Corona-Hilfe der Bundeswehr "Die Portugiesen sind unglaublich dankbar"
06.02.2021, 13:10 Uhr
Für die englischen Namen der Medikamente haben die deutschen Ärzte und Pflegekräfte mittlerweile eine Liste auf Englisch.
(Foto: dpa)
Seit Mittwoch sind 26 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Portugal, um dort in einem Krankenhaus bei der Versorgung von Corona-Patienten zu helfen. Acht Ärzte und achtzehn Pflegekräfte gehören zum Team. Sie unterstützen portugiesische Krankenhäuser, die keinen Platz und kein Personal mehr für die vielen Infizierten haben. "Sie brauchen jede Unterstützung", sagt Oberstarzt Jens-Peter Evers. Für drei Wochen betreibt er nun eine Covid-Station im Hospital da Luz in Lissabon.
ntv.de: Herr Dr. Evers, ich will Sie gar nicht lange von der Arbeit abhalten. Warum hat die Bundeswehr Sie nach Portugal geschickt?

Oberstarzt Dr. Jens-Peter Evers ist Kommandeur des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst der Bundeswehr. Das Kommando hat eine Truppenstärke von 800 Soldatinnen und Soldaten und ist im ostfriesischen Leer stationiert.
(Foto: Bundeswehr)
Jens-Peter Evers: Die Anfrage wurde aus Portugal an die Verteidigungsministerin gestellt. Dass die Bundesregierung Portugal unterstützt, wurde im Bundeskabinett entschieden. Da unsere Kräfte schnell verfügbar sind, ist die Wahl auf uns gefallen.
Und die Situation in Portugal ist so, dass schnelle Hilfe unbedingt nötig ist?
Ja, absolut. Es ist so, dass hier sehr, sehr viele Patienten an der neuen Mutation des Covid-Virus erkrankt sind und das ärztliche und das Pflegepersonal mittlerweile total überfordert ist. Sie brauchen jede Unterstützung. Im Wesentlichen ist es tatsächlich Personalmangel.
Sie und Ihr Team arbeiten alle zusammen im selben Krankenhaus, auf derselben Station?
Das ist richtig. Wir haben dort eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekommen, eine Intensivstation, die aus Personalmangel nicht mehr durch Portugiesen betrieben werden kann. Die wurde uns übergeben, und die betreiben wir alleine.
Haben Sie auch Material mitgebracht?
Ja, wir haben einige Geräte mitgebracht, die wir an das portugiesische Gesundheitsministerium übergeben haben. Davon sind uns einige Beatmungsgeräte in diese Station geliefert worden, sodass wir dann auch mit den eigenen Geräten arbeiten.
Wie viele Intensivpatienten betreuen Sie?
Auf dieser Station können acht Patienten betreut werden. Noch ist allerdings keiner da. Wir werden die ersten Patienten am Sonntag oder am Montag aufnehmen. Wenn Sie in ein solches Krankenhaus hineingehen, dann sind die Verfahren immer ein bisschen unterschiedlich - das ist auch innerhalb Deutschlands so. In diese Prozesse muss man sich einfach einarbeiten. Schon die Software, die für die Patientendokumentation genutzt wird, muss man erst kennenlernen. Damit haben wir uns in der Zeit bisher beschäftigt.
Auf Fotos kann man sehen, dass die Bundeswehrärzte ihre Handys nutzen, um portugiesische Medikamente zu googeln. Ist die Sprache das größte Hindernis oder gibt es noch andere?
Nein, die Sprache ist eigentlich kein großes Hindernis. Mit den Kollegen sprechen wir auf Englisch. Außerdem habe ich in meinem Team zwei Soldaten, die Portugiesisch sprechen. Wir haben von dem Krankenhaus auch zwei Deutsch sprechende Kräfte zur Verfügung gestellt bekommen. Das funktioniert gut. Die Fotos, die Sie gesehen haben, zeigen vermutlich den Zeitpunkt, wo wir noch nicht die englischen Begriffe für die Medikamente bekommen hatten. Aber dann wurde uns sehr schnell die gesamte Liste übersetzt.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den portugiesischen Kolleginnen und Kollegen?
