Verfassungsschutz alarmiert Sachsen lockt immer mehr Neonazis an
21.06.2021, 09:58 Uhr
Demo von Rechtsextremen in Plauen.
(Foto: imago/Christian Ditsch)
Der Verfassungsschutz in Sachsen schlägt mal wieder Alarm in Sachen Rechtsextremismus. Mittlerweile hat der Freistaat den Ruf in der Szene, besonders tolerant gegenüber Neonazis zu sein und daher weitere Gesinnungsgenossen aus anderen Teilen Deutschlands anzulocken.
Die Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber Rechtsextremisten macht Sachsen aus Sicht des sächsischen Verfassungsschutzes zum Sammelort für Neonazis. "Es lässt sich zunehmend eine innerdeutsche Migration von Rechtsextremisten nach Sachsen beobachten - beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen", sagte Behördenleiter Dirk-Martin Christian der "Leipziger Volkszeitung". Dabei spielen demnach auch andere Faktoren eine Rolle: "Preiswerte Immobilien, auf dem Land auch eine gewisse Form von Abgeschiedenheit, eine gute Arbeitsmarktsituation sowie moderne Infrastruktur."
Das Problem scheint allerdings zu sein: "Es wird sich vielfach nicht mehr von politischen Extremisten distanziert." Das zeige sich etwa bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik. "Den sonstigen Protest-Teilnehmern ist es inzwischen offenbar egal, dass sie zusammen mit Rechtsextremisten demonstrieren." Die mangelnde Abgrenzung vom Rechtsextremismus sei eine ernst zu nehmende Gefahr. Kein Verfassungsschutz könne dieses Problem lösen.
Der WDR berichtete Ende April, dass zwei stadtbekannte Neonazis aus Dortmund nach Chemnitz gezogen seien. Die Stadt im Ruhrgebiet galt jahrelang als Hochburg Rechtsextremer und lockte daher ebenfalls weitere Gesinnungsgenossen an. Mittlerweile ist die Szene dort aber stark geschwächt - auch durch den Dauerdruck der Ermittler.
AfD mit starken Wahlergebnissen
Dass rechte Gesinnungen in Sachsen stark vertreten sind, zeigte auch das Wahlergebnis der Landtagswahl 2019. Die AfD wurde zweitstärkste Kraft hinter der CDU und holte 28,4 Prozent der Stimmen - etwa so viel wie Linke, Grüne und SPD zusammen. In einzelnen Wahlkreisen wurde die Partei stärkste Kraft, lag etwa in Meißen 2 mit knapp 50.000 Wahlberechtigten noch knapp acht Prozentpunkte vor der CDU und kam dort auf 40,1 Prozent der Erststimmen. Der Verfassungsschutz stuft den Landesverband des Freistaates als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Leipzig ist dabei die Ausnahme - bei der Landtagswahl gewannen die Grünen einen der sieben Wahlkreise der Stadt.
Auch die durch regelmäßige Demos in der Landeshauptstadt Dresden bekannt gewordene Pegida-Bewegung gilt mittlerweile als "erwiesene extremistische Bestrebung", wie das Landesamt für Verfassungsschutz Anfang Mai mitgeteilt hatte. Demnach sei die asyl- und ausländerfeindliche Bewegung "ein wesentlicher, nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der rechtsextremen Szene". Sie habe sich über die Jahre zu einer "verfassungsfeindlichen Bewegung" entwickelt.
Bekannt wurde auch die Gruppe Freital, die in der Kleinstadt bei Dresden im Jahr 2015 Anschläge auf Flüchtlinge und politisch Andersdenkende verübte. Sieben Männer und eine Frau, darunter die Rädelsführer, waren im März 2018 zu teils langen Freiheitsstrafen verurteilt worden, teils wegen versuchten Mordes oder Beihilfe dazu. In den Jahren darauf gab es weitere Urteile gegen Mitglieder der Zelle.
Regelmäßig Angriffe auf Polizisten
Aufsehen erregten aber auch andere rechtsextreme Gruppen wie etwa die "Revolution Chemnitz", die sich im 2018 gegründet hatte, als es in der Stadt zu Ausschreitungen gekommen war, nachdem ein Syrer einen Deutschen am Rande eines Stadtfestes erstochen hatte. Der Täter wurde ein Jahr später wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Anschließend kam es tagelang zu Demonstrationen und Ausschreitungen durch Rechtsextreme. Im März 2020 wurden acht Männer zu Haftstrafen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Landfriedensbruch oder Körperverletzung verurteilt.
Regelmäßig kommt es zudem zu Übergriffen auf Polizisten, zuletzt wurde Anklage gegen zehn Rechtsextreme erhoben. Die Beschuldigten sollen am Himmelfahrtstag 2020 beschlossen haben, mit Bierkrügen, Holzlatten und einem Metallrohr bewaffnet die Polizisten anzugreifen. Die Beamten waren zuvor zu einem Einsatz nach Königstein gerufen worden, wo eine rund 30-köpfige Gruppe auf einem Grundstück laut lärmte, lautstark verfassungsfeindliche Parolen skandierte und rechtsextreme Musik abspielte.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa