WM-Talk bei "Hart aber fair" "Dieses alte Denken ist noch vorhanden"
15.11.2022, 03:42 Uhr
In seiner letzten Sendung "Hart aber fair" diskutiert Plasberg über WM-Gastgeber Katar.
(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)
Die Vorwürfe gegen das Ausrichterland der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft reißen nicht ab. Viele Fans haben sich vorgenommen, die Spiele in Katar nicht zu schauen. Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger kann das nachvollziehen. Er freue sich nicht auf die WM, sagt er bei "Hart aber fair".
Innenministerin Nancy Faeser ist zuversichtlich. Vor Kurzem war sie in Katar, dem Ausrichterland der diesjährigen Fußball-WM. Dort hat sie sich über die Menschenrechtslage informiert und mit dem Premierminister gesprochen, der auch für Innenpolitik zuständig ist. Die Gespräche habe sie als "offen" empfunden, sagt Faeser in der ARD bei "Hart aber fair" am Montagabend. Dort haben die Gäste über die Lage der Menschenrechte in Katar diskutiert.
Ob Faeser nach Katar fliegen wird, um sich das eine oder andere Spiel der Nationalmannschaft anzuschauen, weiß sie allerdings nicht. Das hänge von ihrer Terminlage ab, sagt sie. Und sie will die Möglichkeit bekommen, die Menschenrechtslage in dem Golfstaat erneut anzusprechen. "Ich will den kritischen Dialog weiterführen", sagt sie. "Was wir an Fortschritt dort sehen, sind kleine Pflänzchen, die gepflegt werden müssen. Und wir dürfen auch nach der WM nicht lockerlassen." Auf dem Papier gibt es laut Faeser erste Verbesserungen für die eingewanderten Arbeiter, erste Gewerkschaften hätten sich gebildet. Diese Entwicklungen müssten weiter verfolgt werden. Froh ist sie über einen von der FIFA aufgelegten Fonds, aus dem die Familien von Menschen unterstützt werden sollen, die beim Bau der WM-Stadien ums Leben gekommen seien.
"Freude nicht mehr vorhanden"
Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger war für die ARD in Katar. Anders als sein Kollege vom ZDF ist er frei durch das Land gereist. Er hat für einen Dokumentarfilm recherchiert, für den er auch eine Familie in Nepal besucht hat. Von dort kommen viele Arbeiter, die an den WM-Stadien mitgebaut haben. Dort hat er mit einer Frau gesprochen, deren Ehemann auf einer WM-Baustelle das große Geld machen wollte. Sie hat ihn nie wiedergesehen. Ein Sarg ist alles, was nach Nepal zurückkam.
Heute sagt Hitzlsperger: "Die Freude vor einer WM, die ich als Kind gespürt habe und auch später als Spieler, die ist nicht vorhanden. Da hat sich was verändert in mir. Und da spreche ich für viele Menschen." Aber es sei nicht an den Spielern, nun zu protestieren, das sei Aufgabe der Verbände.
Das sieht Steffen Simon auch so. Er ist als Medienrektor des DFB für dessen Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der Fußball habe sich verändert, sagt er. Er sei politischer geworden. Tatsächlich sind von den Verantwortlichen für die WM-Vergabe nach Katar die meisten wegen Korruption verurteilt worden oder müssen sich vor Gericht deswegen verantworten. "Die Art der Vergabe wird sich so nicht mehr wiederholen können", verspricht Simon. Die FIFA habe sich auf die Fahne geschrieben, die Menschenrechte zu achten, und die Zahl der Stimmberechtigten habe sich fast verzehnfacht. Der Aufforderung des mittlerweile in Katar lebenden FIFA-Präsidenten Gianni Infantino, politische Demonstrationen aus den Stadien herauszuhalten, hätten sich neun europäische Verbände widersetzt.
"Fadenscheinige Sicherheitsgarantie"
Als "irritierend" bezeichnet Simon die Aussagen des WM-Botschafters von Katar, der in einem ZDF-Film erklärt hatte, Homosexuelle seien geisteskrank. Hitzlsperger, selbst schwul, ist entsetzt darüber. "Der Botschafter sagt, die Menschen sollen die Kultur respektieren. Ich finde: Menschenrechte stehen über der Kultur. Seine Aussage zeigt: Dieses alte Denken ist noch vorhanden." Wer als Schwuler nach Katar fahre, bekäme eine Sicherheitsgarantie für vier Wochen. "Das ist doch fadenscheinig: Eine Sicherheitsgarantie für das sicherste Land der Welt."
Unterdessen fragen sich viele Menschen in Deutschland, ob sie die Spiele der WM sehen wollen oder nicht. Steffen Simon nimmt es diplomatisch: Der DFB wolle da keine Empfehlung abgeben. Das müsse jeder für sich selber entscheiden, sagt er.
"Helle Kleidung tragen und gut riechen"
Insgesamt eine interessante Diskussion konnten die Zuschauer erleben, die dann aber ein überraschendes Ende nimmt. Denn die letzte Viertelstunde der Show gehört ganz Frank Plasberg: Es ist seine letzte. Plasberg geht in den Ruhestand. Und darum verabschiedet er sich ausgiebig - von seinem Team, vom Studiopublikum, von den Fernsehzuschauern. Und schließlich taucht sogar noch sein Nachfolger Louis Klamroth auf, der ab dem 9. Januar das Ruder bei "Hart aber fair" übernehmen wird.
"Heute ist ein schöner Tag für mich", sagt Plasberg bei der Übergabe an die "Tagesthemen" zu Moderatorin Caren Miosga. Am Ende kommen ihm aber dann fast die Tränen, als er den Rat wiederholt, den ihm ein befreundeter Professor fürs Alter gegeben hat: "Tragen Sie immer helle Kleidung - und riechen Sie gut."
"Bleiben Sie sauber", sagt er noch - und verlässt die Talkshow-Bühne.
Quelle: ntv.de