Das läuft absolut hervorragend. Die Kolleginnen und Kollegen hier im Krankenhaus sind unglaublich freundlich und dankbar für die Hilfe. Das gilt auch für Aufnahme durch die Politik hier in Portugal und für die Reaktionen, die wir in der portugiesischen Öffentlichkeit erfahren. In deutscher Uniform werden wir natürlich überall erkannt. Man kommt uns immer sehr dankbar entgegen. Die Zusammenarbeit im Krankenhaus ist völlig unkompliziert, das ist wirklich toll. Ich hätte allerdings nichts dagegen, wenn das Medieninteresse mal so langsam nachlässt. Die Kameraden im Krankenhaus sagen auch: Wir müssen jetzt endlich mal arbeiten.
Dann ist auch das Interesse der portugiesischen Medien groß?
Ja. Das ist Interesse ist sehr, sehr groß.
Warum ist es ein privates Krankenhaus, in dem Sie sind?
Diese Frage wird auch in Portugal immer wieder diskutiert. Zunächst einmal ist es nicht so, dass wir uns dieses Krankenhaus ausgesucht haben. Auch unser Vorkommando hat dieses Krankenhaus nicht ausgesucht, sondern das haben die Portugiesen zur Verfügung gestellt, weil sie der Meinung waren, dass wir hier am besten unterstützen können. Denn hier ist, wie gesagt, eine Station verfügbar, die nicht besetzt werden konnte. Mit meinem Personal kann ich genau diese Lücke stopfen. Die private Klinik selbst profitiert nicht von unserer Arbeit, wir unterstützen andere Krankenhäuser, die uns Patienten schicken. Das private Krankenhaus stellt eigentlich nur die Räumlichkeit.
Hilft auch die portugiesische Armee in der Corona-Krise in Portugal?
Ja, natürlich. Auch wir bekommen Unterstützung von der portugiesischen Armee. Ich habe einen Verbindungsoffizier, der uns logistisch unterstützt, etwa beim Ein- und Ausladen von Material oder beim Transport von der Unterkunft zum Krankenhaus.
Was machen Sie und die anderen Mitglieder des Teams eigentlich normalerweise?
Wir kommen vom Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst in Leer. Wir sind für sehr kurzfristige Einsätze da; wir haben eine Vorwarnzeit von 72 Stunden. Wir können weltweit eingesetzt werden, sofort, ad hoc, jederzeit. Wir können Evakuierungsoperationen durchführen, und ein kleiner Teil meiner Kräfte hilft auch, wenn zum Beispiel deutsche Staatsbürger irgendwo evakuiert werden müssen. Dann sind wir diejenigen, die das sanitätsdienstlich unterstützen. Aber die Kräfte, die ich hier führe, sind nur zum Teil aus Leer. Zu einem anderen Teil sind das Spezialisten aus Bundeswehrkrankenhäusern, die in den letzten Monaten bereits viel Erfahrung mit der Behandlung von Covid-Patienten gesammelt haben.
Gab es in der Bundeswehr vor Ihrem Abflug Diskussionen darüber, ob Ihre Hilfe nicht in Deutschland gebraucht wird?
Nein. Wir Soldaten sind so gestrickt: Wenn wir einen Befehl kriegen, dann marschieren wir (lacht). Es ist aber tatsächlich so, dass wir die ganze Zeit schon in den verschiedenen Einrichtungen in Deutschland unterstützen. Das ist also nichts Neues für uns. Der Ort ist jetzt einfach ein anderer.
Was passiert in Ihrem Krankenhaus in Portugal, wenn Sie nach drei Wochen wieder nach Deutschland zurückfliegen?
Auf der Ebene des Verteidigungsministeriums wird derzeit entschieden, ob danach noch mal ein Team nach Portugal geschickt wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass eine solche Entscheidung kommt. Aber das ist eine politische Entscheidung.
Mit Jens-Peter Evers sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de