Politik

Müller wird Hauptstadtbürgermeister Der nächste Merkel

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"Der Glamour-Faktor hat noch Luft nach oben", sagt Berlins zukünftiger Regierender Bürgermeister von sich selbst.

(Foto: dpa)

So bunt die Stadt Berlin ist, so farblos kommt ihr zukünftiger Bürgermeister daher. Klaus Wowereits Nachfolger heißt Michael Müller. Der Name ist Programm.

Wenn man in der deutschen Politik Erfolg haben will, muss man so sein wie Angela Merkel. Die Kanzlerin ist so beliebt wie lange kein Politiker mehr, zwei Drittel der Deutschen haben sie gerne als Kanzlerin. Angeblich überlegt die SPD schon, bei der nächsten Wahl einen absichtlich schwachen Kandidaten gegen Merkel ins Rennen zu schicken, sollte sie wieder antreten. Denn ein starker Kandidat würde doch nur verschlissen werden. Auf großen Gipfeltreffen machen ausländische Regierungschefs Selfies mit der deutschen Kollegin.

Ob Christine Lieberknecht und Bodo Ramelow in Thüringen, Michael Schierack und Dietmar Woidke in Brandenburg oder Stanislaw Tillich in Sachsen – die Wahlgewinner der letzten Monate sind allesamt Merkel-Typen: Sie geben sich das Image des fleißigen Arbeiters, kommen unaufgeregt und pragmatisch rüber, gehen fair mit ihren politischen Gegnern um und haben noch nie eine politische Vision entwickelt. Trotz ihres begrenzten Charismas sind auf ihren Wahlplakaten vor allem sie selbst zu sehen – mit Inhalten wollen sie ihre Wähler nicht zu sehr belästigen.

Gemischte Bilanz als Bausenator

Nun bekommt auch das bunteste und lebendigste Bundesland einen Merkel-artigen Regierungschef: Michael Müller, der von sich selbst sagt: "Der Glamour-Faktor hat noch Luft nach oben." 59 Prozent der SPD-Mitglieder in Berlin, die in den vergangenen Tagen ihre Stimme abgaben, wollen Müller als Regierenden Bürgermeister sehen. Die Abstimmung ist zwar rechtlich nicht bindend, doch selbst der Koalitionspartner im Abgeordnetenhaus, die CDU, hat schon klar gemacht, dass sie das Ergebnis respektieren wird.

Obwohl sein Auftritt ganz anders ist als der des schillernden Wowereit, versprach Müller unter den drei Kandidaten die höchste Konstanz: Er war jahrelang einer der wichtigsten Berater des Regierungschefs und hat seit 2011 den wichtigen Posten des Stadtentwicklungssenators. In Interviews betonte er stets, wie viel Erfahrung er für das Amt mitbringt.

Als einziger der drei Kandidaten ist Müller in Berlin geboren. Die Schule verließ er nach der zehnten Klasse, dann ließ er sich zum Kaufmann und zum Drucker ausbilden. Von 2001 bis 2011 war er Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und von 2004 bis 2012 Parteivorsitzender der Berliner SPD. Den Fraktionsvorsitz vererbte er an Raed Saleh, der auch Bürgermeister werden wollte und 19 Prozent der Stimmen erhielt. Vom Parteivorsitz verdrängte ihn Jan Stöß, den nun 21 Prozent der Wähler zum Wowereit-Nachfolger machen wollten. Als Stadtentwicklungssenator hat Müller eine gemischte Bilanz: Die steigenden Mieten in der Stadt hat auch er zu verantworten, seine Pläne für eine neue Landesbibliothek auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof scheiterten an einer Bürgerinitiative.

Glücklich über das "Stadtentwicklungskonzept 2030"

Der Wahlsieg Müllers wird die SPD in Berlin verändern: Es ist kaum vorstellbar, dass Müller Stöß noch weiter als Parteichef duldet. Wahrscheinlicher ist, dass er das Amt wieder selbst übernimmt oder bei der nächsten Gelegenheit einen Getreuen ins Rennen schickt. Denn Stöß war durch eine Kampfkandidatur gegen Müller an die Parteispitze gekommen und hatte sich mehrfach offen gegen die Politik des Duos Wowereit/Müller gestellt. Seinen Wahlkampf bestritt Stöß damit, die Politik Wowereits zu kritisieren, mehr Investitionen zu fordern und auf die schlechte Lage am Arbeitsmarkt hinzuweisen. "Wir sind unter den Bundesländern auf Platz 1 beim Wachstum und auf Platz 16 bei der Beschäftigung", hatte er kritisiert.

Raed Saleh könnte dagegen seinen Posten als Fraktionschef behalten, obwohl Müller einst versucht hatte, diese Personalie zu verhindern. In den Wahlkampf hatte er vor allem seine Biographie als Aufsteiger eingebracht: Das Kind von palästinensischen Gastarbeitern arbeitete sich vom Arbeiter in einem Fastfood-Restaurant zum Filialleiter und schließlich zum Unternehmer hoch. "Aufstieg für alle", forderte er. Gegen ihn sprach vor allem, dass er mit 37 Jahren noch jünger ist als seine Mitbewerber. Müller könnte versuchen, Saleh zu fördern, damit der nicht die nächste Gelegenheit ausnutzt, den Regierungschef in Bedrängnis zu bringen.

Stöß und Saleh waren den Berliner Sozialdemokraten zu unerfahren und zu sprunghaft. Müller dagegen setzt auf Konstanz. Der Versuch, ihm eine Vision für die Stadt zu entlocken, ist zwecklos. Stattdessen verweist er auf das "Stadtentwicklungskonzept 2030". Daran sieht er sich gebunden, was er selbst als "glücklichen Umstand" bezeichnet.

Quelle: ntv.de

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