Politik

Außenamt zögerte bei der Rettung Das "Signal" war wichtiger als die Ortskräfte

Die Taliban haben in Kabul zahlreiche Checkpoints errichtet, ehemalige Ortskräfte haben Angst, als "Kollaborateure" festgenommen oder ermordet zu werden.

Die Taliban haben in Kabul zahlreiche Checkpoints errichtet, ehemalige Ortskräfte haben Angst, als "Kollaborateure" festgenommen oder ermordet zu werden.

(Foto: REUTERS)

Wie viel wusste das Auswärtige Amt bereits von der drohenden Gefahr in Kabul im Mai? Ein internes Protokoll, das ntv vorliegt, legt nahe: Ortskräfte wollte man trotz großer Risiken länger vor Ort behalten.

Hat das Auswärtige Amt bereits im Mai ein falsches Bild der Sicherheitslage in Afghanistan gezeichnet, um Ortskräfte so lange wie möglich im Land zu behalten? Das zumindest legt ein Protokoll des Haushaltsausschusses vom 5. Mai nahe, das ntv vorliegt. Darin wird Antje Leendertse, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, so zitiert, dass sich die Bundesregierung zwar "ausdrücklich zu Schutz und Verantwortung für die nach dem Abzug der Bundeswehr gefährdeten Ortskräfte" bekenne. Allerdings würden "diese auch zur Aufrechterhaltung des zivilen Engagements benötigt".

Dann folgt ein Satz, der Fragen aufwirft: "Daher solle nicht das Signal ausgesandt werden, die Sicherheitslage mache ein Verlassen des Landes erforderlich." Zudem sei nach Einschätzung der Staatssekretärin auch der "Wunsch nach einer Ausreise unterschiedlich ausgeprägt und die Notwendigkeit dazu stelle sich bei den einzelnen Personengruppen unterschiedlich dar".

Die Sicherheitslage Anfang Mai war natürlich eine andere als im Juli oder August. Trotzdem ist der Satz entlarvend: Das Auswärtige Amt schätzte die Gefahrenlage offenbar komplett falsch ein und das "Signal", das gesendet werden sollte, war wohl wichtiger als die Ortskräfte.

Das Auswärtige Amt wolle sich "darum bemühen", zeitnah und flexibel die Aufnahme für Ortskräfte, die für die Bundeswehr und die Polizei gearbeitet hätten, zu organisieren, heißt es im Protokoll weiter. Allerdings unterscheide sich das Verfahren von dem "sonst üblichen Asylverfahren". In der Sitzung sagte Leendertse auf Nachfrage eines FDP-Abgeordneten, dass afghanische Bürgerinnen und Bürger Visaanträge zu diesem Zeitpunkt, also im Mai, nur an den deutschen Vertretungen in Islamabad und Istanbul stellen könnten.

FDP übt scharfe Kritik an Maas

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Mit Blick auf die Arbeit des Auswärtigen Amtes übte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki scharfe Kritik an Bundesaußenminister Heiko Maas. "Als Erstes würde ich Heiko Maas entlassen, denn es ist ein komplettes Versagen der deutschen Diplomatie und der Außenpolitik", sagte Kubicki im "Frühstart" bei ntv. Das Auswärtige Amt hätte mit einer "Exitstrategie" Vorbereitungen treffen müssen und die Ortskräfte in Afghanistan viel früher in Sicherheit bringen müssen.

Man habe für die Menschen vor Ort eine "Gefahr geschaffen", deswegen wäre es eine "moralische und rechtliche Verpflichtung" gewesen, diese Gefahr für die Menschen abzuwenden, so Kubicki. "Dass das unterblieben ist, ist nicht nur peinlich, das ist einfach erbärmlich, und diese Erbärmlichkeit muss Konsequenzen haben."

Quelle: ntv.de

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