Will er jetzt Frieden? Bei Putins Angebot ist höchste Vorsicht geboten


Putins Angebot ist unanehmbar.
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Es wirkt wie eine Sensation. Russlands Präsident Putin bietet der Ukraine scheinbar einen Deal an: Die Ukraine soll auf Teile ihres Landes und eine NATO-Mitgliedschaft verzichten, dafür offeriert er eine Waffenruhe und Friedensverhandlungen. Darauf eingehen kann die Ukraine aber nicht.
Zugegeben, diese Nachricht lässt aufhorchen, aufblicken, ja aufschrecken: Hat Russlands Präsident Putin da gerade wirklich Frieden in der Ukraine in Aussicht gestellt? Gesagt hat er Folgendes: Wenn die Ukraine auf eine Mitgliedschaft in der NATO verzichtet und die vier östlichen Regionen Russland überlässt, könnte es eine Waffenruhe geben. Und anschließend Friedensverhandlungen. Es gehe ihm darum, den Krieg zu beenden. Sagte er zumindest. Frieden erscheint damit in Reichweite. Oder doch nicht?
Es wäre schön, wenn es so wäre. Aber dies ist genau der Moment, vor dem immer gewarnt wurde. So verlockend so ein Angebot klingt, so unannehmbar ist es für die Ukraine. Das hat mehrere Ebenen. Zunächst die Wichtigste: Vertrauen. Putin lügt, wenn es ihm nützt. Das ist so oft passiert, man kann nicht mehr unterscheiden, wann er es ernst meint. Ein paar Beispiele: "Wir greifen die Ukraine nicht an". "Wir stoppen die Gaslieferungen an Deutschland nicht", "Selenskyj ist ein Nazi" oder gerade heute: "Wir wollten Kiew nie erobern". Lügen, Betrügen, Töten - dafür steht dieser Mann.
Dann die strategische Ebene. Seine Forderungen entsprechen den offiziellen Kriegszielen der Russen. Sie wollen sich Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja komplett einverleiben und die Ukraine aus der NATO heraushalten. Wer solche Maximalforderungen zur Bedingung für Verhandlungen macht, bräuchte gar nicht mehr zu verhandeln. Putin hat dann nämlich erreicht, was er will. "Man nennt so etwas Diktatfrieden", schreibt Sicherheitsexperte Carlo Masala auf X. Recht hat er.
Putin will die Ukraine Russland einverleiben
Nun könnte man natürlich sagen: Die Ukraine muss sich auch bewegen. Man muss die Realitäten anerkennen. Wenn dieses Angebot den Frieden brächte, dann sollte die Ukraine es annehmen. Aber wer sagt denn, dass es tatsächlich Frieden brächte? Stellen wir uns vor, Selenskyj geht auf das Angebot ein und Putin hält sich sogar an sein Wort. Die Ukrainer ziehen sich zurück, die Russen stellen das Feuer ein. Gespräche beginnen.
Wie lange werden die dauern? Drei Monate? Sechs Monate? Ein Jahr? Russland könnte die Zwischenzeit nutzen, weiter Waffen zu bauen, noch und nöcher. Weiter Soldaten zu rekrutieren, noch und nöcher. Um dann irgendwann die Gespräche doch scheitern zu lassen. Um dann wieder mit neuer Kraft anzugreifen. Wer will das ausschließen? Putin sagt selbst immer, es gehe nicht nur um das, was tatsächlich passiert, es gehe um Potenziale. Also das, was passieren könnte. Das ist seine Begründung, warum er immer behauptet, Russland müsse einen Angriff der NATO fürchten.
Womit wir wieder beim Punkt Vertrauen wären. Um so ein Angebot auch nur in Betracht zu ziehen, bräuchte es genau das: sehr viel Vertrauen. Doch davon ist nichts mehr übrig. Anfangs, zu Beginn des Krieges, soll Selenskyj noch zu einem Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft bereit gewesen sein. Aber nach Butscha und dem täglichen russischen Bombenterror auf die Zivilbevölkerung kann er darauf nicht mehr eingehen. Jeder, der ihm zuhört, weiß: Putin will die Ukraine Russland einverleiben. Er betrachtet sie als Teil Russlands. Er wird das Ziel nicht aufgeben. Sein Angebot erscheint also vor allem wie der Versuch, Zeit zu gewinnen.
Trump kann mit Putins Angebot Wahlkampf machen
Kann das Angebot trotzdem Hoffnung machen? Bemerkt Putin vielleicht gerade die Grenzen seines Feldzuges? Ist es gar ein Zeichen der Schwäche? Viel erreicht hat er bisher schließlich nicht. Russland steht in allen Belangen schlechter da als vor zwei Jahren. Deutschland, Polen und andere Länder werden massiv aufrüsten. Schweden und Finnland traten der NATO bei. Russland ist isoliert, musste sich völlig in die Arme Chinas werfen. Zeigt Putin hier Einsicht? Würde er vielleicht auch Gesprächen ohne Vorbedingungen zustimmen? Wahrscheinlich ist das nicht.
Wahrscheinlich ist etwas anderes. Dieses Angebot gilt vielleicht gar nicht so sehr Kiew. Sondern Deutschland, den USA und anderen westlichen Ländern. Eine Sahra Wagenknecht hat nun neue Munition. Sie behauptete ja bislang, man könne mit Putin verhandeln. Jetzt wird sie dieses Angebot zur Selbstaufgabe nur bestärken. Die AfD wird das ebenfalls aufgreifen. Womöglich auch Teile der SPD. Das Gleiche gilt für die Vereinigten Staaten. Donald Trump könnte darauf eingehen und Wahlkampf damit machen. Er vertraut Putin vermutlich immer noch. So könnte Putin überall einflussreiche Fürsprecher finden, die die Stimmung in seinem Sinne beeinflussen.
Es bleibt wahr, was wir seit dem ersten Tag der russischen Invasion vor zweieinhalb Jahren hören. Es gibt genau einen Menschen, der Frieden in der Ukraine schaffen kann. Das ist Putin selbst. Wenn er wirklich Frieden will, könnte er den Befehl dazu geben. Putin tut es aber nicht. Stattdessen verlangt er eine Kapitulation. Dann aber hätte er trotz allem gesiegt. Und es wäre nur eine Frage der Zeit bis zur nächsten Eskalation.
Quelle: ntv.de