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Bericht: Bombe unter Tragfläche Putins rechte Hand soll Drahtzieher von Prigoschin-Tod sein

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Zwei Männer, die eine lange Zusammenarbeit verbindet: Nikolai Patruschew und Wladimir Putin (Bild aus dem Jahr 2015).

Zwei Männer, die eine lange Zusammenarbeit verbindet: Nikolai Patruschew und Wladimir Putin (Bild aus dem Jahr 2015).

(Foto: REUTERS)

Der Tod von Wagner-Chef Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz sorgt schnell für Spekulationen, der Kreml könnte dahinterstecken. Nun veröffentlicht das "Wall Street Journal" einen Bericht, wonach der Sicherheitsbeamte Patruschew für das Attentat verantwortlich sein soll. Er ist langjähriger Vertrauter Putins.

Im Juni probt Jewgeni Prigoschin den Aufstand gegen die russische Militärführung. Zwei Monate später ist der Chef der Söldnergruppe Wagner tot. Gestorben beim Absturz seines Privatjets auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg. Gleich nach Bekanntwerden des plötzlichen Todes des einflussreichen Unternehmers gibt es Spekulationen, der Kreml könnte dahinterstecken. Doch eine Beteiligung dementiert Moskaus Führung vehement. Staatschef Wladimir Putin spricht sogar davon, Handgranaten könnten an Bord explodiert sein und den Absturz verursacht haben.

Das "Wall Street Journal" (WSJ) will diese und andere Pseudo-Erklärungsversuche Moskaus nun als Lüge entlarvt haben. In einer ausführlichen Rekonstruktion der Ereignisse, die zu dem Absturz am 23. August geführt haben, beruft sich die Zeitung auf die Angaben von westlichen Geheimdiensten, ehemaligen amerikanischen und russischen Sicherheits- und Geheimdienstmitarbeitern sowie früheren Kremlbeamten. Mit dem Ergebnis: Kein Geringerer als der russische Sicherheitsbeamte Nikolai Patruschew ist Drahtzieher hinter dem Attentat. Demnach sei vor Abflug von Prigoschins Privatflugzeug eine kleine Bombe unter einer Tragfläche installiert worden. Rund 30 Minuten nach dem Start der Maschine explodierte der Sprengsatz, riss den Flügel ab. Alle zehn Insassen an Bord, darunter neben Prigoschin Wagner-Funktionär Dmitri Utkin, kamen ums Leben.

Übereinstimmenden Berichten zufolge ist Patruschew einer der engsten Vertrauten von Putin. Für das WSJ ist der 72-Jährige der zweitmächtigste Mann Russlands. Er ist ein ehemaliger Leiter des Sicherheitsdienstes FSB, heute Sekretär des russischen Sicherheitsrates und gilt als einer der einflussreichsten Hardliner unter Putins engen Beratern. Die beiden kennen sich seit ihrer gemeinsamen Arbeit beim sowjetischen KGB in Leningrad - dem heutigen St. Petersburg - in den 1970er-Jahren.

Schon vor der Rebellion der Wagner-Söldner im Juni 2023 habe Patruschew Prigoschin als Bedrohung für Putins Macht empfunden, berichtet das WSJ. Vor allem die offen und vehement vorgetragene Kritik an führenden russischen Militärs sei ihm ein Dorn im Auge gewesen. Angesichts der militärischen Erfolge und der Wichtigkeit der Wagner-Gruppe im Angriffskrieg in der Ukraine fürchtete Patruschew demnach, dass die Privatarmee zu viel Macht erlangt habe.

Kreml spricht von "Pulp Fiction"

Am 23. Juni zettelte Prigoschin schließlich eine regelrechte Meuterei an. Seine Soldaten verließen tags darauf ihre Stellungen in der Ukraine und marschierten nach Rostow am Don, wo sie den russischen Militärapparat um Verteidigungsminister Sergei Schoigu sowie Generalstabschef Waleri Gerassimow zur Rede stellen wollten. Im Tagesverlauf bewegten sich Panzer sogar in Richtung Moskau. Unter Vermittlung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko konnte Prigoschin schließlich zum Einlenken bewegt werden. Seine Söldner gelangten straffrei nach Belarus.

Putin sprach öffentlich von Verrat, doch es gab eine Art Burgfrieden, in dem sich Prigoschin einigermaßen frei bewegen konnte. Dass es zu einem derartigen Aufstand kommt, wurde allerdings als ernsthafte Herausforderung für die fast ein Vierteljahrhundert währende Machtausübung von Putin angesehen. Das konnte der Machthaber offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Dem Plan von Patruschew, Prigoschin auszuschalten, widersprach Putin dem WSJ zufolge nicht.

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Nach Bekanntwerden des Berichts warf der Kreml der US-Zeitung heute vor, "Pulp Fiction" (etwa: Schundliteratur) zu veröffentlichen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte laut Reuters, er habe die Geschichte gesehen, wolle sie aber nicht kommentieren. Doch dann fügte er hinzu: "In letzter Zeit hat das 'Wall Street Journal' leider eine Vorliebe für Schundromane". Auch im Vorfeld hatte Moskau Behauptungen, wonach Prigoschin auf Befehl Putins hin getötet wurde, als "absolute Lüge" zurückgewiesen.

Sollte sich der Bericht bewahrheiten, wäre es übrigens nicht das erste erfolgreiche Attentat, das auf einen russischen Staatsbürger, der in Ungnade gefallen ist, verübt wurde. 2006 kam der frühere Geheimdienstagent Alexander Litwinenko ums Leben. Er war ins Exil nach Großbritannien geflohen und hatte dort einen Tee, der mit der radioaktiven Substanz Polonium-210 vergiftet worden war, getrunken. Einem britischen Richter zufolge hatte Patruschew den Mord abgesegnet.

Quelle: ntv.de

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