Bericht: Ministerien uneins Ortskräfte-Streit schwelte schon im April
20.08.2021, 15:11 Uhr
Hunderte Ortskräfte und ihre Angehörigen wurden inzwischen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht.
(Foto: dpa)
Dass es für afghanische Bürgerinnen und Bürger, die für die Bundeswehr tätig waren, lebensgefährlich werden könnte, wenn die Taliban an die Macht kommen, stand schon lange fest. Doch aus dieser Einsicht folgten keine Rettungsaktionen. Das offenbaren Protokolle einer Ministeriumssitzung.
Die Bundesregierung hat einem Bericht zufolge monatelang über den Umgang mit afghanischen Ortskräften gestritten. Das gehe aus internen Sitzungsprotokollen hervor, berichtete der "Spiegel". Bereits am 29. April seien Beamtinnen und Beamte der Ministerien für Inneres, Verteidigung, Entwicklung und Äußeres zu einer Besprechung über das sogenannte Ortskräfteverfahren zusammengekommen.
Der Vertreter des Verteidigungsministeriums habe dabei gesagt, es sei in den kommenden zwei Monaten mit Aufnahmeanträgen von 1500 Ortskräften zu rechnen. Ein Großteil dieser Menschen habe allerdings keine afghanischen Pässe oder sonstigen Identitätsdokumente, gab der Ministeriumsvertreter demnach zu bedenken. Das Auswärtige Amt habe daraufhin vorgeschlagen, die Aufenthaltsgenehmigungen für die Ortskräfte nicht in einem langwierigen Verfahren vor der Ausreise, sondern erst nach Landung in Deutschland auszustellen.
Das lehnte das Bundesinnenministerium laut Protokoll der Sitzung ab, wie der "Spiegel" weiter berichtete. Es dürfe "keine Pauschallösung ohne individuelle Gefährdungsprüfung" geben. Ein obligatorischer Sicherheitscheck müsse zudem "vor Einreise abgeschlossen" sein. Auch die Idee, die Ortskräfte mit Charterflügen außer Landes zu bringen, sei in der Sitzung verworfen worden. Das sende ein "falsches Signal", habe der Vertreter des Verteidigungsministeriums gesagt.
Das Entwicklungsministerium warnte dem Bericht zufolge, es dürfe bei dem gesamten Prozess in Afghanistan "keine Verunsicherung" entstehen, da sonst bei den Ortskräften des Ministeriums "sowie im internationalen Kontext eine Kettenreaktion ausgelöst werden könnte". Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Juli auf die Anmietung von Charterflugzeugen gedrängt habe, sei diese Lösung von den beteiligten Ressorts erneut verworfen worden, berichtete der "Spiegel" weiter. "Derzeit besteht nach Einschätzung der Ressorts mit Blick auf verfügbare Linienflüge noch keine Notwendigkeit für Chartermaßnahmen", hieß es demnach im Protokoll einer Ressortbesprechung am 30. Juli.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP