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BSW-Chefin bei Lanz Sahra Wagenknecht denkt schon ans Kanzleramt

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Wagenknecht hat inzwischen 700 Mitglieder in ihrer Partei versammelt.

Wagenknecht hat inzwischen 700 Mitglieder in ihrer Partei versammelt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bei den Europawahlen erzielt das Bündnis Sahra Wagenknecht einen ersten Erfolg. In den kommenden Monaten stehen Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern an - und die Parteivorsitzende möchte nachlegen.

Sie gibt sich selbstbewusst. Und dazu hat sie nach dem Achtungserfolg ihrer Partei bei den Europawahlen auch allen Grund. Nun will Sahra Wagenknecht auch in Deutschland Politik gestalten, zunächst auf Landesebene. Doch bald auch im Bund.

Nein, Kanzlerkandidatin für das Bündnis Sahra Wagenknecht will dessen Namensgeberin nicht werden. Noch nicht. Das sollte man erst dann in Angriff nehmen, wenn man ein zweistelliges Wahlergebnis einfahren könne, sagt sie am Donnerstagabend bei Markus Lanz im ZDF. Aber natürlich: Wer in die Politik gehe, wolle auch gestalten, ließ Wagenknecht an ihren Ambitionen keinen Zweifel aufkommen. Doch erst einmal will sie klein anfangen, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Eine Koalition kann Sahra Wagenknecht sich vorstellen, auch mit der CDU. Aber die müsse sich bewegen. Wagenknecht will Politik für die Bürger machen. Ein "Weiter so" kommt für sie nicht infrage.

Im Osten spürt sie eine Wendestimmung, ungefähr so wie 1989 in der DDR. Auch damals hätten die regierenden Politiker den Kontakt zum Volk verloren. Die Ereignisse ließen sie damals nicht kalt. Wagenknecht habe etwas verändern wollen, sagt sie. Darum sei sie im Sommer 1989 in die SED eingetreten. Sie hat deren Wandlung zur PDS und danach zur Linkspartei mitgemacht. Doch im letzten Jahr hatte sie die Nase voll, verließ die Linke und gründete ihr Bündnis Sahra Wagenknecht. Das richtet sie nun nach ihrem Gutdünken aus.

"Wir wachsen langsam"

Wagenknecht will ihre Politik umsetzen. Das ist auch die Aufgabe der BSW-Mitglieder, darauf achtet sie genau. Jeder wird genau überprüft, bevor er in ihre Partei eintreten darf. Deswegen wächst das BSW langsamer, als sich das Eichhörnchen nährt. Fast 700 Mitglieder zählt es jetzt.

"Wir wachsen langsam, damit wir nicht die Kinderkrankheiten anderer Parteien mitmachen", sagt die Chefin. Bei denen habe es in den Gründungsjahren oft Chaos, Kämpfe und disruptive Auseinandersetzungen gegeben. "Und oft ist es so, dass sie sich daran zerlegen oder sie in eine Richtung gehen, wo die Gründer sie nicht mehr erkennen." Das sei so bei der AfD gewesen. Die Fehler von den AfD-Gründern um Bernd Lucke will sie nicht machen. Lucke trat zwei Jahre nach ihrer Gründung aus der AfD aus, so wie fast alle ihrer Gründerväter. Die gründeten noch eine eigene Partei und verschwanden anschließend in der politischen Bedeutungslosigkeit. Dieses Schicksal ist für Wagenknecht undenkbar. Sie ist eine Frau, der ein gewisses Ego nicht abzusprechen ist.

In ihrer Partei gehe es vergleichsweise friedlich zu, erzählt Wagenknecht. Obwohl: "Wir haben hin und wieder auch mal Sachen, wo es rappelt bei unseren 700." Aber das BSW habe ein Ziel: "den Menschen eine Stimme geben." Die meisten Mitglieder würden wollen, was die Partei will. Und die Partei. das ist vor allem Sahra Wagenknecht.

Tausende Unterstützer beim BSW

Zum Run auf die Landtage braucht es natürlich williges Personal. Und das ist da. Immerhin gebe es 25.000 Unterstützer, die sich auf der Webseite des BSW gemeldet haben, erklärt Wagenknecht mit Stolz. Die werden in Gesprächen langsam auf Herz und Nieren geprüft. Denn das will Wagenknecht nicht: Quertreiber, so wie sie einst einer war. "Ich stehe mit meinem Namen dafür, dass hier ein bestimmtes Programm gewählt wird, und ich möchte schon, dass die Menschen, die auf unseren Listen kandidieren und die unsere Partei tragen, inhaltlich für das stehen, für das ich auch stehe."

Wofür sie steht, kann man im Parteiprogramm lesen. Das ist vier Seiten dick. Aber dann gebe es ja noch Wahlprogramme. Die seien dicker, sagt Wagenknecht. Und ein richtiges Parteiprogramm werde jetzt von einer Expertenkommission ausgearbeitet. Nächstes Jahr solle es stehen.

Wagenknecht hat Prinzipien. Sie hat ihre Ansichten deutlich geändert, seit sie Politik mitgestaltet. In den 1990er-Jahren habe sie Vorstellungen gehabt, hinter denen sie heute nicht mehr stehe, sagt sie. Heute will sie ein bisschen hiervon und ein wenig davon. "Wer prinzipiell gegen Abschiebung ist - das wäre ein Problem", sagt sie zum Beispiel. Dabei will sie in der Migrationspolitik einen harten Kurs fahren: Sie will Migration besser steuern, weniger Menschen aufnehmen, und sie ist für die Drittstaatenlösung. Dann will sie aber auch mehr soziale Gerechtigkeit. Vor kurzem brachte ihre Gruppe einen Gesetzentwurf im Bundestag ein. Darin forderte sie eine Anhebung des Mindestlohnes auf 14 Euro. Der Gesetzentwurf sei abgelehnt worden - von allen Abgeordneten der anderen Parteien, sagt Wagenknecht.

Krieg so schnell wie möglich beenden

Was sie noch will: Sanktionen für Bürgergeldempfänger, die nicht arbeiten wollen. Gleichzeitig möchte sie "bürokratische Hemmnisse" abschaffen, die die Arbeitsaufnahme behindern. Und für Bildung wollen sie und ihre Partei sich einsetzen, erst einmal in Thüringen. Kinder ab drei Jahren sollen Deutschtests machen, sagt sie. Und sie will, dass die Kinder in den Schulen rechnen lernen statt gendern. Und dann sagt sie etwas, das eben nur Sahra Wagenknecht sagen kann: "Wir wollen Thüringen zum Guten verändern, so wie wir uns das vorstellen."

Und dann: der Ukraine-Krieg. Der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine sei völkerrechtswidrig gewesen, gibt Wagenknecht immer wieder zu. Und immer wieder hat man den Eindruck, ihre Interviewer glauben ihr einfach nicht, dass sie das wirklich denkt. Den Krieg will sie so schnell wie möglich beenden. Dazu gebe es nun ein Verhandlungsangebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagt Wagenknecht. Putin will, dass Russland die Krim und die Oblaste in der Ostukraine zugeschlagen werden. Auch die, welche die russische Armee noch nicht vollständig erobert hat. Die Ukraine müsse kapitulieren und sie dürfe kein NATO-Mitglied werden. Das seien die Grundvoraussetzungen für den Beginn von Friedensverhandlungen, so Putin. "Man nennt so etwas Diktatfrieden", sagen Militärexperten.

"Der Westen sollte gemeinsam mit der Ukraine auf diese Offerte antworten", fordert dagegen Wagenknecht. Man solle einen Gegenvorschlag formulieren, zum Beispiel den Stopp der westlichen Waffenlieferungen, wenn es an der Frontlinie einen sofortigen Waffenstillstand gebe, aber ohne Voraussetzungen. Einen ähnlichen Vorschlag hatten zuvor Brasilien und andere Länder gemacht. "Wir haben Putin das noch nie vorgeschlagen. Russland hat die Gebiete annektiert. Putin kann die nicht von sich aus zurückgeben, das würde als Schwäche ausgelegt. Auch wir müssen ein Angebot formulieren. Dann nehmen die Russen es an oder nicht. Und wenn sie es nicht annehmen, müssen wir es mit China oder anderen Ländern besprechen."

Viel Zuspruch findet Wagenknecht für ihre Idee bei Lanz und seinen Gästen nicht. Aber vielleicht hat sie mit ihrem Vorschlag eine erste Diskussionsgrundlage für ein Kriegsende am Verhandlungstisch geliefert. Das muss man abwarten.

Quelle: ntv.de

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