Flüchtlinge an der Grenze abweisen? Merkel widerspricht Seehofer deutlich
09.10.2015, 07:27 Uhr
Flüchtlinge in der Erstregistrierungsstelle der Bundespolizei im bayerischen Passau.
(Foto: dpa)
CSU-Chef Seehofer droht mit Notmaßnahmen: Flüchtlinge sollen demnach direkt an der Grenze zu Österreich abgewiesen werden. Kanzlerin Merkel ist weiterhin ganz anderer Meinung - und verweist auf das christliche Fundament der Unions-Parteien.
In der Flüchtlingskrise droht neuer Streit zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen will Bayern erreichen, dass Flüchtlinge schon an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen werden. Zudem kündigte Ministerpräsident Seehofer in der "Bild"-Zeitung an, neu ankommende Asylbewerber direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten. Merkel hingegen stellt vor CDU-Mitgliedern in Wuppertal klar, dass Menschen, die vor Terror, Gewalt und Krieg fliehen, in Deutschland weiter willkommen sind.
Seehofer will die entsprechenden Schritte, über die innerhalb des Kabinetts in München seit gut einer Woche diskutiert wird, in einer heutigen Sondersitzung beschließen lassen. "Da geht es um Integration, Bildung und Ausbildung", sagte Seehofer und betonte: "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands." Wie dies konkret funktionieren soll, ließ er jedoch offen. Die Grenzen werden von der Bundespolizei geschützt, die nicht Bayern, sondern Bundesinnenminister Thomas de Maizière untersteht.
Jeden Fall anschauen
Merkel beharrte trotz der Kritik aus Bayern ausdrücklich auf ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik. Natürlich müssten der Zustrom begrenzt, die Abschiebungen Nicht-Schutzbedürftiger beschleunigt und deutsches Recht bei allen Neuankömmlingen sofort durchgesetzt werden. Doch sie betonte auch: "Ich kann ihm nicht gleich an der Grenze sagen 'Du musst zurück' oder 'Du kommst hier nicht rein'." Erst müsse man sich jeden Fall anschauen.
Gerade christliche Parteien mit einem "C" im Namen trügen eine besondere Verantwortung bei dem Thema, sagte Merkel weiter. "Das C ist nicht nur für Sonntagsreden. Das ist auch nicht nur für diejenigen, die in Deutschland leben gedacht - und auch nicht nur für die, die in Europa leben." Erneut sprach sie sich gegen eine Abschottungspolitik aus. "Zäune um Deutschland herum werden nicht helfen." Dennoch müssten alle mit der Zuwanderung verbundenen Probleme und Ängste offen angesprochen werden.
Seehofer forderte zudem mehr Transparenz von der Bundesregierung. "Ich bin dafür, dass die Bundesregierung täglich veröffentlicht, wie viele Flüchtlinge am Vortag nach Deutschland gekommen sind. Ich bin für ständige Veröffentlichung der realen Verfahrensdauer der Asylverfahren, und zwar von der Einreise an, nicht vom Verfahrensbeginn."
Die Kanzlerin machte der CSU-Chef indirekt für sinkende Umfragewerte der Union verantwortlich. "Ich habe die Sorge, dass die Union an Zuspruch verliert und zwar sehr rasant. Und das liegt nicht an der CSU oder an mir, sondern daran, dass die Leute wollen, dass wir das Flüchtlingsproblem lösen. Und das haben wir bislang nicht getan." Die "Union insgesamt beginnt, in der Bevölkerung an Vertrauen zu verlieren", konstatierte Seehofer.
Balkan-Länder sagen Hilfe zu
Zugleich wies Seehofer Vorwürfe als "absurd" zurück, seine Kritik verschaffe Rechtsradikalen Zulauf. "Radikale werden nicht stark, weil wir über die Probleme reden, sondern wenn wir die Probleme der Menschen nicht lösen", sagte der Politiker. Weiter forderte Seehofer internationale Kontingente zur Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen.
Österreich kündigte an, es werde auf mögliche "Notmaßnahmen" Bayerns reagieren. "Wenn Bayern beginnt, hier die Flüchtlingsströme zu verlangsamen, hier mehr zu kontrollieren, dann wird auch Österreich dazu übergehen müssen, hier den Flüchtlingsstrom zu verlangsamen und hier auch intensiver und umfassender zu kontrollieren", sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei einem Treffen in Luxemburg.
Bei dem Treffen in Luxemburg sagten die Balkanländer der EU Hilfe zu, um Migranten auf deren Weg nach Westeuropa aufzuhalten. So sollen Länder wie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Albanien, Montenegro und Kosovo ihre Grenzen künftig besser schützen. Gleichzeitig sollen die Balkanstaaten Migranten besser unterbringen, Asylverfahren schneller abwickeln und abgelehnte Bewerber abschieben. Ziel ist auch, gegen Menschenschmuggler und illegale Einwanderung vorzugehen.
Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa/AFP