Der Kriegstag im Überblick Russen in Cherson und Melitopol unter Beschuss - Putin-Söldner posiert mit Schädel
28.08.2022, 21:40 Uhr
Russische Soldaten suchen in besetzten Gebieten in Luhansk nach Minen.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Seit Tagen steht das besetzte Melitopol unter ukrainischem Feuer. Nun meldet der Exil-Bürgermeister die Zerstörung eines russischen Militärstützpunktes. Auch in Cherson und Luhansk gibt es Explosionen. Auf Twitter erläutert ein Kreml-Söldner Moskaus blutige Strategie, die NATO rüstet in der Arktis auf. Der 186. Kriegstag im Überblick.
Kreml-Kommando in Cherson beschossen
Ukrainische Truppen haben nach eigenen Angaben im Gebiet Cherson im Süden des Landes drei russische Kommandoposten und mindestens zwei Munitionsdepots angegriffen. Dabei seien elf russische Soldaten getötet worden, teilte das Kommando Süd der ukrainischen Armee in Kiew mit. Zudem seien nach ersten Erkenntnissen elf Raketenwerfer, drei gepanzerte Fahrzeuge und eine selbstfahrende Haubitze zerstört worden. Der von Russland eingesetzte Verwaltungschef Wladimir Leontjew bestätigte gegenüber der russischen Staatsagentur Ria Nowosti ukrainische Angriffe. Die Stadt Nowa Kachowka sei vier Mal beschossen worden. Dabei sei auch ein Wasserkraftwerk mit einem strategisch wichtigen Übergang über den Fluss Dnipro getroffen worden.
Explosionen in Luhansk
Der ukrainische Gouverneur der russisch besetzten Provinz Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete von lauten Explosionen in der Kleinstadt Swatow. Laut "Kyiv Independent" galten die ukrainischen Angriffe einem landwirtschaftlichen Betrieb, der von den Russen als Militärbasis genutzt wurde.
Ukrainische Angriffe auf Melitopol
Der Bürgermeister von Melitopol teilte am Vormittag mit, ukrainische Streitkräfte hätten einen großen russischen Militärstützpunkt in der besetzen Stadt im Distrikt Saporischschja zerstört. Der Stützpunkt habe sich in einer ehemaligen Autofabrik befunden. Bürgermeister Ivan Fedorov, der nach Saporischschja geflohen ist, schrieb bei Telegram: "Gestern Abend waren im Dorf Myrne im Distrikt Melitopol Explosionen zu hören. Eines der Gebäude, in denen die Vorbereitungen für ein Pseudo-Referendum im Gange waren, wurde zerstört."
Sowohl aus Melitopol als auch aus Myrne waren schon am Vortag starke Explosionen gemeldet worden. Seit Montag wurden ukrainischen Medienberichten zufolge der russische Stützpunkt und eine Brücke in der Nähe von Melitopol immer wieder angegriffen.
541 Gefallene an Kiew überstellt
Hunderte Leichen gefallener ukrainischer Soldaten überstellte Russland bislang an Kiew. Der Vermisstenbeauftragte Oleh Kotenko nannte die Zahl 541. Über das Internationale Komitee des Roten Kreuzes sei es möglich gewesen, mit der russischen Seite in Kontakt zu treten. "Die Verhandlungen mit dem Aggressor sind schwierig", schrieb er in einer auf einem Regierungsportal veröffentlichten Mitteilung. Allein 428 Leichen seien aus der lange umkämpften Stadt Mariupol im Osten des Landes geholt worden. Zahlen, wie viele Tote an die russische Seite überstellt wurden, nannte er nicht.
Verteidigungsministerium räumt ein weiteres "Moskwa"-Opfer ein
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte derweil den Tod eines weiteren Besatzungsmitglieds der "Moskwa". Wie das belarussische Oppositionsmedium Nexta meldete, habe die Behörde demnach lediglich fünf Todesfälle von Seeleuten des gesunkenen Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte offiziell bestätigt. Medien hatten von mehr als 100 toten Matrosen berichtet.
