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Mehr als die K-Frage Für Merz beginnt das Jahr der Wahrheit

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Merz hat gute Karten Kanzlerkandidat zu werden, um nicht zu sagen, die besten. Aber ein Selbstläufer wird das nicht.

Merz hat gute Karten Kanzlerkandidat zu werden, um nicht zu sagen, die besten. Aber ein Selbstläufer wird das nicht.

(Foto: dpa)

Das neue Jahr wird für CDU-Chef Merz das wichtigste seiner Karriere. Spätestens im Herbst entscheidet sich die Frage nach der Kanzlerkandidatur. Im Hintergrund lauert weiterhin Söder. Doch tatsächlich geht es um viel mehr.

Wenn es in Berlin etwas gibt, was die Spatzen von den Dächern pfeifen, dann, dass Friedrich Merz Bundeskanzler werden möchte. Das sagt er zwar nicht öffentlich und er weicht den ständigen Fragen danach aus. Grundsätzlich ist aber jeder CDU-Vorsitzende qua Amt Anwärter auf die Kanzlerkandidatur. Er selbst schrieb in seiner jüngsten "Merz-Mail" sogar: "Wer in Deutschland in die Politik geht und einigermaßen begabt ist, der muss Bundeskanzler werden wollen." Das habe ihm Wolfgang Schäuble einmal gesagt, dessen Leben er in seinem wöchentlichen Newsletter würdigte. Davon, dass Merz sich für "einigermaßen begabt" hält, darf man ausgehen.

2024 wird für Merz das Jahr der Wahrheit. Die ersten zwei Jahre an der Spitze der CDU kann er als "So weit, so gut" abhaken. Jetzt geht es aber um alles, um seinen jahrzehntealten Ehrgeiz, ganz nach oben vorzustoßen. Im Spätsommer soll die Frage nach der Kanzlerkandidatur entschieden werden. Eigentlich läuft alles auf Merz hinaus: Er ist CDU-Chef und damit gesetzt. Im Trendbarometer von RTL und ntv kommt die Union in etwa auf so viele Stimmen wie SPD, Grüne und FDP zusammen. In Landtagswahlen feierte die Union ebenfalls Erfolge, zuletzt beispielsweise in Hessen. Merz' Beliebtheitswerte sind zwar schlecht, aber das sind die von Amtsinhaber Olaf Scholz auch. Ein Selbstläufer wird das Projekt Kanzleramt dennoch nicht.

Zunächst einmal sind da die Wahlen in diesem Jahr, die über das Merz-Momentum mitentscheiden werden. Auftakt ist im Februar die Nachwahl in Berlin, wo die Bundestagswahl von 2021 teilweise wiederholt werden muss. An den Verhältnissen im Bundestag wird sie nichts ändern, aber sie ist ein erster Stimmungstest. Kann die Union ihre guten Umfragewerte in Wahlergebnisse einlösen? Die Aussichten sind gut - schließlich wurde die CDU auch bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus vor einem Jahr schon stärkste Kraft.

Testfall Europawahl

Wichtiger ist die Europawahl im Juni. Es ist der einzige bundesweite Urnengang in diesem Jahr. Damit ist die Aussagekraft groß. Der Elefant im Raum ist dabei die AfD. Wie stark werden die Rechtspopulisten? Immerhin sind sie die eurokritischste Partei. Offiziell haben die Kandidaten zwar Kreide gefressen und fordern nicht mehr die Abwicklung der EU. Doch unter der Oberfläche gibt es noch immer viele, die mit ihr nichts anfangen können, wie beim Europaparteitag im vergangenen Sommer zu sehen war. Wie erfolgreich hält die CDU, nach eigenem Verständnis die Europa-Partei schlechthin, dagegen? Merz selbst sagte, entscheidend werde die Flüchtlingsfrage sein. Seine Analyse in Kurzform: Je stärker die Asylbewerberzahlen bis dahin sinken, desto besser. Man könnte hinzufügen: Desto besser auch für ihn.

