hals immer enger. Die Europäische Zentralbank hält die griechischen Banken nur noch unter künstlicher Beatmung; am Montag hat sie zudem die Anforderungen an die Kreditvergabe verschärft. EZB-Präsident Mario Draghi steht unter massivem Druck der Bundesbank, die so genannten Ela-Hilfen ganz einzustellen. Am Mittwoch will die Notenbank erneut beraten. Sollte sie den Geldhahn zudrehen, so wäre das das Aus für den Euro in Griechenland.

Allerdings lehnt Draghi es bisher ab, allein die Verantwortung für den Grexit zu übernehmen. Schließlich würde er damit sein eigenes Versprechen aus der ersten Eurokrise brechen, alles zu tun, um die Währungsunion zu retten. Draghi fordert eine klare politische Entscheidung für oder gegen einen Verbleib Griechenlands im Euro. Doch um diese Entscheidung drücken sich bisher alle EU- und Euro-Chefs. Niemand will den Schwarzen Peter haben.

Dies gilt auch für Kanzlerin Merkel. Sie dürfte auf dem Krisengipfel versuchen, Tsipras in die Enge zu treiben und ihm allein die Verantwortung zuzuschieben. Allerdings wird ihr dies schwerer fallen als bisher. Denn Tsipras kann zwei Trümpfe ziehen, die Merkel gar nicht gefallen werden. Der erste Trumpf heißt IWF. Der Internationale Währungsfonds kommt in einer Studie, die die EU am liebsten unter Verschluss gehalten hätte, zu dem Schluss, dass Griechenland einen Schuldenschnitt sowie ein Moratorium auf den Schuldendienst von 20 Jahren braucht.

Das wollen Tsipras und sein neuer Finanzminister Euklid Tsakalotos ihren Euro-Partnern nun unter die Nase reiben. Zudem können sie sich auf den Chef des Eurorettungsfonds ESM, den Deutschen Klaus Regling, berufen. Der hat in einem Interview mit der griechischen Zeitung "Kathimerini" darauf hingewiesen, dass Griechenland in den letzten Jahren durchaus seine Hausaufgaben gemacht habe. "Der Abbau des Defizits ist weitgehend geschafft, auch die Wettbewerbsfähigkeit hat sich verbessert."

Das Land brauche deshalb keine harten Einschnitte mehr, so Regling. Ein neues Programm, wie es Tsipras anstrebt, könne sogar sozialverträglicher sein: "Ich bin nicht der Meinung, dass Kürzungen und Reformen härter ausfallen müssen als bisher", so Reglings Fazit. Wenn Tsipras geschickt ist, macht er sich dieses Argument zu Eigen. Vorher muss er allerdings die Front der Neinsager brechen und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Dieser Gipfel ist wohl seine letzte Chance.

Quelle: ntv.de

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