Gegenangriff im russischen Kursk Moskau behauptet Erfolge in Kursk - Militärblogger widersprechen
09.08.2024, 02:24 Uhr Artikel anhören
Das Bild soll einen Militärschlag der russischen Armee gegen ein ukrainisches Munitionsdepot in der Grenzregion von Kursk zeigen.
(Foto: via REUTERS)
Russlands Präsident Putin nennt es eine "Provokation", andere halten es für ein mutiges Ablenkungsmanöver der Ukraine. Zu den Zielen von Kiews Offensive im russischen Kursk ist jedoch nichts bekannt. Erfolge des russischen Militärs verbannen Militärblogger dagegen ins Reich der Fabeln.
Russische Truppen kämpfen nach Angaben aus Moskau den dritten Tag in Folge gegen einen ukrainischen Vorstoß über die Grenze. Die russischen Streitkräfte sowie Grenzschutzbeamte würden ukrainische Einheiten daran hindern, tiefer in Kursk vorzudringen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Zugleich attackiere die russische Armee ukrainische Kräfte, die von der ukrainischen Grenzregion Sumy aus nachzurücken versuchten.
Generalstabschef Waleri Gerassimow sagte Präsident Wladimir Putin während einer Videoschalte, bei den Kämpfen seien etwa 100 ukrainische Soldaten getötet und mehr als 200 weitere verletzt worden, wie russische Nachrichtenagenturen berichteten.
Russische Militärblogger stellen die Lage dagegen anders dar. Demnach rücken die ukrainischen Soldaten in der Region weiter vor. Es gab Videos, in denen russische Drohnen tatsächlich etwa Panzer von Typ Marder, die auf russisches Gebiet vorrückten, attackierten. Dennoch gelingt es der Ukraine weiterhin, Truppen und Material in die russische Region heranzuführen. Zudem scheint die russische Verteidigung vor Ort weiterhin schlecht organisiert zu sein. Der Ukraine gelang es bereits, einen Helikopter und zwei Kampfjets abzuschießen. Offenbar wurde zuvor Flugabwehr die ukrainische Nachbarregion Sumy gebracht, die hier zum Einsatz kam. Zum anderen können die russischen Truppen am Boden dem Vorstoß der Kiewer Truppen wenig entgegensetzen. Die ukrainischen Truppen sind nach unterschiedlichen Angaben zwischen 15 und 25 Kilometer tief in die Region Kursk vorgedrungen.
Putin warf der Ukraine vor, wahllos zivile Gebäude, Wohnhäuser und Krankenwagen zu beschießen. Er hat von einer "großangelegten Provokation" gesprochen. Nach Angaben des russischen Gesundheitsministeriums wurden seit Beginn des ukrainischen Vorstoßes 66 Zivilisten verletzt, darunter 9 Kinder. Die Behörden der Region Kursk berichteten von mindestens fünf getöteten Zivilisten, darunter zwei Sanitäter.
Die Ukraine hat sich zu dem Vorstoß bislang nicht geäußert. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Abend lediglich, dass "Russland den Krieg in unser Land gebracht hat, und es sollte spüren, was es getan hat. Die Ukrainer wissen, wie sie ihre Ziele erreichen können."
Der geschäftsführende Vizegouverneur von Kursk, Andrej Belostozki bewegt sich ganz auf Linie des Kremls und sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, dass "der Feind keinen einzigen Meter vorangekommen", sondern vielmehr auf dem Rückzug sei. Zudem würden die gegnerische Ausrüstung und Kampftruppen "aktiv zerstört". Gouverneur Alexej Smirnow sagte, die Region plane, Tankstellen mit Geräten zur elektronischen Kampfführung auszustatten und ihnen einen nicht näher bezeichneten gepanzerten Schutz zu bieten.
"Wenn der Krieg nicht nach ihren Szenarien abläuft"
Die Washingtoner Denkfabrik Institute for the Study of War teilte am Mittwoch mit, dass die ukrainischen Truppen bis zu 15 Kilometer in russisches Territorium vorgedrungen seien. Eine Bestätigung gibt es dafür nicht. Ukrainische Regierungsvertreter haben sich bisher nicht zum Umfang der Operation rund um den Ort Sudscha geäußert. Es ist nicht möglich, die russischen Angaben unabhängig zu prüfen. Im Krieg spielen Desinformation und Propaganda eine zentrale Rolle.
Die Ukraine könnte mit ihrem Vorstoß über die Grenze versuchen, russische Reserveverbände in das Gebiet zu locken und so die russischen Angriffe in der ostukrainischen Region Donezk zu schwächen, wo die russischen Invasionstruppen zuletzt wichtige operative Erfolge erzielt haben. Allerdings besteht bei einer solchen Aktion die Gefahr, dass die ohnehin unterlegenen ukrainischen Truppen an der mehr als 1000 Kilometer langen Front noch stärker ausgedünnt werden.
Der ukrainische Präsidentenberater Myhajlo Podoljak sagte, die Angriffe in der Grenzregion brächten Russland dazu, "zu erkennen, dass der Krieg langsam in das russische Territorium eindringt". Das werde den Russen sicher einen Schrecken einjagen. Podoljak deutete zudem an, dass sich Kiew von einem solchen Vorstoß Vorteile bei Verhandlungen verspreche. "Wann wird es möglich sein, einen Verhandlungsprozess so zu führen, dass wir sie drängen oder etwas von ihnen bekommen können? Nur dann, wenn der Krieg nicht nach ihren Szenarien abläuft", sagte er.
Quelle: ntv.de, rpe/AP