Im September folgen die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Dort spielt die AfD auf Sieg und könnte Umfragen zufolge stärkste Kraft werden. In Thüringen würde sie die Linke übertrumpfen, in Brandenburg die SPD und in Sachsen die CDU. Dort gleicht der Kampf von Ministerpräsident Michael Kretschmer einer Gratwanderung. Seine Äußerungen sind manchmal nicht von AfD-Sprech zu unterscheiden. Redet er der Konkurrenz von rechts nach dem Mund? Oder holt er deren Sympathisanten ab? Verbreitert er gar das Wählerspektrum der demokratischen Parteien? Die Diskussion darüber läuft.

Die Wahlen in Ostdeutschland sind besonders wichtig für Merz, weil er einst angetreten war, Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Dabei holt ihn ständig seine alte Äußerung ein, er wolle die AfD halbieren. Heute sagt er, angesichts der aus seiner Sicht miserablen Ampel-Performance ginge das gar nicht. Er könnte insofern recht haben, als es nicht allein von der CDU abhängt, wie stark oder schwach der Zuspruch für die AfD ist. Zu der wechseln beileibe nicht nur CDU-Wähler. Auch SPD und Linkspartei verlieren Wähler an sie. Trotzdem machte es Merz' Attraktivität aus, das konservative Profil der CDU zu stärken und das hatte die Partei nach den Merkel-Jahren eigentlich auch im Osten wieder erfolgreicher machen sollen.

Risikofaktor: Merz

Für Merz sind diese drei Landtagswahlen also schicksalshaft - bei einem erfolgreichen Abschneiden winkt ihm der entscheidende Rückenwind für die K-Frage. Schlechte Wahlergebnisse in den Ländern fallen dagegen immer auch auf die Bundespartei zurück. Darin dürfte Markus Söder seine Chance sehen. Deswegen forderte er, dass erst nach diesen Wahlen über die Kandidatur entschieden wird. Merz dagegen wäre es lieber, wenn die Sache vorher geklärt würde. Darüber lieferten sich die beiden schon im vergangenen Sommer ein Fernscharmützel. Aus der Union ist aber zu hören, dass niemand mehr Lust auf einen großen Streit habe, wie es ihn noch zwischen Söder und Armin Laschet gegeben hatte.

Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat noch ein Eisen im Feuer. Er versucht sich als Mann der Mitte zu präsentieren, regiert in Düsseldorf mit den Grünen - die für Merz der "Hauptgegner in der Regierung" sind. Wüst setzt immer wieder mehr oder weniger deutliche Seitenhiebe gegen Merz. In einem vielbeachteten Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" sagte er, sein Platz sei "zurzeit" in Düsseldorf. Ende Dezember forderte er im "Spiegel" ein Mitspracherecht bei der Kanzlerkandidatur. Zuvor hatte der Merz-Adlatus und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sich in der "Welt" für den Bundesvorsitzenden als Kandidaten ausgesprochen. Nach einer Kandidatur von Wüst sieht es derzeit also nicht aus. Dazu müsste er sich zunächst einmal erklären.

Eigentlich stehen also alle Zeichen auf Merz. Bleibt noch der Risikofaktor namens Friedrich Merz. Der Sauerländer legt Wert darauf, nicht so kontrolliert zu sprechen wie beispielsweise Kanzler Scholz. Er will verstanden werden. Das gelingt ihm allerdings gelegentlich nicht so gut. Stichwort "Kleine Paschas", seine seltsame Formulierung, die CDU sei die wahre "Alternative für Deutschland" oder der unnötige Bierzeltspruch im Bayern-Wahlkampf, Kreuzberg sei nicht Deutschland. Bislang haben ihm solche Sprüche nicht geschadet. Eine Nummer härter war allerdings die Aufregung nach dem Sommerinterview im ZDF. Man müsse doch "gemeinsam mit der AfD gestalten", sagte er da über eine etwaige Zusammenarbeit mit der AfD. Wie er das gemeint haben wollte, mussten seine Getreuen anschließend aufwendig erklären. Und dass die "Brandmauer" noch stehe. Für den eigentlichen Wahlkampf bleibt das ein Risiko. Und dass vermeintliche Kleinigkeiten ganze Wahlkämpfe vernichten können, zeigte das Lachen Laschets im Flutgebiet. Der Weg ins Kanzleramt ist jedenfalls noch lang.

Quelle: ntv.de

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