Der Kriegstag im Überblick Dugin trauert pathetisch um seine Tochter - EU-Abgeordnete wollen 6000 Russen sanktionieren
22.08.2022, 21:12 Uhr
Eine Person mit "wahrhaft russischem Herzen": Kremlchef Putin kondoliert dem Vater der getöteten Kriegspropagandinstin Dugina.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Nach dem Tod seiner Tochter ruft der russische Ultranationalist Dugin die Kreml-Truppen zum Siegen auf. Präsident Putin richtet ihm sein Beileid aus, während Kiew die Geheimdienst-Konstruktion der Explosion zurückweist. EU-Parlamentarier wollen 6000 weitere Russen auf der Sanktionsliste sehen, Berlin will das Arsenal der Bundeswehr nicht weiter leeren. Der 180. Kriegstag im Überblick.
Russisches Munitionslager in Donezk explodiert
Nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti haben ukrainische Truppen ein russisches Munitionslager in der Nähe eines Supermarktes in der Stadt Donezk getroffen. Angaben über Tote oder Verletzte gibt es noch nicht. In den sozialen Netzwerken posteten Nutzer Fotos und Videos der Explosion.
In den vergangenen Tagen ereigneten sich auch auf der annektieren Krim um Jewpatorija mehrere Explosionen. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums verriet ein russischer Tourist versehentlich die Position einer russischen Flugabwehrstellung auf der Halbinsel. "Vielleicht gehen wir zu hart mit russischen Touristen um… Manchmal können sie wirklich hilfreich sein. Wie dieser Mann, der Fotos von russischen Luftverteidigungsstellungen in der Nähe von Jewpatorija auf der besetzten Krim macht. Vielen Dank und weiter so!", schrieb das Ministerium auf Twitter und veröffentlichte ein Foto, das einen Mann in Badehose vor einem russischen Flugabwehrsystem vom Typ S-400 zeigt.
Geheimdienst FSB beschuldigt Ukraine
Für den Anschlag auf die Tochter des kremlnahen Ideologen Alexander Dugin machte der russische Inlandsgeheimdienst FSB die Ukraine verantwortlich. Die "Ermordung" von Daria Dugina sei "von ukrainischen Spezialeinsatzkräften vorbereitet und ausgeführt worden", erklärte der Geheimdienst laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen. Dugina war am Samstagabend auf einer Autobahn bei Moskau getötet worden, nachdem laut Ermittlern ein Sprengsatz in ihrem Auto explodiert war.
Der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak sagte zu den Vorwürfen: "Russische Propaganda lebt in einer fiktionalen Welt". "Überraschenderweise haben sie das 'estnische Visum' nicht vor Ort gefunden", sagte er in Anspielung auf die Behauptung des FSB, die vermeintliche Täterin sei inzwischen nach Estland geflohen.
Putin verurteilt Anschlag
Russlands Präsident Wladimir Putin nannte den Anschlag ein "schändliches, grausames Verbrechen". Er habe dem Leben einer "brillanten und talentierten Person mit einem wahrhaft russischen Herzen" vorzeitig ein Ende gesetzt, erklärte Putin in einer Beileidsbekundung an die Familie. "Journalistin, Gelehrte, Philosophin, Kriegskorrespondentin, sie hat den Menschen, dem Vaterland ehrlich gedient und durch Taten gezeigt, was es bedeutet, eine Patriotin Russlands zu sein", schrieb Putin weiter.
Dugin: Leben meiner Tochter auf Altar des Sieges
Dugin selbst rief die Russen auf, im Sinne seiner rechtsnationalistischen und imperialistischen Ideologie zu kämpfen. "Unsere Herzen dürstet es nicht einfach nach Rache oder Vergeltung. Das wäre zu klein, nicht russisch", ließ Dugin über seinen Vertrauten, den Oligarchen Konstantin Malofejew, auf Telegram ausrichten. "Wir brauchen nur unseren Sieg. Auf dessen Altar hat meine Tochter ihr mädchenhaftes Leben gelegt. Also siegt bitte!" Dugin lobte seine Tochter nun als "wunderschönes orthodoxes Mädchen" und als "Patriotin", die von "den Feinden Russlands" getötet worden sei.
Ukraine beziffert Verluste: 9000 Soldaten gefallen
Seit dem Ende Februar gestarteten russischen Angriffskrieg sind nach ukrainischen Angaben fast 9000 ukrainische Soldaten getötet worden. Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny sagte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine bei einem Forum in Kiew, ukrainische Kinder bedürften besonderer Aufmerksamkeit, denn ihre Väter seien an der Front und "womöglich unter den fast 9000 getöteten Helden". Es ist eine der äußerst seltenen Aussagen der ukrainischen Regierung oder Armeespitze zu den eigenen Verlusten in dem Krieg.
Die Verluste der Kreml-Truppen bezifferte der ukrainische Generalstab dagegen auf 45.400 gefallene Soldaten. Zudem habe Russland bislang 1919 Panzer, 4230 gepanzerte Kampffahrzeuge, 1032 Artilleriesysteme, 198 Hubschrauber, 234 Flugzeuge, 815 Drohnen und 15 Boote verloren.
London: Hilfstruppen verweigern Fronteinsatz
Nach britischer Einschätzung kann Russland seine Hilfstruppen aus den Separatistengebieten im Donbass immer schwerer für den andauernden Krieg motivieren. Einige Kommandeure würden ihren Soldaten vermutlich finanzielle Anreize versprechen, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Einige Verbände würden als unzuverlässig gelten und daher nicht mit Angriffen betraut. Das Ministerium verweist als Beispiel auf ein Video von Mitte August, in dem sich Mitglieder einer Einheit der selbst ernannten "Volksrepublik Luhansk" geweigert haben sollen, an Offensivoperationen teilzunehmen.
Brief an Borrell: 6000 Russen sollen auf EU-Sanktionsliste
Europaabgeordnete forderten eine drastische Ausweitung von EU-Einreiseverboten gegen Unterstützer Putins. Es müssten zumindest die mehr als 6000 Personen mit Strafmaßnahmen belegt werden, die auf einer Liste der Stiftung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny stünden, hieß es in einem an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell verschickten Brief. Neben einem EU-Einreiseverbot sollten die Sanktionen auch das Einfrieren von Vermögen umfassen.
Als Hintergrund der Forderung wird in dem Brief insbesondere die öffentliche Debatte über Russen genannt, die trotz des Krieges ihres Landes gegen die Ukraine Visa für Urlaubsreisen in der EU bekommen. Sie dürfte auch Thema bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister in der kommenden Woche in Prag werden.
Berlin: Bundeswehr nicht weiter schwächen
Das Bundesverteidigungsministerium wies einen Vorstoß von Koalitionspolitikern zurück, der Ukraine mehr Waffen zu liefern und dafür notfalls auch eine Schwächung der Bundeswehr in Kauf zu nehmen. Angesichts der Bedrohung durch Russland könne die Bundeswehr ein solches Vorgehen nicht riskieren, sagte ein Sprecher des Ministeriums Berlin. "Wir müssen nämlich darauf gefasst sein, dass Putin jede Schwäche und auch nur temporäre Lücke in der Verteidigungsbereitschaft der NATO ausnutzen könnte", warnte er.
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Quelle: ntv.de, mau/dpa/rts