Kämpfe nahe Saporischschja IAEA-Chef über AKW-Besuch: "Alles gesehen"
02.09.2022, 21:53 Uhr
IAEA-Chef Rafael Grossi betonte erneut, dass er die Mission seiner Behörde als permanent ansehe.
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Die Sorge, dass das AKW Saporischschja durch Beschuss schwer beschädigt werden könnte, bleibt auch nach dem Besuch der IAEA. In der Nähe werden bereits weitere Kämpfe gemeldet. Wichtige Sicherheitselemente scheinen jedoch vorerst intakt, sagt IAEA-Chef Grossi nach der ersten Bestandsaufnahme.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat nach dem Besuch des ukrainischen Atomkraftwerks (AKW) Saporischschja ein teils positives Fazit gezogen. Zwar seien Schäden durch den Beschuss des Kraftwerks offenkundig und inakzeptabel, aber wichtige Sicherheitselemente wie die Stromversorgung des Kraftwerks funktionierten, sagte Grossi am Freitagabend nach der Rückkehr aus der Ukraine am Flughafen Wien.
Auch die Zusammenarbeit zwischen den russischen Besatzern und dem ukrainischen Personal klappe auf professioneller Ebene einigermaßen. Seine größte Sorge bleibe, dass das Atomkraftwerk durch weiteren Beschuss schwer beschädigt werden könnte. Er erwarte eine genaue Analyse der Sicherheit des Kraftwerks durch seine vor Ort verbliebenen Experten im Laufe der nächsten Woche, sagte Grossi.
Noch seien sechs IAEA-Experten beim Atomkraftwerk. Vier würden zurückkehren, zwei bis auf Weiteres vor Ort bleiben. Er habe nicht den Eindruck, dass die russischen Besatzer etwas verborgen haben. "Wir haben alles gesehen, was ich sehen wollte", sagte er. Ein entscheidender Unterschied zu vorher sei auch, dass er nun aus eigenen Quellen erfahre, was vor Ort passiere.
Der IAEA-Chef betonte erneut, dass er die Mission seiner Behörde als permanent ansehe. "Die IAEA ist da, um so lange wie nötig zu bleiben." Dazu gebe es aktuell die Zustimmung der Ukraine und Russlands. Dass sich die Dinge ändern könnten, sei ihm klar. Am meisten sorge ihn derzeit, dass das Kriegsgeschehen rund um das Kraftwerk an Intensität zunehme, sagte Grossi. Das größte Atomkraftwerk Europas ist schon wenige Wochen nach Kriegsbeginn von russischen Truppen besetzt worden. Die internationale Gemeinschaft ist in großer Sorge, dass Kriegshandlungen zu einem Atomunfall führen könnten.
Ukraine beschießt russische Artilleriepositionen
Wie ernst die Lage ist, wurde am Freitag erneut deutlich. Die Ukraine beschoss nach eigenen Angaben unweit des besetzten Atomkraftwerks Saporischschja russische Artilleriepositionen. "Bestätigt ist, dass unsere Truppen im Bereich der Ortschaften Cherson und Enerhodar drei Artilleriesysteme des Gegners mit präzisen Schlägen vernichtet haben", hieß es im Bericht des ukrainischen Generalstabs bei Facebook. Ebenfalls seien ein Munitionslager und mindestens eine Kompanie der russischen Armee vernichtet worden.
Den Angaben nach haben die russischen Besatzer vor dem Eintreffen der Expertengruppe der Internationalen Atomenergiebehörde alle Militärtechnik vom Gelände des AKW entfernt. Diese sei in die benachbarten Orte verlegt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Russland hatte stets behauptet, auf dem Gelände des Kernkraftwerks keine schweren Waffen stationiert zu haben.
Russland und die Ukraine lasten sich immer wieder gegenseitig Artilleriebeschuss an. Das AKW ist mit seinen sechs Blöcken und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt das größte Atomkraftwerk Europas. Vor der Ende Februar gestarteten russischen Invasion arbeiteten mehr als 10.000 Menschen in dem AKW.
Quelle: ntv.de, hek/dpa