Streit um Visafreiheit für Türken Erdogans Drohgebärden ziehen nicht
28.05.2016, 07:24 Uhr
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan weigert sich, alle Bedingungen für die Visafreiheit zu erfüllen.
(Foto: REUTERS)
Die Kanzlerin ist "nicht besorgt" - und gibt damit die verbale Marschroute im Visa-Streit mit Ankara vor. Man werde sich von öffentlichen Drohungen nicht beeindrucken lassen, heißt es auch aus dem Bundeskabinett. Da könne Erdogan "poltern, wie er will."
Im Visa-Streit mit der Türkei bekommt Kanzlerin Angela Merkel Rückendeckung aus dem Kabinett. Nachdem sich Merkel angesichts der Drohung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, das Flüchtlingsabkommen mit der EU notfalls platzen zu lassen, betont gelassen gezeigt hatte, plädiert auch Innenminister Thomas de Maizière für eine harte Linie im Umgang mit Ankara. "Man darf sich in der Politik von öffentlichen Drohungen nicht beeindrucken lassen", erklärte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Jedenfalls muss man sie nicht dadurch unterstützen, dass man sich besonders besorgt zeigt."
De Maizière pochte abermals darauf, dass die 72 Kriterien, die zur Voraussetzung für die Visa-Erleichterungen gemacht worden waren, erfüllt werden - darunter auch die besonders umstrittenen Anti-Terror-Gesetze, die Erdogan bisher nicht anrühren will. "Wenn die Bedingungen für die Einführung der Visa-Liberalisierung (für türkische Bürger) nicht erfüllt sind, wird es keine Visa-Liberalisierung geben", sagte der CDU-Politiker. Für eine feste Haltung im Streit mit dem türkischen Präsidenten plädierte auch Justizminister Heiko Maas. "Wir werden uns nicht erpressen lassen, da kann Herr Erdogan so viel poltern, wie er will", sagte der SPD-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Derweil mahnte der CSU-Innenexperte Stephan Mayer zu Gelassenheit. "Europa ist nicht so abhängig von der Türkei, wie derzeit in manchen Medien berichtet wird. Denn man darf nicht vergessen: Die Türkei ihrerseits hat derzeit nicht mehr viele Freunde und ist somit auf ein gutes Verhältnis zu Europa angewiesen", sagte Mayer der "Passauer Neuen Presse". "Ich glaube nicht, dass Erdogan das nachhaltig riskiert." Zudem erinnerte Mayer daran, dass die Türkei trotz "der aufgeregten Diskussion um die Visafreiheit" noch immer demokratischer sei, als "einige" andere Länder, "deren Bürger trotzdem ohne Visum in die EU einreisen dürfen. Beispielsweise die Bürger zahlreicher arabischer Emirate."
EU-Experten reisen nach Ankara
Zuvor hatte sich auch der Vizepräsident der EU-Kommission zuversichtlich zum Verlauf der weiteren Gespräche mit Ankara geäußert. Er habe dazu mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu ein konstruktives Treffen gehabt, teilte Frans Timmermans am Freitag über Twitter mit. Man teile die gemeinsame Überzeugung, "die letzten verbleibenden Hindernisse für eine Visaliberalisierung zu beseitigen". Kommende Woche würden zu diesem Zweck EU-Experten nach Ankara reisen. Es werde darum gehen, einen Fahrplan hin zur Visafreiheit festzulegen, führten Vertreter des türkischen Außenministeriums aus.
Die Europäische Union will den Türken im Gegenzug für ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen die visumsfreie Einreise in die EU gestatten. Allerdings besteht die EU auch darauf, dass das Land 72 Bedingungen erfüllt. Dazu zählt eine Eingrenzung der breit gefassten türkischen Anti-Terror-Gesetze. Präsident Erdogan hat das vehement zurückgewiesen. Beobachter sehen deshalb das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei vom Scheitern bedroht.
Quelle: ntv.de, jug/dpa/rts