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"Lage bleibt ja recht dynamisch" Krisenstab der Bundesregierung tagt

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(Foto: AP)

Das Chaos in Russland beschäftigt inzwischen den Krisenstab des Auswärtigen Amtes. Auch Kanzler Scholz lässt sich "laufend informieren". Für Verteidigungsminister Pistorius lassen sich mögliche Konsequenzen für den Ukraine-Krieg derzeit "kaum absehen".

Angesichts der Lage in Russland ist der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt zusammengekommen. Das Gremium tage "zur Stunde" unter Leitung von Außen-Staatssekretär Andreas Michaelis, teilte das Ministerium mit. Außenministerin Annalena Baerbock habe zudem "gerade mit den Außenministerinnen und Außenministern der G7 über die Lage beraten".

Das Außenministerium bekräftigte, die Bundesregierung beobachte "die Entwicklungen in Russland aufmerksam". Es verwies darauf, dass am Vormittag bereits die Reise- und Sicherheitshinweise für Russland angepasst worden seien.

Das Auswärtige Amt rät dabei von Reisen in das Stadtzentrum von Moskau sowie in bestimmte Gebiete Russlands ab. "Vor Reisen in die an die Ukraine grenzenden Verwaltungsgebiete (Belgorod, Kursk, Brjansk, Woronesch, Rostow, Krasnodar) wird gewarnt. Aufgrund aktueller Ereignisse sollten die genannten Verwaltungsgebiete und insbesondere die Stadt Rostow sowie Umland gemieden werden", heißt es. In Moskau sollten insbesondere militärische Einrichtungen weiträumig umgangen und das Stadtzentrum gemieden werden. "Den Anweisungen russischer Sicherheitsbehörden sollte unbedingt Folge geleistet werden", heißt es weiter.

"Die Lage ist komplett unübersichtlich", sagte FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann RTL und ntv. "Dass sich aber die Wagner-Gruppe von der ukrainischen Grenze zurückzieht und Russland diese wiederum im eigenen Land bombardiert, birgt eine große Chance für die Ukraine", fügte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag hinzu. Die Tatsache, dass Wladimir Putin sich mit den Präsidenten von Belarus, Usbekistan und Kasachstan sofort kurzgeschlossen hat, zeige die große Nervosität im Kreml. "Wie immer auch dieser innerrussische Kampf ausgeht, Putin hat sich bisher nicht nur an der Ukraine die Zähne ausgebissen, er hat sich am zu großen gierigen Bissen verschluckt", so Strack-Zimmermann.

Scholz bleibt auf dem Laufenden

Bundeskanzler Olaf Scholz lässt sich nach Angaben eines Regierungssprechers über die Entwicklung in Russland infolge des Aufstands der Söldnertruppe Wagner "laufend informieren". "Die Lage bleibt ja recht dynamisch. Insofern beobachten wir das sehr genau und koordinieren uns auch mit unseren engsten Verbündeten", sagte der Sprecher in Berlin. Ein Statement des Kanzlers ist derzeit nicht geplant.

Aus Sicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius lassen sich mögliche Konsequenzen des bewaffneten Aufstands der Söldnerarmee Wagner in Russland für den Ukraine-Krieg derzeit kaum absehen. "Das lässt sich schwer abschätzen, zumal wir nicht wissen, wie instabil Russland werden wird und wer am Ende die Oberhand behält und wer sich mit wem zusammentut", sagte der SPD-Politiker am Rande eines Parteitags der niedersächsischen Sozialdemokraten in Aurich. Es sei zu früh für eine Bewertung, sagte Pistorius. "Wenn man das jetzt täte, würde man den offenen Blick eintrüben für das, was tatsächlich passiert."

Auf eine Frage nach den Möglichkeiten Deutschlands antwortete der Minister: "In dieser Situation gibt es für uns keine Handlungsoptionen. Es ist ein innenpolitischer Konflikt in Russland. Ob der sich zu einem Machtkampf entwickelt, das können wir noch nicht sagen. Wir sind Beobachter. Wir beobachten genauso wie alle anderen Verbündeten sehr aufmerksam und behalten unser Augenmerk ansonsten auf die Unterstützung der Ukraine."

Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann schrieb auf Twitter, es sei "sehr interessant", dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Lage "mit 1917" verglichen habe, dem "Vorabend der Revolution" in Russland. Tatsächlich betonte der Kreml-Chef in einer Ansprache mit Blick auf die Zeit des Ersten Weltkriegs, er werde einen Bürgerkrieg in Russland nicht zulassen.

Auch die EU verfolge die Entwicklung der Lage "genau", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter. Er stand demnach mit den europäischen Staats- und Regierungschefs in Kontakt und auch den G7-Partnerländern, zu denen die USA, Kanada und Japan gehören. Frankreich, Italien und Großbritannien teilten gleichfalls explizit mit, dass sie die Lage in Russland ständig verfolgten. Rom rief seine Staatsbürger in Russland auf, "vorsichtig" zu sein.

Hardt: "In jedem Fall schwächt es Russland im Kampf gegen die Ukraine"

Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse ist eine Einschätzung der Lage in Russland und der Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg schwierig. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sagte im Deutschlandfunk, er halte "in den nächsten Wochen und Monaten in Russland alles für möglich - leider eben auch blutige innere Kämpfe".

"In jedem Fall schwächt es Russland im Kampf gegen die Ukraine", zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt. "Diese Söldner-Truppen sind ja jetzt nicht mehr im Einsatz gegen die ukrainischen Streitkräfte, sondern sie sind sozusagen aus ukrainischer Sicht neutralisiert." Komme es zum offenen Konflikt zwischen russischem Militär und Wagner-Söldnern, würden auch reguläre russische Kräfte durch den Aufstand gebunden und könnten nicht in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth von der SPD, sprach auf Twitter von einer "Demütigung Putins" vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Er könne nicht sagen, "ob das russische Verbrecherregime ernsthaft wankt". Aber in einer "knallharten Diktatur" komme es "einem Super-GAU gleich, wenn jemand die Macht des absoluten Herrschers infrage stellt".

Am Freitagabend war der seit Langem schwelende Machtkampf zwischen dem russischen Söldnerführer Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung eskaliert. Kämpfer von Prigoschins Söldnertruppe Wagner marschierten von der Ukraine aus nach Russland ein und übernahmen am Samstag nach eigenen Angaben die Kontrolle über Militäreinrichtungen im südrussischen Rostow. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte den Aufstand der Wagner-Söldner eine "tödliche Bedrohung" und kündigte an, sie würden als "Verräter" bestraft.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts

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