"Sie wollen, dass es passiert" Russland unterstellt Westen "Kriegshysterie"
31.01.2022, 20:42 Uhr
Russlands Vertreter Wassili Nebensja unterstellte den USA und anderen Staaten, sie würden eine drohende Kriegsgefahr herbeireden.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats weist Russland alle Anschuldigungen, es plane einen Übergriff auf die Ukraine, von sich. Die USA und der Westen betrieben "Megafon-Diplomatie" und verbreiteten Propaganda. Zudem gebe es keine 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze.
Russland hat Warnungen der USA angesichts des Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze im UN-Sicherheitsrat als Kriegshysterie abgetan. Bei der ersten öffentlichen Konfrontation beider Seiten vor dem mächtigsten UN-Gremium sprach US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield in New York von der "größten Mobilisierung von Truppen in Europa seit Jahrzehnten". Russlands Vertreter Wassili Nebensja entgegnete: "Die Diskussionen um eine drohende Kriegsgefahr sind an und für sich provokativ. Sie rufen fast danach. Sie wollen, dass es passiert."
Der russische Diplomat verwies darauf, dass sein Land alle Vorwürfe, eine Invasion zu planen, strikt zurückweise. "Und das werde ich jetzt (auch) tun." Der Westen verbreite Propaganda und betreibe eine "Megafon-Diplomatie". Die USA hatten das Treffen beantragt, weil der Westen einen russischen Einmarsch in der Ukraine befürchtet, einer ehemaligen Sowjetrepublik. Russland - ebenso wie die Vereinigten Staaten seit jeher eine UN-Vetomacht - konnte die Sitzung nicht verhindern.
Absage an Krieg vor UN hätte "offizielleren Charakter"
Washington verlangt den Rückzug von rund 100.000 russischen Soldaten von der Grenze ins Hinterland. Westliche Diplomaten hatten im Vorfeld gesagt, dass eine erneute und klare russische Absage an einen Einmarsch vor dem Sicherheitsrat einen offizielleren Charakter hätte als bisherige Stellungnahmen aus Moskau. Dies könnte in dem Konflikt als "Faustpfand" benutzt werden.
US-Botschafterin Thomas-Greenfield wies die Anschuldigungen ihres russischen Kollegen zurück: "Aggressionsdrohungen an der ukrainischen Grenze - ja, an der Grenze - sind provokativ. Unsere Anerkennung der Tatsachen vor Ort ist nicht provokativ." Es handle sich um Kampfeinheiten, "die bereit sind, Offensivaktionen in der Ukraine durchzuführen."
Moskau betont dagegen, dass sich sämtliche Soldaten in seinem Hoheitsgebiet befänden und sich der Westen deshalb in Russlands innere Angelegenheiten einmische. Nebensja bestritt, dass tatsächlich 100.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen worden seien. Dem Vorwurf Thomas-Greenfields Moskau plane zudem eine deutliche Aufstockung seiner Truppen in Belarus nahe der ukrainischen Grenze, trat er ebenfalls entschieden entgegen. Nebensia und sein belarussischer Kollege Valentin Rybakow begründeten die Truppenverlegung hingegen mit für Februar geplanten "gemeinsamen Militärübungen", die regelmäßig stattfänden. Derzeit seien, laut US-Angaben, dort bereits rund 5000 russische Soldaten stationiert. "Wir haben Beweise gesehen, dass Russland beabsichtigt, diese Präsenz auf mehr als 30.000 Soldaten" bis Anfang Februar auszuweiten, sagte die US-Botschafterin.
Seitenhieb auf Colin Powells "Beweise" vor Irakkrieg
Er machte dabei keine Zugeständnisse für eine Entspannung der Lage. In einem Seitenhieb spielte der russische Diplomat auf einen Auftritt des kürzlich gestorbenen Ex-US-Außenministers Colin Powell an, der 2003 vor dem Rat mit Geheimdienst-Erkenntnissen um Zustimmung für den Irak-Krieg geworben hatte, die sich später als unwahr herausstellten. Nebensja verließ die Sitzung, noch bevor der ukrainische Botschafter Serhij Kyslyzja zu Wort kam. Kyslyzja betonte, dass Moskau noch immer keine glaubwürdigen Erklärungen für seine militärischen Aktionen geliefert habe. Er betonte, "Priorität" habe ein Waffenstillstand im Donbass im Osten der Ukraine.
Die beiden weiteren Vetomächte Großbritannien und Frankreich forderten Russland zur Deeskalation auf. Russland hatte mit einer Abstimmung versucht, die Sitzung noch in letzter Sekunde abzuwenden. Mit 10 der 15 Mitgliedsstaaten stimmten allerdings genug Länder für die Beratungen. Neben drei Enthaltungen hatte China mit seinem Partner Russland gegen die Beratungen gestimmt. Angesichts von Moskaus Dementi bezüglich der Vorwürfe gebe es keine Grundlage für das öffentliche Treffen, sagte UN-Botschafter Zhang Jun: "Was wir jetzt dringend brauchen, ist stille Diplomatie."
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP