RTL/ntv-Trendbarometer zu Asyl Große Mehrheit will nach Syrien und Afghanistan abschieben
29.08.2024, 16:21 Uhr Artikel anhören
Ausreisepflichtige so lange in Haft nehmen, bis der Abschiebeflug startet: Eine Mehrheit der Befragten ist dafür.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach dem IS-Anschlag in Solingen mit drei Toten diskutiert die Politik über Maßnahmen im Umgang mit Migration. Eine RTL/ntv-Umfrage zeigt: Eine große Mehrheit befürwortet eine härtere Gangart. Das gilt aber nicht für einen generellen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen.
Noch am Tag nach dem islamistisch motivierten Attentat eines Syrers auf das Stadtfest in Solingen reagierte CDU-Chef Friedrich Merz. Er forderte Konsequenzen von der Bundesregierung, traf sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz und brachte selbst die Erklärung einer "Notlage" ins Spiel. Dann müsste Deutschland laut dem Unionsfraktionsvorsitzenden vorerst überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Zu spät, zu wenig, lautet die Reaktion aus der AfD. Unrealistisches Wahlkampfgetöse, kritisieren SPD und Grüne. Und die Wähler? Im Auftrag von RTL und ntv hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa die Menschen nach ihrer Meinung zu den diskutierten Maßnahmen gefragt. Das Ergebnis ist in Teilen einhellig.
So gaben 87 Prozent der Befragten an, sie fänden es "angemessen und richtig", wenn kriminelle Syrer und Afghanen in ihre Heimatländer abgeschoben würden. Beide Staaten sind als Kriegsschauplätze eingestuft. Eine Abschiebung ist daher bislang nicht möglich, weil die Menschen dort von anhaltender Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bedroht sind. Sei es durch die Taliban in Afghanistan oder durch das Assad-Regime in Syrien. So lautet die politische Einschätzung, an die sich die Behörden halten müssen. Dass laut einer RTL-Recherche jede Woche Hunderte Afghanen mit Schutzstatus zum Urlaub nach Afghanistan reisen, hatte zuletzt in Teilen der Politik Zweifel an dieser Einstufung aufkommen lassen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte schon nach dem Messerattentat in Mannheim, bei dem ein Polizist getötet wurde, die Prüfung solcher Abschiebungen angekündigt. Das Verfahren läuft noch. Das Problem aus Sicht der Bundesregierung: Der syrische Diktator Baschar al-Assad will diese Menschen gar nicht zurücknehmen und wenn, doch nur um den Preis diplomatischer Anerkennung und der Aufhebung von Sanktionen. Das wäre ein hoher Preis, nach den massenhaften Menschenrechtsverletzungen im syrischen Bürgerkrieg. In Kabul müsste Berlin gar mit Taliban-Innenminister Siradschuddin Hakkani ins Gespräch kommen. Der Mann hinter dem Hakkani-Netzwerk ist für viele Terroranschläge verantwortlich und er würde einen Preis für die Rücknahme von Afghanen fordern.
Doch SPD und Grüne haben auch Druck aus dem eigenen Lager: 83 Prozent der SPD-Anhänger und immerhin 66 Prozent der Grünen-Anhänger sind für Abschiebungen auch in diese beiden Herkunftsstaaten. Anhänger von BSW und FDP sind zu 93 Prozent dafür. Unter den Anhängern von CDU und CSU sind es 89 Prozent und unter denen der AfD 100 Prozent.
Mehrheit für härtere Abschiebe-Regeln
Hohen Zuspruch genießt auch die Forderung, ausreisepflichtigen Ausländern keine Sozialleistungen mehr zu zahlen. 73 Prozent der Befragten sind dafür, im Osten sogar 77 Prozent. Viele Menschen können wegen der ablehnenden Haltung ihrer Herkunftsstaaten oder wegen unklarer Herkunft nicht abgeschoben werden. Wie eine Totalverweigerung jedweder Existenzsicherung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist offen. Mit einem Zuspruch von 95 und 97 Prozent ist die Zustimmung unter Anhängern von FDP und AfD bei dieser Frage am höchsten.
Der IS-Attentäter von Solingen hätte eigentlich nach Bulgarien zurückgeführt werden sollen. Das Land wäre nach den Dublin-Regeln für den Mann zuständig gewesen, weil er dort erstmals EU-Boden betreten hatte. Er hatte sich einer Rückführung aber entzogen. Ähnliches erleben Behörden und Bundespolizei auch oft im Fall von Abschiebungen.
71 Prozent der Befragten fänden es richtig, Betroffenen eine Abschiebung nicht mehr anzukündigen. Das Problem: Sie hätten damit auch keine Möglichkeit mehr, den Rechtsweg zum Widerspruch zu nutzen. Dabei haben Gerichte schon regelmäßig beschlossene Abschiebungen wieder einkassiert. Rechtlich schwierig ist auch der Vorschlag, ausreisepflichtige Personen die ganze Zeit bis zu ihrer Ausreise in Abschiebehaft nehmen zu können. 69 Prozent der Befragten finden das dennoch "angemessen und richtig".
Messerverbot ja, Aufnahmestopp nein
Die Bundesregierung wies nach dem Solingen-Attentat die Behauptung zurück, nach Mannheim untätig geblieben zu sein. Faeser bereitet eine Ausweitung von Verbotszonen für das Tragen von Messern vor. Wirkungslose "Schaufensterpolitik" sei das, monierte die Opposition. Tatsächlich ist fraglich, ob der Solingen-Attentäter damit aufgehalten worden wäre. Er war zudem bis zu jenem Tag unauffällig geblieben. Fürsprecher sagen jedoch, dass Waffenverbotszonen der Polizei die rechtliche Möglichkeit zu anlasslosen Kontrollen geben würden. Noch schärfere Maßnahmen wie ein weitgehendes Verbot, Messer zu tragen, halten 68 Prozent der Befragten für richtig.
Das Messerverbot findet bei Anhängern von FDP und AfD mit jeweils 53 Prozent am wenigsten Anklang. SPD-Sympathisanten sind zu 84 Prozent dafür.
Weniger eindeutig ist das Bild bei zwei weiteren diskutierten Maßnahmen. Die Wiedereinführung dauerhafter Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen befürwortet laut Forsa eine knappe Mehrheit von 53 Prozent. Überhaupt keine Menschen mehr aus Syrien und Afghanistan aufzunehmen, finden nur 45 Prozent richtig. 48 Prozent der Befragten lehnen einen so weitgehenden Schritt dagegen ab. Der Osten weicht hier stärker vom Gesamtdurchschnitt ab: 59 Prozent fordern dauerhafte Grenzkontrollen und 56 Prozent einen generellen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen.
Der Aufnahmestopp spaltet besonders stark. 9 Prozent der Grünen-Anhänger fänden ihn richtig und 96 Prozent der AfD -Anhänger. Auch die Anhänger von CDU/CSU sowie die des BSW sind mit 60 und 67 Prozent mehrheitlich dafür. Generell liegt die Zustimmung für alle abgefragten Maßnahmen bei den Unionswählern zwischen 60 und 98 Prozent. Friedrich Merz trifft so gesehen zumindest im eigenen Lager den richtigen Ton.
Quelle: ntv.de, shu