Politik

Widerstand gegen Macron-Reform Landesweite Rentenstreiks lähmen Frankreich

"Brutal und ungerecht": Franzosen gehen landesweit gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf die Straße.

"Brutal und ungerecht": Franzosen gehen landesweit gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf die Straße.

(Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP)

Das Rentensystem in Frankreich gilt als eines der großzügigsten und teuersten weltweit. Gegen Macrons Reform des Eintrittsalters von 62 auf 64 Jahre rufen die Gewerkschaften zu Streiks und Großdemos auf. Wie viel Groll die Bürger am Ende antreibt, ist noch offen.

In Frankreich haben branchenübergreifende Streiks und Proteste gegen die geplante Rentenreform der Mitte-Regierung begonnen. Am Vormittag versammelten sich etwa in Nizza, Marseille und Toulouse Demonstrationszüge, wie auf Videos zu sehen war. Bilder zeigten leere Bahnsteige in Paris, Medien berichteten von Protestaktionen an Gymnasien. Berichten zufolge beteiligten sich in den Raffinerien von Totalenergies zwischen 70 und 100 Prozent der Belegschaft an dem Streik. Auch soll die Stromproduktion heruntergefahren worden sein. An den Pariser Flughäfen fielen Flüge aus. Die Generaldirektion der Zivilen Luftfahrt hatte die Airlines gebeten, einen von fünf Flügen am Flughafen Paris-Orly am Streiktag zu streichen. Auch der Zugverkehr war erheblich eingeschränkt.

Die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron will das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Durchschnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet auch länger. Mit 67 Jahren gilt unabhängig von der Einzahldauer voller Rentenanspruch - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.

Gewerkschaften kritisieren das Vorhaben als brutal und ungerecht. Massive Kritik kommt auch von der französischen Linken und den Rechtsnationalen. Die Regierung verteidigt ihre Pläne damit, dass sie die Rente zukunftssicher machen wolle. "Diese Reform ist nötig und fair", sagte Arbeitsminister Olivier Dussopt im Fernsehsender LCI. Die Gewerkschaften argumentieren, dass es andere Möglichkeiten gebe, beispielsweise Super-Reiche stärker zur Kasse zu bitten oder die Arbeitgeberbeiträge anzuheben.

Wie groß ist der Groll der Franzosen?

Der Rückhalt in der Bevölkerung für die Protestwelle ist groß: In einer Umfrage nach Bekanntgabe der Reformpläne durch Ministerpräsidentin Elisabeth Borne hielt ein Großteil der Befragten Streiks als Protestmittel für angebracht. In Frankreich gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche der Regierung, das Rentensystem zu reformieren - es ist eines der großzügigsten und teuersten in Europa. Ob die Gewerkschaften genügend Arbeitnehmer mobilisieren können, um das Vorzeigeprojekt Macrons zu kippen, ist laut Experten allerdings eine offene Frage: "Was niemand wissen kann, und nicht einmal die Gewerkschaften wissen, ist, ob der Groll der Franzosen groß genug ist, um das Land zu blockieren", sagte der Politologie-Professor Bruno Palier von der Pariser Hochschule Sciences Po.

Schützenhilfe bekamen die französischen Gewerkschaften auch aus Deutschland. "Die Pläne der Regierung von Emmanuel Macron sind bedrohlich für die Menschen in Frankreich", sagte Verdi-Chef Frank Werneke. "Wer die Diskussion um die Anpassung der Altersrenten auf rein demografische Fragen verengt, untergräbt das Umlagesystem, stellt die Sicherheit der Renten infrage und weicht der überfälligen Verteilungsdebatte aus", betonte Werneke.

In Deutschland ist das Renteneintrittsalter schon jetzt höher. Bis 2029 soll es schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben werden. Für jene, die 1964 aufwärts geboren wurden, gilt künftig eine Regelaltersgrenze von 67 Jahren. Verdi-Chef Werneke sagte: "Ob in Frankreich oder Deutschland: Die Sicherheit der Alterssicherungssysteme ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der endlich auch die starken Schultern einen angemessenen Beitrag leisten müssen."

Quelle: ntv.de, mau/dpa/rts

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