Zu Pakt mit rechter FPÖ bereit SPÖ-Chefin greift nach dem Kanzleramt
09.10.2021, 18:37 Uhr
Will wieder "Sauberkeit" ins Land bringen: Dafür wäre SPÖ-Chefin Rendi-Wagner bereit, mit der rechtspopulistischen FPÖ zu koalieren.
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In Österreich deutet sich ein Polit-Beben an: Um eine neue Regierung ohne die ÖVP des angeschlagenen Kanzlers Kurz zu bilden, wären die Sozialdemokraten zu einer Vier-Parteien-Allianz bereit - unter Einschluss der rechten FPÖ. Die Vorsitzende der SPÖ greift damit nach dem Kanzleramt.
Eine mögliche Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten in Österreich hat die konservative ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz zu einem Angriff genutzt. "Ganz Österreich wird gerade Zeuge, wie Grüne und SPÖ innerhalb eines Tages jahrzehntelange Haltungen und Überzeugungen ihrer Parteien über Bord werfen", sagte Agrarministerin und Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger. Dem Land drohten Chaostage.
Anlass der Empörung sind Äußerungen von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die eine Vier-Parteien-Allianz unter Einschluss der rechten FPÖ als möglichen Ausweg aus der Regierungskrise genannt hatte. Seit den Korruptionsvorwürfen gegen Kurz steht die Koalition von Grünen und ÖVP vor dem Scheitern. Aktuell laufen Sondierungen, um eine Regierung ohne Kurz oder ohne die ÖVP generell zustande zu bringen.
Die FPÖ mit ihren 30 Mandaten wird für ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen Kurz gebraucht. Obendrein wollen Grüne, SPÖ und die liberalen Neos Neuwahlen verhindern. Auch dazu ist die FPÖ nötig. In Österreich kann eine Mehrheit des Parlaments Neuwahlen beschließen. ÖVP und FPÖ hätten zusammen genügend Stimmen dafür.
"Stehe als Kanzlerin zur Verfügung"
Die SPÖ ist jedenfalls inzwischen bereit, auf die rechte FPÖ zuzugehen. Bisher galt für die Sozialdemokraten ein selbstauferlegtes Verbot einer Zusammenarbeit auf Bundesebene. Die Stimmungsänderung beschrieben SPÖ-Kreise gegenüber der Zeitung "Die Presse": "Der gemeinsame Kitt ist, mit dem System Kurz aufzuräumen und wieder Stabilität und Sauberkeit ins Land zu bringen." Rendi-Wagner erklärte im ORF, "außergewöhnliche Situationen brauchen außergewöhnliche Handlungen."
Ein Vier-Parteien-Bündnis aus SPÖ, Grünen, liberalen Neos und der FPÖ bezeichnete sie als "unwahrscheinlich, aber möglich." Bei einer solchen Konstellation wäre es wichtig, dass jeder Minister genau seine Ressortgrenzen beachte, sagte sie in der Nachrichtensendung "ZiB2". FPÖ-Chef Herbert Kickl, der in der Corona-Krise zu den Impfgegnern zählt, würde sicherlich nicht Gesundheitsminister, so Rendi-Wagner. Sie selbst stehe als Kanzlerin zur Verfügung.
Beschluss des Haushalts auf der Kippe
In Österreich haben Korruptionsermittlungen gegen Kanzler Kurz und seinen engsten Kreis eine Regierungskrise ausgelöst. Die Grünen als Koalitionspartner halten den Regierungschef inzwischen für nicht mehr amtsfähig. Am Dienstag muss sich Kurz, der die Vorwürfe bestreitet, in einer Sondersitzung des Nationalrats einem Misstrauensantrag stellen. Seine Abwahl gilt inzwischen als fast sicher.
Unterdessen sind die Grünen mit ihrem Vorstoß gescheitert, unmittelbar vor dem geplanten Misstrauensvotum gegen Kurz das bereits ausverhandelte Budget gemeinsam mit der ÖVP noch offiziell zu beschließen. Der Ministerratsbeschluss und das Votum im Nationalrat seien seit langem für den 18. November festgelegt, teilte ein Sprecher des ÖVP-geführten Finanzministeriums der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit. "Ob dieser Fahrplan so hält, hängt von den Grünen ab und ob sie in der Sondersitzung am Dienstag staatspolitische Verantwortung übernehmen."
Quelle: ntv.de, mau/dpa