Laschet bei "Klartext" im ZDF "Da haben wir ein Problem"
10.09.2021, 03:16 Uhr
Zuschauer konnten den Eindruck gewinnen, dass Armin Laschet die Wahl schon verloren gegeben hat.
(Foto: dpa)
In ARD und ZDF hatten die drei Kanzlerkandidaten in dieser Woche die Möglichkeit, mit Zuschauern ins Gespräch zu kommen. Am Donnerstagabend war Unionskandidat Armin Laschet dran. Die Möglichkeit, im Kampf ums Kanzleramt Punkte zu sammeln, nutzte er selten.
Donnerstagabend, 20.15 Uhr. Mitten in Berlin versammelt das ZDF 70 Zuschauer, eine Moderatorin, einen Moderator und einen Armin Laschet. Der Kanzlerkandidat der Union ist da, um Fragen der Zuschauer zu beantworten. Zu erwarten ist eine spannende Sendung, denn immerhin liegen die Unionsparteien in der Wählergunst nach letzten Umfragen klar hinter der SPD auf dem zweiten Platz. Hatte sich am Montag in der ARD die Grüne Annalena Baerbock kämpferisch gezeigt, so hatte am Dienstag Olaf Scholz den ruhigen, besonnenen Staatsmann gegeben. Wer nun erwartete, Laschet würde sich als aggressiver Kämpfer zeigen wie beim ersten Triell bei RTL und ntv, der hatte sich getäuscht.
Laschet spielt auf der Klaviatur der Gefühle, wirkt hier und da sogar verständnisvoll. Doch es hapert mit der Glaubwürdigkeit. Die beiden Sätze, die Laschet am häufigsten sagt, sind: "Da müssen wir was ändern" und "Da haben wir ein Problem". Hinzu kommt: Laschet wirkt manchmal sogar genervt, zum Beispiel als er den ersten Zuschauer, der ihm ins Wort zu fallen wagt, anraunzt: "Jetzt passen Sie mal auf!"
Die Wissenslücken des Armin Laschet
Da hatte ein Zuschauer aus dem Ahrtal gefragt, warum er Laschet denn glauben solle, dass der es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meine. Der Klimawandel sei der Union schon seit 30 Jahren bewusst gewesen, sagt Laschet - und verweist auf den früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Dieser hatte sich allerdings in den letzten Jahren immer wieder kritisch zur Umweltpolitik seiner Partei geäußert.
Doch auch Laschet ist nicht mit allem einverstanden, was die Union in den letzten Jahren geleistet hat. "Wir hätten erst aus der Kohle aussteigen müssen, dann aus der Kernenergie", sagt er im ZDF. Am Kohleausstieg im Jahr 2038 hält er fest und betont den Erfolg von Nordrhein-Westfalen: "Wir sparen so viel CO2 ein wie keiner sonst", sagt er. Der Zuschauer verweist auf die Abholzung des Hambacher Forsts. Und da verliert Laschet zum ersten Mal seine Ruhe: "Aber der steht doch noch!" Dann lenkt er ein: "Jedenfalls 200 Quadratmeter." Das glaubt der Kandidat. Er sagt das nicht nur einmal. Aber so viel Ärger um ein Waldstück von der Größe einer Fünfzimmerwohnung? Die Lösung ist einfach: Gleich in der ersten Antwort ist Laschet ein kolossaler Fehler unterlaufen - er verwechselt Quadratmeter und Hektar. Ein Hektar sind zehntausend Quadratmeter.
Vergesslichkeit bei der Schulbildung ist schon peinlich. Doch das ist lange nicht der einzige Streich, den Laschet sein Erinnerungsvermögen spielt. Da ist zum Beispiel die Zuschauerin, die mit einer Frau verheiratet ist. Die beiden haben ein Kind, doch nur eine der Eheleute wird als Elternteil anerkannt. Wie die Union gleichgeschlechtliche Ehen unterstützen wolle, will sie wissen. So richtig weiß Laschet nicht, wie er der Frau helfen soll. Das sei eine Frage des Adoptionsrechts, findet er. Die Frau, eine Juristin, kann das nicht verstehen, und Laschet erklärt, das hänge ja alles irgendwie zusammen. Hätte er mitgestimmt, als im Bundestag die Ehe für alle beschlossen wurde, dann hätte er jedenfalls zugestimmt, behauptet Laschet dann. Doch das ist falsch. Am 7. Juli 2017 hatte Laschet in einem "Spiegel"-Interview die Verfassungsmäßigkeit des entsprechenden Gesetzes angezweifelt und wörtlich gesagt: "Dem Antrag der SPD hätte ich wie Merkel nicht zugestimmt." Das war eine Woche nach der Abstimmung im Bundestag, bei der sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen die "Ehe für alle" ausgesprochen hatte.
