Mächtigstes Bündnis der Welt So sieht die NATO in Zahlen aus
09.07.2024, 19:06 Uhr Artikel anhören
"Freie Nationen müssen stark sein, wenn sie frei bleiben wollen", sagte US-Präsident Harry S. Truman zur Gründung der NATO 1949.
(Foto: dpa)
In einer Welt, in der aggressive Nachbarn Angriffskriege führen, verspricht eine Gemeinschaft Schutz und Sicherheit: Unter dem Dach der NATO treten 32 Staaten gemeinsam für Freiheit und friedliche Konfliktlösung ein. Ist die Atlantische Allianz stark genug für Trump?
75 Jahren nach der Gründung der North Atlantic Treaty Organization (NATO) können es selbst die schärfsten Kritiker nicht bestreiten: Das Konzept funktioniert. Der multi-milliardenschwere Aufwand mit Investitionen in teure Waffensysteme, militärische Infrastruktur, regelmäßige Manöver und kostspieliges Fachpersonal erfüllt den beabsichtigten Zweck. Noch nie hat es irgendein Staat gewagt, ein Land der westlichen Verteidigungsgemeinschaft mit Waffengewalt zu bedrohen oder gar offen militärisch anzugreifen.
Die NATO bietet Schutz und Sicherheit. In den vergangenen Jahren ist die Atlantische Allianz rund um die Gründungsmitglieder USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien, Belgien, Niederlande, Dänemark, Norwegen, Portugal, Luxemburg und Island stetig weiter gewachsen. Deutschland ist seit 1955 dabei, Spanien seit 1982. Tschechien, Ungarn und Polen traten 1999 bei, die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland schlossen sich 2004 dem Bündnis an.
Mittlerweile setzt sich die NATO aus 32 Mitgliedsstaaten zusammen. Die jüngsten NATO-Mitglieder sind Finnland (2023) und Schweden (2024). Beide Staaten waren zuvor neutral. Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges in der Ukraine passten sie jedoch ihre jahrzehntealte außenpolitische Haltung an und sichten schließlich doch den Rückhalt einer gemeinsamen Verteidigung westlicher Staaten.
Mit Abstand stärkstes Mitglied sind die Vereinigten Staaten. Aus dem US-Staatshaushalt flossen zuletzt kaum vorstellbare 860 Milliarden Dollar in die Verteidigung. Im Vergleichsjahr 2023 zum Beispiel gaben die USA mehr Geld für die Verteidigung aus als alle übrigen NATO-Staaten zusammen.
Die Summe der Verteidigungsausgaben setzt sich in der Berechnung nach NATO-Standard aus verschiedenen Komponenten zusammen und umfasst weit mehr als nur Ausgaben für Munition, Panzer und Flugzeugträger. Enthalten sind im Militärbudget zum Beispiel auch einfache Betriebsausgaben für Sprit, Heizkosten in Hangars und die Instandhaltung von Kasernen.
In nicht geringem Umfang fließen auch Ausgaben für Sold und Pensionslasten in den Verteidigungsetat ein. Ein Staat, der die Bezüge seiner Soldaten erhöht, gibt in der Logik der NATO-Rechnung also mehr für das Militär aus, als ein Land, in dem der Sold unverändert bleibt. Die effektiven Ausgaben für Einsätze und Aufrüstung sind somit nur ein Teil der gesamten Verteidigungsausgaben.
In der politischen Debatte stehen Rüstungsausgaben dennoch voll im Rampenlicht: Wenn US-Politiker wie Donald Trump mit Blick auf die NATO auf das Zwei-Prozent-Ziel pochen, sind damit wohl vor allem Mehrausgaben für rüstungstechnische Großprojekte gemeint - aus Trumps Sicht idealerweise in Form von Bestellungen bei US-Rüstungsunternehmen.
Die NATO war und ist als Organisation schon immer mehr als ein reines Militärbündnis. Fest in den Verteidigungspakt eingebaut ist eine starke wirtschaftspolitische Komponente.
