Politik

Trouble auf dem Kapitol McCarthys verzweifeltes, vielleicht letztes Angebot

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Im US-Kongress soll heute weiter munter ein Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt werden. Es gibt sogar Berichte, dass da etwas in Bewegung sein könnte, dank eines vielleicht letzten Angebots von McCarthy. Trotzdem läuft seine Zeit ab.

Albert Einstein sagte einmal, die Definition von Wahnsinn sei es, immer wieder das gleiche zu tun und dennoch ein anderes Ergebnis zu erwarten. Insofern ist es Wahnsinn, was auch heute wieder in Washington passieren soll. Kevin McCarthy stellt sich erneut zur Wahl als Sprecher des Repräsentantenhauses. Wahlgang Nummer sieben steht an. Das ist großes Kino, ein Polit-Thriller - oder vielleicht doch eher ein Trauerspiel. Denn ohne Sprecher können die Abgeordneten nicht eingeschworen werden, und sämtliche Gesetzesarbeit bleibt liegen.

Wobei McCarthy vielleicht sagen würde, dass an diesem Donnerstag die Lage doch etwas anders ist. Denn er ist seinen 20 Gegnern noch einmal entgegengekommen. So ging er laut "Washington Post" auf ihre Maximalforderung ein. Künftig soll es wieder möglich werden, dass ein einzelner Abgeordneter eine Abstimmung über die Abberufung des Sprechers ansetzen kann. Das berichtet die Zeitung unter Verweis auf vier mit der Sache befasste anonyme Quellen.

Bislang hatte McCarthy angeboten, dass mindestens fünf zusammenkommen müssten, um so eine Abstimmung anzusetzen. Schon das war als Kniefall vor den Abweichlern gewertet worden. Der Kandidat verbiegt sich derart, dass auf Twitter schon gespottet wird, er habe dem Wortführer Matt Gaetz auch noch angeboten, einmal die Woche für seine Freundinnen zu babysitten. Gaetz werden zahlreiche Affären nachgesagt.

"Dumme Plattitütden"

Die fortgesetzte Rebellion sägt an den Nerven. "Ich habe Ihre dummen Plattitüden satt, die Ihnen irgendein Berater im Wahlkampf gesagt hat", sagte etwa der republikanische Abgeordnete Dan Crenshaw aus Texas an die Adresse der 20. "Sagen Sie uns hinter verschlossenen Türen, was Sie wirklich wollen oder halten Sie verdammt noch mal die Klappe" - wobei die Übersetzung das Original-Zitat noch etwas entschärft. Der Republikaner Warren Davidson las eine lange Liste mit Forderungen vor, die McCarthy erfüllt habe. "Jetzt ist die Zeit für Taten, nicht Worte", sagte er.

Die "Washington Post" zitiert nun aber mehrere Verhandler, dass es hinter den Kulissen "echte Bewegung" gebe - dank McCarthys neuerlicher Zugeständnisse. Wenn aber nicht einmal Ex-Präsident Donald Trump zu den Rebellen durchdringt, ist das kein gutes Zeichen für McCarthy. Der hatte auf seinem sozialen Netzwerk mit vielen Großbuchstaben dazu aufgerufen, den Kalifornier endlich zu wählen. Die Abweichlerin Lauren Boebert sagte dazu, Trump sei zwar ihr Lieblingspräsident, aber er solle lieber McCarthy sagen, dass er einfach nicht die nötigen Stimmen beisammen habe.

Anna Paulina Luna aus Florida, ebenfalls eine der 20, beschrieb McCarthy als ungeschickten Verhandler. Vor Abstimmungsbeginn am Dienstag habe er die Forderungen der Rebellen als unvernünftig dargestellt und argumentiert, er habe den Posten verdient. Das habe die Rebellen aber noch wütender gemacht, zitiert sie die "New York Times". "Manche Abgeordnete haben das als Respektlosigkeit empfunden", sagte sie. Sie glaube, sie würden niemals für ihn stimmen.

"Aber nie für diese Person"

Rebell Gaetz sagte laut "New York Times", McCarthy sei "ein verzweifelter Kerl, der bei jeder Abstimmung weniger Stimmen bekommt. Ich bin bereit, die ganze Nacht, Woche oder Monat abzustimmen. Aber nie für diese Person." Gaetz drehte die Betriebstemperatur noch etwas höher, als er die Kapitolverwaltung darüber informierte, dass McCarthy das Büro des Sprechers rechtswidrig okkupiere.

Bob Good aus Virginia, ebenfalls ein Rebell, sagte, es sei es wert, sich ein paar Tage oder auch ein paar Wochen Zeit zu nehmen, um den bestmöglichen Sprecher zu bekommen. "Das Land kann es sich nicht leisten, so weiterzumachen wie bisher und das zu bekommen, was wir immer bekommen haben."

Darin scheint die eigentliche Kritik an McCarthy auf, den seine Gegner als Establishment-Kandidaten sehen. Als einen, der zu weich ist, um Präsident Joe Biden und den Demokraten wirklich die Stirn zu bieten. Sie wähnen sich dabei als Fackelträger der Vergessenen Amerikas, ganz so wie Donald Trump. Fast alle sind sie im Freedom Caucus, dem "Freiheitsausschuss" der Republikaner. Das ist die rechts- bis rechtsradikale Parlamentariergruppe, die knallharte America-First-Politik machen will. Die Ziele: Grenze dichtmachen, Ausgaben begrenzen und den aus ihrer Sicht linken Einfluss zurückdrängen.

Neue Namen in Umlauf

Der republikanische Abgeordnete Dusty Johnson wies in einem Video auf Twitter darauf hin, dass alle 20 Abweichler in Wahlkreisen angetreten seien, in denen Biden bei der Präsidentschaftswahl gewonnen habe. Ihre Sitze sind also keineswegs sicher. Auch das könnte ein Grund sein, dass sie sich auf diese Weise als radikale, unbeirrbare Kämpfer für ihre Themen inszenieren wollen.

Um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit treten die Abgeordneten wieder zusammen. Ein Wahlsieg von McCarthy hätte mittlerweile Sensationsstatus. Längst sind Alternativnamen in Umlauf. Die größten Aussichten hätte wohl Steve Scalise aus Louisiana. Er soll auch mal Ambitionen auf den Posten gehabt haben, steht bisher aber treu zu McCarthy. Genau wie Jim Jordan, den sich die Abweichler wünschen. Der Abgeordnete aus Ohio hat sich aber ebenfalls klar für McCarthy ausgesprochen. Fällt McCarthy am Abend noch einmal durch, geht die Suche nach Alternativen erst richtig los.

Quelle: ntv.de

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