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Klimaschutz jetzt zweitrangig Merz will noch eben den Verbrenner retten

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Ölverschmiert am Verbrenner herumschrauben, wie hier etwas romantisiert im Kultfilm "Manta Manta" (1991) dargestellt, ist mit dem Elektroauto eher weniger möglich. Mit modernen Verbrennern voller Elektronik ist es aber ebenfalls schwierig.

Ölverschmiert am Verbrenner herumschrauben, wie hier etwas romantisiert im Kultfilm "Manta Manta" (1991) dargestellt, ist mit dem Elektroauto eher weniger möglich. Mit modernen Verbrennern voller Elektronik ist es aber ebenfalls schwierig.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Der Herbst soll der "Herbst der Reformen" werden, hat Kanzler Merz angekündigt. Nach dem Bürgergeld-Aus soll demnächst auch das Verbrenner-Verbot fallen. Kann das gelingen?

Den Zündschlüssel umdrehen, den Motor anspringen hören, Gas geben - das soll irgendwann einmal etwas fürs Museum sein. Nur wann? Das ist derzeit die große Frage. Die EU hat vor zwei Jahren beschlossen, ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Das ist als Beitrag für den Klimaschutz gedacht. Doch mittlerweile scheinen viele die vollmundigen Versprechungen von damals nicht mehr hören zu wollen. Für Ernüchterung haben die mauen Verkaufszahlen von Elektroautos gesorgt. Die Begeisterung für Klimaschutz sank im Gleichschritt mit den Einnahmen.

Auch bei Friedrich Merz ist das so. Wie er noch einmal beim sogenannten "Auto-Dialog" deutlich machte, möchte er das Verbrenner-Verbot kippen. "Einen harten Schnitt" dürfe es nicht geben, sagte er nach dem Treffen mit dem Automobilverband VDA und der IG Metall. Beide, Arbeitgeber und Gewerkschaft, blicken bange auf das Jahr 2035. Die einen fürchten um ihre Gewinne, die anderen um ihre Jobs. Und da die Autoindustrie die Schlüsselbranche schlechthin ist, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, blickt Merz ebenso bang auf dieses Datum.

Die VDA-Präsidentin Hildegard Müller, der Finanzminister Lars Klingbeil und die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner mühten sich trotzdem, sich leidenschaftlich zu Elektroautos zu bekennen. Merz sagte, das sei die "Hauptstraße", auf der gefahren werde. Aber daneben soll es eben nun auch noch andere Wege geben, für den Verbrenner. "Technologieoffenheit" nennen CDU und CSU das. Erste Hürde für die Union ist die SPD, in deren Reihen die Klimaschützer noch zahlreicher vertreten sind, allen voran Umweltminister Carsten Schneider.

Söder und Lies schreiben Gastbeitrag

Doch es gibt auch Olaf Lies, den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, der gerade mit seinem Amtskollegen aus Bayern einen Gastbeitrag im "Handelsblatt" veröffentlicht hat. Darin fordert er gemeinsam mit Markus Söder "mehr Realismus" beim Übergang zur Elektromobilität. "Nicht mehr realistisch" seien "100 Prozent reine Elektromobilität 2035". Niedersachsen und Bayern sind die Heimat von VW, Audi und BMW - das verbindet. Und die Unternehmen leiden, ihre Absatzzahlen sinken. Auch die Zulieferer haben Probleme. 2,5 Millionen Arbeitsplätze hängen an der Autoindustrie. So überrascht es nicht, dass sich auch schon Parteichef Klingbeil offen für eine Lockerung des Verbrenner-Verbots gezeigt hat.

Wie diese Lockerung aussehen könnte, dazu liegen mehrere Ideen auf dem Tisch. Zum Beispiel die, dass ab 2035 noch Hybrid-Autos zugelassen werden dürfen. Oder die, dass Elektroautos einen "Range Extender" haben dürfen. Hinter dieser Reichweiten-Erweiterung verbirgt sich ein kleiner Verbrennungsmotor, der einspringt, wenn der Akku des Elektroautos alle ist. Ob das in zehn Jahren überhaupt noch notwendig ist, wenn die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut sein wird und Akkus länger halten, sei dahingestellt.

Eine weitere Idee kommt aus den Reihen der SPD und ist originell: Autobauer sollen belohnt werden, wenn sie grünen Stahl benutzen. Damit ist nicht die Lackierung gemeint, sondern der klimafreundliche Herstellungsprozess. Bei Thyssen-Krupp in Duisburg soll künftig solcher Stahl mit klimaneutralem Wasserstoff statt mit Gas produziert werden. Da der teurer ist, ist die Nachfrage schwach. Springt der Staat mit einer Förderung ein, schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe. Er hilft dem Klima und den Autobauern. Auch wenn durch die Abgase dann wieder mehr CO2 in die Luft gelangen wird.

14 EU-Länder müssen mitziehen

So in etwa könnte eine Einigung aussehen, mit der die Bundesregierung nach Brüssel zieht. Dort ist aber weiterhin Überzeugungsarbeit angesagt. Noch in diesem Jahr will die EU das Verbrenner-Verbot "prüfen". Ursprünglich war das erst für das kommende Jahr geplant, doch auf Druck der Autoindustrie zog die EU den Termin vor. Dafür müssen sich EU-Kommission, die Mitgliedstaaten im Rat der EU und das Europaparlament einigen.

Die Bundesregierung hat einige Verbündete: Polen, Italien und einige kleine Länder wie Rumänien, Bulgarien, Österreich und Tschechien. Im Rat der EU muss Merz eine Mehrheit organisieren. 15 Staaten muss er überzeugen, in denen 65 Prozent der EU-Bevölkerung lebt. Ob es dafür reicht, ist offen. Zumal einige nordische Länder wie Dänemark und Schweden am Verbrenner-Verbot festhalten wollen. Frankreich war bislang auch eher im Lager der Befürworter der bestehenden Regel zu finden. Merz hat jedenfalls noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.

Quelle: ntv.de

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