Politik

Nach Impfstoff-Debakel der EU Deutsche wollen trotzdem starkes Europa

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, will die Beteiligung der EU-Bürger stärken.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, will die Beteiligung der EU-Bürger stärken.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool AFP/AP)

Nach den verspäteten Impfstoff-Bestellungen stand die Europäische Union stark in der Kritik. Eine neue Studie zeigt, dass dies an der Meinung der Deutschen wenig ändert. Die Mehrheit ist weiterhin für ein gemeinsames Europa - unter einer Bedingung.

Trotz umfangreicher Kritik an der Europäischen Union wegen der Impfstoffbeschaffung sehen mehr als 67 Prozent der Deutschen weiterhin mehr Vorteile als Nachteile in der EU-Mitgliedschaft. Das geht aus einer neuen Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Progressiven Zentrums hervor. Die diesjährige Studie "Selbstverständlich europäisch!?" hat untersucht, welche Erwartungen die Bürger an die Europapolitik der nächsten Bundesregierung haben. "Die positive Grundhaltung der Deutschen zur EU ist in der Corona-Krise stabil geblieben," sagt Johannes Hillje, einer der Autoren der Studie und Policy Fellow beim Progressiven Zentrum.

Ohne Schaden kommt die EU aber nicht davon. Zwar wollen die meisten Deutschen immer noch in der EU bleiben, aber viele sehen die politischen und wirtschaftlichen Vorteile heute etwas schlechter als noch vor einem Jahr. Und das sei vor allem auf die Corona-Politik und die wirtschaftliche Lage Deutschlands zurückzuführen. 60 Prozent der Deutschen sind nach wie vor davon überzeugt, dass Deutschland seine politischen Ziele mit der EU besser erreichen kann, vor einem Jahr waren es noch 66 Prozent. Die EU müsse "nach der Kritik an der Impfstoffbeschaffung das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit stärken", so Hillje.

Der wirtschaftliche Nutzen

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland führt auch dazu, dass viele Deutsche die hohen Beitragszahlungen an die EU zunehmend kritisch sehen. Als größte Volkswirtschaft in Europa zahlt Deutschland derzeit den größten Beitrag zum EU-Haushalt - für mehr als die Hälfte der Deutschen ist das zu viel. Eine große Mehrheit spricht sich jedoch für mehr gemeinsame Ausgaben in bestimmten Bereichen wie Innovation, Klimaschutz und soziale Sicherheit aus - hier sollten Deutschland und seine EU-Partner sogar mehr investieren als bisher.

Bei der gemeinsamen Schuldenaufnahme sieht es etwas anders aus. Wegen der Corona-Krise hat die EU zum ersten Mal gemeinsam Schulden aufgenommen. Auch Deutschland unterstützte zum ersten Mal eine solche Verschuldung. Diese Entscheidung wurde zwar von einer Mehrheit der Deutschen unterstützt, doch bei der Frage, ob dies auch in Zukunft möglich sein soll, sind sich nicht alle einig. 47 Prozent sind dagegen, 45 Prozent sagen, es sollte möglich sein.

Dieses Thema könnte auch die kommende Bundestagswahl durchaus beeinflussen, denn kaum ein europapolitisches Thema spaltet so sehr wie dieses. Während die Anhänger von Grünen, SPD und Linken mehrheitlich für eine gemeinsame Schuldenaufnahme sind, stehen CDU/CSU, FDP und AfD ihr eher kritisch gegenüber.

Mehrheit wünscht sind Veränderungen

Mit der Bundestagswahl könnte sich in der EU-Politik vieles ändern. Eurokrise, Asylpolitik, Brexit und jetzt die Corona-Krise - in diesen entscheidenden Momenten war Angela Merkel nicht nur als Kanzlerin am Ruder, sondern auch als eine der wichtigsten EU-Politikerinnen. Zwei Drittel der Bundesbürger wünschen sich nach wie vor eine solche Politik: ein aktives und kooperatives Vorgehen auf der europapolitischen Ebene.

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Allerdings hängt die Zustimmung der Deutschen an einer Bedingung: Eine große Mehrheit wünscht sich nämlich grundlegende Änderungen auf EU-Ebene. 81 Prozent sind dafür, dass im Europäischen Rat mehr Entscheidungen mit Mehrheit getroffen werden. Das derzeitige Einstimmigkeitsprinzip bedeutet, dass einzelne Länder bestimmte Gesetzesvorhaben blockieren können. Und das sollte sich nach Meinung der Deutschen ändern. "Mehr Entscheidungsfähigkeit muss mit mehr Demokratie einhergehen", sagt Co-Autorin Christine Pütz von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Als wichtigste Prioritäten nennen die Befragten eine gemeinsame EU-Asylpolitik, die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in der EU und die Einführung von EU-weiten sozialen Mindeststandards. An vierter Stelle halten 36 Prozent der Befragten den europäischen Green Deal für eine wichtige EU-Aufgabe. Inmitten einer Pandemie halten nur 11 Prozent der Befragten eine europäische Gesundheitsunion für die wichtigste Zukunftsaufgabe der EU. "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der nächsten Bundesregierung, dass sie die Großbaustellen in der Europapolitik aktiv angeht", sagt Hillje.

Quelle: ntv.de, cls

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