"Wir töten eure Familien": Söldner skizziert Moskaus Kriegsstrategie
Auf Twitter kursiert ein Video, auf dem ein russischer Söldner und Anhänger von Kreml-Chef Wladimir Putin einen Schädel in die Luft hält und behauptet, es handele sich bei dem Toten um einen ukrainischen Soldaten, der in Mariupol getötet worden sei. Laut dem ukrainischen Journalisten Denys Kazanskyy heißt der Söldner Igor Mangushev. In dem Video sagt Mangushev weiter, Russland befinde sich nicht im Krieg mit Menschen aus Fleisch und Blut, sondern mit der "Idee" der Ukraine als antirussischer Staat. "Es kann keinen Frieden geben. Wir müssen die Ukraine ent-ukrainisieren." Wäre Russland im Krieg mit Menschen, könnte es Frieden geben. "Aber wir sind im Krieg gegen eine Idee, deshalb müssen alle Träger der Idee getötet werden." Auf seinem Telegram-Kanal beschreibt Mangushev laut "Daily Mail" die russische Kriegsstrategie: "Wir werden eure Häuser niederbrennen, wir töten eure Familien, nehmen euch eure Kinder weg und erziehen sie als Russen."
London bezweifelt wachsende russische Schlagkraft
Großbritanniens Militär bezweifelte, dass die angekündigte Aufstockung der russischen Armee um knapp 140.000 Kräfte die Schlagkraft der Kreml-Truppen erhöhen wird. Auf jeden Fall dürfte die Anordnung keine wesentlichen Fortschritte bei der Stärkung der russischen Kampfkraft in der Ukraine bringen, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. "Das liegt daran, dass Russland Zehntausende Soldaten verloren hat", heißt es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. Zudem würden derzeit nur sehr wenige neue Vertragssoldaten eingestellt, und Wehrpflichtige seien nicht verpflichtet, außerhalb des russischen Territoriums zu dienen. Putin hatte am 25. August eine Aufstockung im kommenden Jahr um 137.000 Soldaten auf rund 1,15 Millionen befohlen.
NATO visiert Arktis an
Angesichts möglicher neuer Bedrohungen durch Russland möchte die NATO künftig stärker in der Arktis aktiv werden. "Die NATO muss ihre Präsenz in der Arktis erhöhen", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg der "Welt am Sonntag". Das Verteidigungsbündnis sei "bereits dabei, in Seeaufklärer zu investieren, um ein klares Lagebild erhalten zu können, was im hohen Norden vor sich geht. Aber wir werden unsere Anstrengungen weiter verstärken." Russland hat laut Stoltenberg seine Aktivitäten in dem rohstoffreichen Gebiet zuletzt intensiviert. "Wir sehen eine deutliche Verstärkung der militärischen Präsenz Russlands in der Arktis." Moskau sei "dabei, Stützpunkte aus Sowjetzeiten wieder zu öffnen und neue hochmoderne Waffen wie Hyperschallraketen dort zu stationieren und auszuprobieren". Auch China interessiere sich zunehmend für die Arktis.
EU-Außenminister wollen Visa-Vergabe erschweren
Die Außenminister der Europäischen Union wollen sich in dieser Woche bei ihrem Treffen in Prag für eine Aussetzung des Abkommens über Visa-Erleichterungen mit Russland aussprechen. Das berichtet die "Financial Times". Ziel sei es, die Zahl der ausgestellten Reisegenehmigungen zu verringern. Einige östliche EU-Mitglieder haben bereits die Ausstellung von Visa für russische Touristen eingestellt. "Es ist unangemessen, dass russische Touristen in unseren Städten und Jachthäfen spazierengehen", zitierte die Zeitung einen hochrangigen EU-Beamten, der an den Gesprächen beteiligt ist. "Wir müssen der russischen Bevölkerung signalisieren, dass dieser Krieg nicht akzeptabel ist." Bundeskanzler Scholz hatte einem generellen Visa-Stopp für Russen erst vor wenigen Tagen eine Absage erteilt.
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Quelle: ntv.de, mau/hvo