Der Lacher des Armin Laschet
Selbstverständlich wird Laschet auch auf die Trauerfeier für die Opfer der Hochwasserkatastrophe angesprochen - und auf seinen Lacher während der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er habe zu weit weg gestanden, den Bundespräsidenten gar nicht gehört. "Der Lacher ärgert mich, das war unmöglich, aber ich kann es nicht ungeschehen machen." Thema erledigt. Eine Zuschauerin verweist darauf, dass Hilfsgelder zu lange brauchen, bis sie bei den Opfern sind. Sie solle sich an die Hotline wenden, meint Laschet. Und die Menschen in den Hochwassergebieten fordert er auf, schnell mit dem Wiederaufbau loszulegen. "Jetzt. Sie können jetzt anfangen." Für die Zukunft wünscht er sich ein neues Planungsrecht. Ob Menschen, die ihre Häuser verloren haben, wieder in einem vom Hochwasser gefährdeten Gebiet bauen wollen, scheint ihm egal. "Jeder soll selbst entscheiden, ob Häuser an der alten Stelle wieder aufgebaut werden", sagt Laschet wörtlich.
Die peinlichen Momente des Armin Laschet
Unkonkret bleibt Laschet bei der Frage eines Bundespolizisten, wie sich seine Kollegen gegen Hass und Gewalt von Bürgern schützen sollen. Die Politik müsse sich hinter die Polizisten stellen und sie besser ausrüsten. "Wir müssen die Ausrüstung bezahlen, die Sie brauchen." Dafür müsse die Politik Geld in die Hand nehmen, so Laschet. Die Moderatorin fragt: "Wie viel?" Laschet antwortet: "Die Bundespolizei ist gut ausgerüstet."
Und dann spricht Mohammed Hassan. Er war Ortshelfer in Afghanistan und lebt seit 2013 in Deutschland. Doch seine Familie ist noch in Afghanistan. Jetzt ist sie bedroht. Seinetwegen. Mohammed Hassan fragt, wer den Menschen in Afghanistan helfen könne. Es müsse eine reguläre "Rückholung" der Ortskräfte möglich sein, die Taliban müssten ihnen freies Geleit geben, fordert Laschet. Um das zu erreichen, müsse man mit den Taliban reden. Und dann bietet er dem Fragesteller seine persönliche Hilfe an. Als Zuschauer atmet man auf, freut sich über das Happy End - und überhört dabei fast den Hinweis, Mohammed Hassan solle sich doch besser an die Ministerin wenden.
Und so geht es weiter. Einer verzweifelten Zuschauerin, die vergeblich eine Kurzzeitpflegeeinrichtung für ihren an Demenz und Alzheimer erkranken Mann sucht, erklärt Laschet, das in solchen Fällen die Pflegekasse helfen könne. Einem Exportunternehmer stimmt er zu, als der Bürokratieabbau fordert, und beantwortet die Frage, was er dafür tun könne mit den Worten: "Ich mache das, was ich machen kann."
Die Koalitionsaussagen des Armin Laschet
Konkret wird er bei der Frage, was nach der Wahl passiere. Er werde auf gar keinen Fall eine Koalition mit der AfD eingehen, antwortet er einem Zuschauer. "Wir tun alles, damit sie wieder verschwinden." Eine Neuauflage der Großen Koalition unter Führung der SPD lehnt er auch ab: "Ich will nicht als Juniorpartner in eine Koalition gehen." Und er ist immer noch optimistisch: "Jetzt tun wir alles dafür, dass wir als Erste ins Ziel gehen."
Dafür hat Laschet noch einige Chancen bei weiteren Fernsehauftritten. Sein Auftritt im ZDF war jedenfalls eher mäßig. Laschet nutzte die Chancen kaum, über seine Pläne zu sprechen, falls er Kanzler würde. In seinen Antworten blieb er vage. Den Eindruck eines Kämpfers, der sich für die Belange der Menschen einsetzt, hinterließ Laschet nicht. Stattdessen wirkte er wie jemand, der die Wahl verloren gegeben hat, aber noch irgendwie über die Runden kommen muss.
Quelle: ntv.de