"Freie Nationen müssen stark sein, wenn sie frei bleiben wollen", fasste der damalige US-Präsident Harry S. Truman die Gründungsidee des Nordatlantikpakts im Jahr 1949 zusammen. Und: "Das gegenseitige Verteidigungsprogramm wird zum Wachstum der Stärke und der Sicherheit in all diesen Nationen beitragen."
Seitdem hat sich nicht nur die Welt, sondern auch die Ausrichtung der NATO verändert. Während es in der Ära des Kalten noch vor allem um die Abwehr kommunistischer Expansionsbestrebungen ging, rückte mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion der gemeinsame Einsatz für Frieden und Freiheit stärker in den Vordergrund. Die industriepolitische Wirkung militärischer Kooperationen wurde dabei immer mitbedacht.
Staaten, die sich der Allianz anschließen, bekennen sich zu den demokratischen Grundwerten, zur politischen Zusammenarbeit und zum gegenseitigen Schutz. "Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten", wie es in der Präambel des Nordatlantikvertrags heißt.
Artikel 5 im NATO-Vertrag regelt die Verpflichtung aller Mitglieder, sich im Fall einer militärischen Bedrohung beizustehen. Die NATO-Mitglieder "vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird", heißt es dort wörtlich - mit ausdrücklichem Hinweis auf das in der UN-Satzung anerkannte Recht einer kollektiven Selbstverteidigung. Diese Verpflichtung gilt bis heute - und ist offenkundig der Grund, warum weitere Staaten in Europa der NATO beitreten wollen.
Gemeinsam bilden die NATO-Staaten die mit Abstand stärkste Militärallianz der Menschheitsgeschichte: Das Bündnis könnte im Fall eines Angriffs mehr als drei Millionen Soldaten, Tausende Kampfpanzer, eine riesige multinationale Flotte, Unterseeboote und Hightech-Raketen aller Kaliber zum Einsatz bringen.
Die Soldaten mit ihren milliardenteure Waffen wären jedoch wirkungslos, wenn es unter dem nach Dach der NATO nicht aufeinander abgestimmten Kommandostrukturen gäbe samt Munitionsstandards, einheitliche Signale, Nachschubpläne und eine synchronisierte Rüstung. Jahr für Jahr trainieren NATO-Soldaten zudem in Manövern, wie sich etwa Truppen schnell verlegen lassen und wie komplexe Militäroperationen mit unterschiedlichen Kriegsgerätschaften ablaufen.
Wichtigster Bestandteil der Abschreckung potenzieller Feinde ist jedoch das nukleare Arsenal: Mit Großbritannien, Frankreich und den USA stehen gleich drei Atommächte als Teil der Gemeinschaft zur gemeinsamen Verteidigung bereit.
Das stärkste Abschreckungspotenzial bietet der gigantische Militärapparat der Vereinigten Staaten. Die Amerikaner alleine können mehr Panzer, Flugzeugträger und Soldaten in den Einsatz schicken als alle anderen NATO-Staaten zusammen.
Um die immensen Kosten der "kollektive Verteidigung", des "gemeinsamen Krisenmanagement" und der "kooperative Sicherheit" auf gemeinsame Schultern zu verteilen, haben sich die NATO-Staaten auf eine einfache Formel zur Finanzierung geeinigt.
Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der NATO, das die Wirtschaftskraft der Vertragsstaaten mit der Höhe ihrer nationalen Verteidigungsausgaben ins Verhältnis setzt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die NATO-Partner sich nach ihren Verhältnissen anteilig in ähnlichem Umfang an der kollektiven Sicherheit beteiligen.
Deutschland hinkte dieser Zielsetzung lange hinterher. Die Verteidigungsausgaben im deutschen Staatshaushalt lagen bis vor kurzem noch deutlich unter der Maßgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen "Zeitenwende" steigt der Etat der Bundeswehr langsam an.
Quelle: ntv.de