Weitere Maßnahmen gegen Russland EU geht gegen Sanktions-Schlupflöcher vor
21.06.2023, 16:56 Uhr Artikel anhören
Die EU will möglichst verhindern, dass EU-Güter über Umwege doch noch nach Russland transportiert werden.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Kühlschränke, Drucker oder Taschenrechner aus Europa: Produkte wie diese werden zum Teil über Drittländer nach Russland geliefert, wo deren Elektronik für Waffen genutzt wird. Mit dem nunmehr elften Sanktionspaket will die EU dem einen Riegel vorschieben. Ein Drittland bekommt eine Sonderbehandlung.
Die EU-Staaten haben sich auf ein neues Paket mit Sanktionen gegen Russland verständigt. Es umfasst Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen, aber auch ein Instrument gegen die Umgehung von bereits erlassenen Sanktionen, wie die schwedische Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte.
Die Einigung erfolgte im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU in Brüssel. Sie muss nun noch von den EU-Staaten angenommen werden. Dies gilt allerdings als Formalie. Die Pläne sehen unter anderem vor, die Möglichkeit zu schaffen, ausgewählte Exporte in bestimmte Drittstaaten wegen einer mutmaßlichen Umgehung von Sanktionen einzuschränken. Aus den EU-Staaten selbst dürfen schon seit Monaten viele Produkte nicht mehr nach Russland geliefert werden.
Als Länder, über die Sanktionen gegen Russland umgangen werden, gelten zum Beispiel Kasachstan, Armenien, die Vereinigten Arabischen Emirate und China. Der Türkei wurde zuletzt von EU-Experten bescheinigt, vergleichsweise entschlossen auf Hinweise zu Sanktionsumgehungen zu reagieren. Im Visier der EU sind etwa Kühlschränke, Drucker oder Taschenrechner aus Europa, die über Drittländer nach Russland geliefert werden und deren Elektronik dort für Waffen genutzt wird. Als "letztes Mittel" gegen das Umgehen der Sanktionen ist deshalb ein neues Notfallinstrument geplant, mit denen Exporte in nicht kooperationswillige Drittländer eingeschränkt werden können.
Das Paket sieht zudem Einreise- und Vermögenssperren gegen 71 weitere Verantwortliche und 33 Organisationen vor. Die EU wirft ihnen unter anderem vor, sich an der "illegalen Deportation ukrainischer Kinder nach Russland" zu beteiligen.
Peking protestiert - Brüssel reagiert
"Mit dem neuen Maßnahmenbündel können wir EU-weit besser und effektiver gegen die Sanktionsumgehung vorgehen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck laut Mitteilung. "Damit untermauern wir als EU abermals unsere Entschlossenheit und Einigkeit gegenüber der völkerrechtswidrigen russischen Aggression." Jetzt gelte es, die Maßnahmen konsequent umzusetzen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung auf das mittlerweile elfte Sanktionspaket. Es werde der Kriegsmaschinerie von Russlands Präsident Wladimir Putin mit verschärften Ausfuhrbeschränkungen einen weiteren Schlag versetzen. Zudem ziele es auf Einrichtungen ab, die den Kreml unterstützten. "Unser Instrument zur Bekämpfung der Umgehung von Sanktionen wird Russland daran hindern, sanktionierte Güter in die Hände zu bekommen."
Die Kommissionschefin hatte kürzlich zu den bisherigen Sanktionen gegen Russland gesagt, allein die EU-Ausfuhrverbote beträfen Waren mit einem Vorkriegshandelsvolumen in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr. Dies entspreche einem Anteil von 55 Prozent. Die EU-Einfuhrverbote für Waren aus Russland betreffen demnach 60 Prozent der Vorkriegsausfuhren mit einem Wert von etwa 90 Milliarden Euro.
Direkt nach der Vorstellung der Vorschläge für das Sanktionspaket Anfang Mai hatte es zudem längere Diskussionen darüber gegeben, ob einzelne Länder an den Pranger gestellt werden sollten, wenn über sie Russland-Sanktionen umgangen werden. Hintergrund war vor allem die Sorge mancher Länder, dass ein mögliches Vorgehen gegen China Vergeltungsmaßnahmen und negative Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zur Folge haben könnte.
Die EU-Kommission wollte nämlich ursprünglich auch chinesische Unternehmen auf die Sanktionsliste setzen, die militärisch wie zivil nutzbare Güter an Russland liefern, sogenannte Dual-Use-Güter. Nach scharfen Protesten aus Peking werden nun laut Diplomaten aber nur drei russische Firmen mit Sitz in Hongkong gelistet.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP