Demütigung von McCarthy Diese Posse kann auch Trump gefährlich werden


Als Führungsfigur der Republikaner könnte das Bild der Zerrisenheit auch auf Trump zurückfallen.
(Foto: IMAGO/UPI Photo)
Das Ende von Kevin McCarthy ist auch das vorläufige Ende der Vernunft in Washington. Schuld daran ist der radikale Republikaner Matt Gaetz, der sich als glühender Trump-Verehrer gibt. Doch nicht einmal der Ex-Präsident ist erfreut über die neuerliche Posse am Kapitol.
An diesem Morgen dürften viele gemäßigte Republikaner wie verkatert aufwachen. Der Sturz von Kevin McCarthy, dem Sprecher des Repräsentantenhauses und damit ranghöchsten amtierenden Republikaner, hat Folgen: Die USA steuern wieder auf die Zahlungsunfähigkeit zu, wenn in den kommenden 45 Tagen kein neuer Haushalt beschlossen wird. Auch die Hilfen für die Ukraine sind in Gefahr. Die schwerste Aufgabe für die republikanischen Abgeordneten dürfte es aber sein, einen Nachfolger für McCarthy zu finden. Der Job hängt weiterhin von der Gnade einiger radikaler Abgeordneter ab, insbesondere von Hardliner Matt Gaetz, der McCarthy zu Fall brachte. Denn ohne die Radikalen haben die Republikaner keine Mehrheit im Repräsentantenhaus - das gibt ihnen so viel Einfluss. Damit hat der Posten stark an Attraktivität eingebüßt. Doch jemand, der ebenfalls ins Grübeln geraten könnte, ist Donald Trump.
"Warum kämpfen die Republikaner eigentlich immer gegeneinander und nicht gegen die linksradikalen Demokraten, die unser Land zerstören?", fragte der Ex-Präsident auf seinem sozialen Netzwerk "Truth Social". Dass die Demokraten linksradikal sein sollen und das Land "zerstören", war die übliche Propaganda des Rechtspopulisten - dass er aber den internen Dauerstreit der Republikaner beklagte, dürfte echter Unmut sein. Denn der offene Bruch innerhalb der Republikaner kann auch Trump und seinen Ambitionen schaden, wieder Präsident zu werden.
Aus mehreren Gründen: Die Zerrissenheit der Republikaner lässt sie schlecht aussehen und lenkt damit von den Schwächen des amtierenden Präsidenten Joe Biden ab. Der Stempel, den die Radikalen der Partei aufdrücken, könnte moderate Wähler abschrecken und schließlich könnte Trump selbst als schwach erscheinen, sollte er keinen Beitrag leisten können, die Geschlossenheit der Abgeordneten wiederherzustellen.
Zerrissenheit hilft den Demokraten
Es gehört zum politischen Einmaleins, dass Geschlossenheit die Grundvoraussetzung für Wahlerfolge ist. Der Mangel daran könnte bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2024 eine Rolle spielen. Neben dem Präsidenten wählen die US-Amerikaner auch einen Teil des Senats und das Repräsentantenhaus neu. Hat ein Präsident in diesen Parlamentskammern keine Mehrheit, kann er kaum große Gesetze auf den Weg bringen.
Zugleich hilft die Zerrissenheit den Demokraten. Präsident Biden ist überaus unbeliebt bei den Wählern, seine Werte ähneln denen von Donald Trump. Sein größtes Manko ist sein hohes Alter, das auch vielen seiner Anhänger Sorge bereitet. Wenn die Republikaner sich nun aber selbst zerfleischen, dürfte das den Demokraten nutzen. Sie können sagen: Biden mag alt sein, aber wollt ihr wirklich, dass eine Chaostruppe das Ruder übernimmt?
Das gilt auch für die inhaltlichen Fragen. Denn wenn es den Radikalen unter den Republikanern weiter gelingt, der ganzen Partei ihren Stempel aufzudrücken, könnte das moderatere Wählerschichten verprellen. Insbesondere die sogenannten Unabhängigen, die sich weder als Demokraten noch als Republikaner sehen, könnten davon abgestoßen werden. Sie halten beispielsweise wenig von einem Komplettverbot von Abtreibungen oder auch einer weiteren Beschneidung der öffentlichen und staatlichen geförderten Krankenversicherungen, wie es ultrakonservative Republikaner fordern. Trump weiß das genau. Deswegen vermeidet er eine klare Position zu Abtreibungen und in der Gesundheitspolitik.
Trumpiger als Trump
Wie wichtig inhaltliche Fragen sind, zeigte sich bei den Zwischenwahlen vor knapp einem Jahr. Trotz der schwachen Umfragewerte Bidens schnitten die Demokraten viel besser ab als erwartet. Mitentscheidend war die Abtreibungsfrage und das schrille Bild, das viele Kandidaten der Republikaner abgaben.
Schließlich birgt die Situation das Risiko für Trump, selbst als schwach dazustehen. Schon vor neun Monaten versuchte er, McCarthy zu helfen. Doch Gaetz, der auch damals eine Hauptrolle spielte, gehorchte ihm keineswegs aufs Wort. Trumps Eingreifen blieb lange folgenlos. Schließlich brauchte es 15 Wahlgänge, bis McCarthy im Amt war. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Denn die Gruppe um Gaetz stellt sich als besonders Trump-treu dar, scheint aber mitunter trumpiger als Trump zu sein.
Quelle: ntv.de