Konzertierte Aktion ausgesetzt Kanzleramt hält Inflationskrise für überwunden
27.02.2023, 14:05 Uhr
Dulger, Scholz und Fahimi beim zweiten Treffen zur Konzertierten Aktion im September.
(Foto: picture alliance/dpa)
Als die Energiepreise in die Höhe schießen und ebenso die Verbraucherpreise, ruft Olaf Scholz die Konzertierte Aktion aus. Neun Monate später läuft die Runde leise aus. Das Kanzleramt hält das Schlimmste für überstanden. Die Trauer bei den Gewerkschaften hält sich offenbar in Grenzen.
Eine der am meist genutzten Vokabeln von Olaf Scholz war im vergangenen Jahr das Verb "unterhaken". Seit' an Seit' und fest zusammenstehend sollte Deutschland durch die Energiepreis- und Inflationskrise schreiten, meinte der Bundeskanzler. Er wollte das Unterhaken selbst orchestrieren und rief mit viel Tamtam die "Konzertierte Aktion" ins Leben. Anfang Juli kamen im Kanzleramt eigens Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), und Rainer Dulger, Präsident des Bundesverbands Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sowie weitere Vertreter von Gewerkschaften und Wirtschaft zusammen. Hernach sagte Scholz vor Journalisten: "Wir als Land werden nur dann gut durch diese Krise kommen, wenn wir uns unterhaken und wenn wir uns gemeinsam auf Lösungen einigen." Aus Sicht der Bundesregierung hat das geklappt: Sie hat die Konzertierte Aktion ausgesetzt.
In der Bundespresskonferenz bestätigte ein Regierungssprecher einen Bericht des "Handelsblatts", demzufolge ein für den März angesetztes Treffen abgesagt worden sei. Deutschland sei mit der Energiepreishilfe, den Direktzahlungen sowie der steuerfreien Inflationsprämie gut durch Herbst und Winter gekommen. "Das sind gute Nachrichten, daher können wir die Konzertierte Aktion aussetzen", sagte Wolfgang Büchner in Abwesenheit von Scholz' Sprecher Steffen Hebestreit. Hebestreit und sein Chef waren zu dem Zeitpunkt noch auf dem Rückflug aus Indien.
Nicht alle Probleme gelöst
Büchner schloss nicht aus, dass die Konzertierte Aktion reaktiviert wird, sollte es die Lage erfordern. Sie sei aber gedacht gewesen, um die Folgen der "extremen Ausschläge" der Inflation abzufedern. Das sei gelungen. Im Herbst hatte die Teuerungsrate zwischenzeitlich bei mehr als 10 Prozent gelegen. Ins Leben gerufen wurde die Konzertierte Aktion, nachdem die Inflation im Juni bei 7,6 Prozent gelegen hatte. Für das laufende Jahr erwartet das Bundesfinanzministerium 6 Prozent Inflation. 2024 soll die Teuerung demnach weiter abflachen.
Büchner zufolge ist dem Bundeskanzleramt klar, dass nicht alle Probleme gelöst sind. "Es braucht natürlich weiterhin ein gute Wirtschafts- und Finanzpolitik, damit die Inflation weiter sinkt." Aber: "Wir sind gut durch diesen Winter gekommen und wir sind gut in dieses Jahr gestartet, daher sehen wir die Situation so, dass man diese Maßnahmen aussetzen kann." Insgesamt fanden drei Treffen mit den Spitzenvertretern der Sozialpartner statt.
Verdi-Chef: Zielbestimmung ohnehin unklar
Wesentliches Ergebnis der Konzertierten Aktion war, dass die Arbeitgeber ihren Angestellten bis zu 3000 Euro auszahlen konnten und können, ohne dass diese Inflationsprämie durch Steuern oder Sozialabgaben gemindert wird. Viele Arbeitgeber haben seit dem 26. Oktober davon Gebrauch gemacht, aber längst nicht alle. Auch die Höhe der Prämien variiert stark. Eine Übersicht, wie viel die Unternehmen ihren Mitarbeitern ausgezahlt haben, liegt nicht vor. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter waren zudem in die Erarbeitung der Energiepreisbremse involviert.
Unklar ist, ob die beteiligten Verbände vor Absage des März-Treffens kontaktiert oder sie nur über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurden. "Ich glaube, das ist in Sicherheit im Einklang mit den Sozialpartnern geschehen", sagte Büchner. Dem "Handelsblatt" sagte Verdi-Chef Frank Werneke: Eine klare Zielbestimmung sei bei der Konzertierten Aktion nur schwer erkennbar gewesen, er begrüße daher deren Aussetzung. "Das Kanzleramt ist auf jeden Fall nicht der passende Ort für Tarifverhandlungen - auch nicht im erweiterten Sinne." Eine Reaktion des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) steht noch aus.
Quelle: ntv.de, shu