Äußerungen über "Mörderland" Russen droht nach privatem Telefonat drastische Strafe
20.04.2023, 12:29 Uhr Artikel anhören
Ein falsches Wort in einer privaten Unterhaltung ist in Russland wieder riskant.
(Foto: REUTERS)
Die massiven Repressionen durch die russische Justiz gehen weiter. Einem Russen drohen nun neun Jahre Lagerhaft. Der Grund: Er hat sich in einem privaten Telefongespräch kritisch über den Krieg geäußert - und gesagt, es gebe keinen Faschismus in der Ukraine.
Die russische Justiz hat in dieser Woche viel zu tun: Der Kreml-Gegner Wladimir Kara-Mursa wird nach einer Entscheidung eines Gerichts für 25 Jahre weggesperrt, der Journalist des "Wall Street Journal", Evan Gershkovich, muss bis Ende Mai in Untersuchungshaft bleiben. Nun steht ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Innenministeriums in Moskau vor Gericht und könnte zu neun Jahren Strafkolonie verurteilt werden. Dies berichtet unter anderem das kremlkritische Portal "Mediazona".
Sergej Klokow wird dem Bericht zufolge wegen Verbreitung angeblicher Fake News über den Krieg, der so in Russland nicht genannt werden darf, angeklagt. Dabei hatte sich Klokow allerdings offenbar lediglich in einem privaten Telefonat geäußert. In diesem hatte er laut dem Staatsanwalt Russland als "Mörderland" bezeichnet und von der Notwendigkeit gesprochen, "es mit dem Kreml aufzunehmen". "Er bezeichnete die Ereignisse auf der Krim, insbesondere das unblutige Referendum, als Völkermord", so der Staatsanwalt weiter, der laut den Medienberichten für Klokow eine neunjährige Haftstrafe in einer Strafkolonie fordert sowie die Aberkennung seines Dienstgrades.
Bei der Anhörung berichtete der Staatsanwalt, dass Klokow seinen Bekannten am 9. März vergangenen Jahres am Telefon vom Krieg berichtet hatte und von "riesigen Verlusten" sprach. Auch redete er demnach unter anderem von Erschießungen wegen Befehlsverweigerung sowie von gezielter Zerstörung und Tötung ukrainischer Zivilisten und Kinder. "Wir sind sicher, dass wir den Faschismus bekämpfen, aber es gibt dort keinen Faschismus. Es gibt keinen Faschismus", wird in der Akte eine Abschrift von Klokows Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen zitiert. "Sie haben Kinder getötet."
Die russische Staatsanwaltschaft sprach laut "Mediozona" allerdings von Lügen, die Klokow verbreitet habe, und deren Quelle "ukrainische Propagandamittel" gewesen seien. "Mehr als 80 Jahre sind vergangen und die Methoden und die Rhetorik der Propagandisten haben sich nicht geändert." Tatsächlich haben russische Soldaten in der Ukraine zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen, von Folter über die Ermordung von Gefangenen bis hin zur Bombardierung von Wohnhäusern, Schulen und Krankenhäusern.
Anwalt: Keine Genehmigung zum Abhören des Telefons
Klokow wurde bereits am 18. März 2022 verhaftet. Seine Frau Tatiana sagte dem Bericht zufolge, sie sei nicht in der Lage gewesen, ihren Mann zu treffen und ihm Dinge zu übergeben. Der Anwalt Daniil Berman sagte, Klokow sei wegen Telefongesprächen über den Krieg angeklagt worden, obwohl es keine Genehmigung zum Abhören seines Telefons gegeben habe.
Bereits vor einem Jahr prangerte Amnesty International die Festnahme Klokows an und kritisierte: "Die fortwährende Kriminalisierung von 'Fake News' ist ebenso willkürlich und rechtswidrig wie die Bemühungen des Kremls, alle Formen der Kritik zu unterdrücken. Mit dieser unerbittlichen Hexenjagd zeigen die russischen Behörden, dass niemand vor einer Anklage gefeit ist. Diese schändlichen Verfolgungen verstoßen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung."
Quelle: ntv.de, ghö