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Der alte Mann und das Weiße Haus Bidens beste Chance ist Trump

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Joe Biden, im Rosengarten des Weißen Hauses

Joe Biden, im Rosengarten des Weißen Hauses

(Foto: AP)

Der älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten will weitere vier Jahre regieren. Seine Chancen sind wackelig. Sie basieren vor allem darauf, dass sein Vorgänger wieder antritt.

Joe Biden ist alt. So alt, dass jederzeit die verschiedensten Geschichten über ihn aus der Schublade gekramt werden können. Es gibt die über den Freund der Gewerkschaften, der Arbeiter und Afroamerikaner. Es gibt welche über Knallhart-Joe, der gegen Drogen und Straßenkriminalität vorging, damit aber dieselben Gruppen benachteiligte. Dann gibt es Anekdoten über den Familienvater, der sich nicht korrumpieren lassen wollte - es aber in manchen Fällen nicht so genau nahm. Und Episoden über den großen Vermittler, der im Kongress immer wieder die unterschiedlichsten Positionen zusammenbrachte, aber die eigenen Mitarbeiter schlecht behandelte.

Und schließlich sind da noch die Geschichten über den Präsidenten Joe Biden. Sie sollen seiner Ansicht nach weitergehen - er hat verkündet, für weitere vier Jahre im Weißen Haus bleiben zu wollen. An sich ist der Wunsch nicht ungewöhnlich, er erfüllte sich bei seinen Vorgängern aber nicht immer: George Bush etwa verlor 1992 nach einer Amtszeit gegen den Demokraten Bill Clinton, Donald Trump verlor nach vier chaotischen Jahren 2020 gegen Joe Biden. Die Frage, die sich stellt und immer wieder gestellt wird, ist: Womit will Biden im kommenden Jahr gewinnen?

Auch wenn Biden richtigerweise selbstironisch von sich sagt, er sei schon immer jemand gewesen, dem sprachliche Fauxpas unterlaufen: Es dürften mit fortschreitendem Alter nicht weniger werden. Dies ist eine der Hauptsorgen der Demokraten. Biden wäre bei seinem nächsten Amtsantritt 82 Jahre alt. Mit einem Sieg würde er einen von ihm selbst aufgestellten Rekord übertreffen: Schon jetzt ist er der älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Es hat lange gedauert, bis die US-Amerikaner ihn als beste Option sahen.

Zwei frühere Versuche Bidens, Präsident zu werden, scheiterten jäh. Jahrzehntelang saß er als Senator des Bundesstaats Delaware im Kongress. Dann wurde er Vizepräsident von Barack Obama. Sein Alter und seine Erfahrung waren im politischen Washington plötzlich ein Trumpf, als Donald Trump im Weißen Haus saß. Eine Mehrheit der Wähler in den USA, ermüdet von vier Jahren Mediendauerfeuer und gefühlter Krise, wollten nun den normalen Joe. Aus langweilig wurde unaufgeregt, aus risikoscheu wurde verlässlich.

Wacklige Kandidatur

Es ist wenig wahrscheinlich, aber theoretisch könnte ein anderer Demokrat ihm die Kandidatur noch streitig machen. Geschieht das nicht, werden die Vereinigten Staaten im kommenden Jahr erneut entscheiden, ob ihnen "sie kennen mich" genügt. Für Wähler hat Bidens Biografie viele Anknüpfungspunkte. Er gehört zwar zum politischen Establishment, ist aber auch der Sohn eines Autohändlers aus der Mittelschicht, der es bis ganz nach oben ins Weiße Haus geschafft hat. Dort hat er, auch das ist Teil der Geschichte, eine etwas überraschende Wandlung durchgemacht und sowohl den progressiven Flügel der Partei eingehegt als auch so manchen moderaten Republikaner umgarnt.

Der Demokrat hat wichtige Gesetzesprojekte durch den Kongress gebracht, das große Covid-Hilfspaket etwa. Er hat mit den Republikanern das Infrastrukturpaket ausverhandelt und den Wirtschaftsumbau zu Erneuerbaren Energien angeschoben. Biden gilt bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung als jemand, der nach seinen Überzeugungen handelt und sie halten ihn auch für einen besseren Politiker als die im Kongress. Und er hat bei den Zwischenwahlen ein hervorragendes Ergebnis eingefahren, was auch daran lag, dass sich die US-Amerikaner nicht von Konservativen vorschreiben lassen wollen, ob sie abtreiben dürfen oder nicht.

Trotzdem sind die Chancen für Bidens Wiederwahl fragil. Das hat unter anderem mit den hohen Lebenshaltungskosten zu tun. Mehr als 70 Prozent der US-Amerikaner sind "sehr besorgt" über die Preise bei Lebensmitteln, mehr als 60 Prozent über Wohnkosten. Zugleich ist die Stimmung im Land gekippt. Die Mehrheit glaubt inzwischen, dass die Vereinigten Staaten mit ihren Problemen nicht mehr fertig werden, unter den Anhängern der Demokraten sogar mehr als unter denen der Republikaner. Im vergangenen Jahr war es noch umgekehrt.

Zahlen aus der Vergangenheit zeigen: Will Biden die Wahl gewinnen, sollten seine eigenen Umfragewerte auf keinen Fall noch schlechter werden, als sie es derzeit sind. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die US-Amerikaner keinen Präsidenten wiedergewählt, der im Juni des Wahljahres beim Meinungsforschungsinstitut Gallup eine Zustimmungsrate von unter 40 Prozent aufwies. Biden liegt seit August 2021 nur knapp darüber, einmal rutschte er sogar unter die magische Grenze. Gerald Ford scheiterte 1976 sogar mit 45 Prozent vorheriger Zustimmung.

Hoffen auf Trump

Und dann ist da die Sache mit dem Gegenspieler aus dem republikanischen Lager, Bidens politische Achillesferse. Trotz aller Vorschlusslorbeeren für den möglichen Bewerber Ron DeSantis, Gouverneur aus Florida, ist in Umfragen weiterhin Trump der Favorit der Konservativen. Für die Demokraten ist das beruhigend, denn nicht so sehr die Aussicht darauf, Biden im Weißen Haus zu sehen, hatte die Wähler 2020 an die Urnen getrieben. Sondern die Hoffnung, endlich Trump loszuwerden.

Derzeit geht aus Sicht der Demokraten alles seinen Gang in Richtung zweite Amtszeit. Doch sollten die Republikaner nicht Trump, sondern einen anderen, womöglich jüngeren und dynamischeren Kandidaten küren, könnte im Lager der Demokraten hektisches Treiben ausbrechen. Ungewöhnlich wäre das nicht. In der Vergangenheit nahmen US-Wahlkämpfe häufig unerwartete Wendungen, von jüngeren Kandidaten erzwungen. So wie 2008, als Biden scheiterte und Barack Obama die Präsidentschaft gewann.

Die Zeit wäre günstig für einen Mister X, der den alternden Biden vertreibt. Mehr als 60 Prozent der Wähler sagten Ende vergangenen Jahres, sie würden weder Biden noch Trump als Kandidaten sehen wollen. Demnach hätten sie gerne einen Mann im Alter zwischen 51 und 65 Jahre, etwa ein Gouverneur mit Durchsetzungsvermögen und militärischer Erfahrung. Solide Chancen hat Biden nur, wenn auch die Republikaner diese Hoffnung enttäuschen.

Quelle: ntv.de

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